Dachau:"Das ist eine Schweinerei"

Dachau: Ein möglichst stressfreies Leben: Ludwig Wittmann kauft keine Ferkel zu, sondern mästet jene Tiere, die auch am Hof geboren werden.

Ein möglichst stressfreies Leben: Ludwig Wittmann kauft keine Ferkel zu, sondern mästet jene Tiere, die auch am Hof geboren werden.

(Foto: Toni Heigl)

Die niedrigen Preise für Schweinefleisch auf dem Markt bedrohen Landwirte im Landkreis in ihrer Existenz. Immer mehr Betriebe müssen aufgeben. Der Bayerische Bauernverband fordert die Politik zum Handeln auf.

Von Eva Waltl, Dachau

Bei Discountern und Supermärkten ist Schweinefleisch diese Woche wieder im Angebot. Geworben wird mit Preisnachlässen von bis zu 55 Prozent. Für den Bauern, der hinter der Haltung und Versorgung des verkauften Schweins steckt, bedeutet dies eine weitere bittere Niederlage und verschärft die ohnehin prekäre Lage der Schweinehalter im Landkreis Dachau. Es droht ein Höfesterben.

Simon Sedlmair, Obmann des Bayerischen Bauernverbands im Landkreis Dachau, findet klare Worte: "Die Preise sind katastrophal", sagt er. Diese trügen zwar nicht die einzige Schuld an der Misere, aber sie hätten doch einen beträchtlich Anteil daran, dass im Landkreis mehr und mehr Schweinehalter aufhören müssten. "In den vergangenen zwölf Monaten haben hier viele Betriebe mit jeweils über 1000 Plätzen ihre Türen geschlossen", erzählt Sedlmaier.

Anders Ludwig Wittmann, Schweinehalter aus Gänsstall bei Ampermoching. Er betreibt seinen Hof noch, ist aber auch zunehmend frustriert von der Preisentwicklung: "Wir bräuchten eine Preissteigerung von 45 Cent pro Kilogramm Schweinefleisch, um kostendeckend arbeiten zu können", klagt er. Davon sind derzeitige Preise weit entfernt. Der Preis pro Schlachtgewicht liegt bei 1,25 Euro. Um etwas zu verdienen, wären aber 1,60 Euro nötig. Laut Sedlmair liegt der kalkulierte Verlust der Bauern pro Mastschwein bei 30 Euro.

Dachau: Michael Wittmann unterstützt seinen Vater Ludwig Wittmann auf dessen Hof. Eine zusätzliche Arbeitskraft könnte sich dieser nicht leisten.

Michael Wittmann unterstützt seinen Vater Ludwig Wittmann auf dessen Hof. Eine zusätzliche Arbeitskraft könnte sich dieser nicht leisten.

(Foto: Toni Heigl)

Der Preisverfall hat seinen Ursprung in dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland im September vergangenen Jahres. Mehrere Länder, darunter auch der große und wichtige Abnehmer China, erteilten einen Einfuhrstopp für deutsches Schweinefleisch. Noch immer grassiert die ASP im Norden und Osten Deutschlands und den Schweinehaltern brechen Abnehmer weg. "Das ist ein riesiges Problem", sagt Wittmann.

Neben den niedrigen Preisen gehören aber auch die ständig wachsenden Anforderungen beim Tierwohl, teure Investitionen und fehlende Planungssicherheit zu den Faktoren, die es den Schweinehaltern erschweren, wirtschaftlich zu arbeiten. Erst kürzlich hat Ludwig Wittmann seinen Schweinestall umgebaut, um den Tieren mehr Platz zu schaffen: 150 000 Euro hat der Umbau den Schweinehalter gekostet. Eine Investition, die er durch die Erträge nicht einbringen kann, die aber dennoch notwendig gewesen ist, um überhaupt weiterarbeiten zu können. "Dieses Geld kriegen wir leider nicht zurück", sagt Wittmann.

Hinzu kommt auch noch die Corona-Pandemie. Während der Schließungen von Gaststätten, Kantinen und dem Ausfall von Festen ging der Fleischabsatz nach unten. Einen Rückgang, den auch Wittmann bemerkt: "Noch dazu hatten wir diesen Sommer keine wirkliche Grillsaison", klagt er. Er versorgt an seinem Hof 85 Mutterschweine und hat 700 Mastplätze. Er betreibt ein sogenanntes geschlossenes System: Der Betrieb kauft keine Ferkel zu, sondern mästet jene Ferkel, die auch am Hof geboren werden. Es kommt kein Tier von außen auf den Hof. Ein "ideales System, das den Tieren ein stressfreieres und gesünderes Leben ermöglicht", erklärt Sedlmair. Es seien, ergänzt er, vor allem kleine bis mittelgroße Betriebe, die ein solches System nutzen. Die großen Betriebe kaufen Ferkel hinzu - vorwiegend aus dem Ausland.

Wittmann steht an sieben Tagen pro Woche am Hof und versorgt die Paarhufer. Sein Sohn Michael Wittmann, Landwirtschaftsmeister, unterstützt ihn in seiner Freizeit tatkräftig. Dass der Sohn einer eigenen Arbeit nachgeht, macht es für den Vater einfacher. Denn bezahlen, sagt Ludwig Wittmann, könne er seinen Sohn für seine Hilfe nicht "Wenn wir sowieso schon nichts verdienen, wie sollen wir noch eine weitere Arbeitskraft finanzieren?"

"Die Landwirtschaft hat einfach keinen hohen Stellenwert, viel wichtiger ist der Verkauf von Autos"

Es ist eine gefährliche Entwicklung. Junge Leute für die Landwirtschaft, besonders für die Schweinehaltung zu begeistern, sei ohnehin schwer, erklärt Wittmann: "Es gibt niemanden mehr, der einen Hof weiterführen und dort arbeiten möchte." Die Folge ist das sogenannte Höfesterben: Insgesamt gibt es noch fünf Ferkelerzeuger und zehn reine Mastbetriebe.

Für den Konsumenten verändert sich dadurch anscheinend wenig, denn der Schweinemarkt ist ohnehin kein nationaler, sondern ein globaler Markt. Und Fleisch, das nicht in der Region geschlachtet wird, wird importiert. Die Regale im Supermarkt sind also gefüllt. Die hiesigen Schweinehalter ärgert diese Entwicklung. "Das regt mich so auf", sagt Kreisobmann Sedlmair: "Das Fleisch, das hier produziert wird, muss den deutschen Auflagen entsprechen, aber das importierte Fleisch nicht", erklärt der Kreisobmann. "Das ist eine Schweinerei." Auch Wittmann ist enttäuscht von der Politik: "Die Landwirtschaft hat einfach keinen hohen Stellenwert, viel wichtiger ist der Verkauf von Autos", so der Schweinehalter. Der Schweinehalter gelte allgemein in der Gesellschaft nur als "Umweltverpester mit Güllefass".

Seldmaier und Wittmann fordern endlich einen Fahrplan, der es den Schweinehaltern ermöglicht, wirtschaftlich zu arbeiten. Für Sedlmair könnte die Lösung in EU-weiten Regelungen liegen. "Nationale Auflagen bringen gar nichts", sagt er. Sein Blick in die Zukunft ist trüb: "Es macht mir große Kopfzerbrechen, wie es wohl mit dem Schweinemarkt weitergehen wird."

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