Dachau:Das ist der begehrteste Maibaum in Oberbayern

Maibaum Dachau

So sah der Maibaum unbemalt aus. Steht er erst einmal, soll er für maximal fünf Jahre am Unteren Markt seinen Platz finden.

(Foto: Feuerwehr Dachau)

Sogar aus Rosenheim reisen Spione an: Vom Diebstahl des tonnenschweren Stamms erhoffen sie sich Ruhm - und eine fette Auslöse. Einmal wäre der Coup fast gelungen.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Das Feuerwehrhaus am Dachauer Amperweg wird seit mehreren Wochen ausgespäht. Die Agenten und Spione, so wird berichtet, schleichen von allen Seiten um das Gebäude, um an streng geheime Informationen zu gelangen. Das Objekt der Begierde, ein 35 Meter langer Maibaum, der Dachau bald zieren soll, sei aber in Sicherheit, beschwichtigt die Freiwillige Feuerwehr. Ein perfider Klauversuch des Gündinger Burschenvereins wurde demnach bereits abgewehrt. Die Maibaumwache lasse den Baum keine Sekunde aus den Augen, verspricht die Feuerwehr.

"Unser Baum schlägt überregional große Wellen. Wir haben schnell gemerkt, dass wir eine Maibaumwache brauchen", sagt Stefan Fichtl, der Vorsitzende der Freiwilligen Feuerwehr Dachau. Er hat am Dienstag extra eine Pressekonferenz mit Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), Kulturamtsleiter Tobias Schneider und ranghohen Feuerwehrlern einberufen. Denn einen Maibaum hatte die Große Kreisstadt Dachau seit 2004 nicht mehr, als der Baum bereits zum zweiten Mal nach 1999 vom Wind umgeweht wurde.

Heuer aber stellt die Freiwillige Feuerwehr Dachau endlich wieder einen Maibaum am Unteren Markt auf. Der Aufwand hinter dem gesamten Projekt ist immens, wie auf der Pressekonferenz klar wird. "Das ist eine tolle, spannende Aufgabe und gut für den Zusammenhalt im Verein", sagt Vorsitzender Fichtl. Und der Oberbürgermeister fügt hinzu: "Wir freuen uns, dass die Feuerwehr das macht."

Aus ganz Oberbayern kommen die Spione

Schon jetzt, noch ohne Embleme und Schilder, weckt der 2,5 Tonnen schwere Baum Begehrlichkeiten in ganz Oberbayern. Insider behaupten, es vergehe keine einzige Nacht ohne Spähversuche. Spione sollen bis aus Starnberg und Rosenheim anreisen. Alle schmieden offenbar Pläne, den Baum aus Dachau zu entführen. Denn je größer und traditionsreicher die bestohlene Ortschaft, desto größer der Ruhm für die erfolgreichen Diebe. Der Dachauer Baum soll heiß begehrt sein und eine fette Auslöse versprechen.

Ihn zu stehlen, erscheint allerdings utopisch. Anders als auf dem Land, wo die Bäume oft auf Höfen oder in Scheunen gelagert werden, befindet sich das Dachauer Exemplar im geschlossenen Feuerwehrhaus - oder wie Matthias Grasse vom Gündinger Burschenverein sagt: "in einem Hochsicherheitstrakt". Grasse muss es wissen, er hat den Baum und seine Umgebung mit ein paar Spezln zweieinhalb Wochen lang ausgekundschaftet. Am Ende seiner Spionage stand ein fast perfekter Plan, der beinahe funktioniert hätte.

Ein ausgeklügelter Plan - aber dann ging etwas schief

Am Mittwoch vor zwei Wochen schleusten die Burschen tagsüber jemanden in das Feuerwehrhaus ein, der sich stundenlang unter der Treppe versteckte. Als die Maibaumwache - vermutlich müde vom Weißbier und Schafkopfen - einschlief, sperrte er sie im Stüberl ein. Danach öffnete der Eindringling 30 Gündinger Burschen die Tür.

Den tonnenschweren Container vor dem Ausgang hoben sie ebenso wie eine mehr als zwei Tonnen schwere Betonleitplanke mit Hilfe von alten Stahlwinden hoch. Beide Objekte, das hatten sie bereits an einem Versuchsobjekt am Gündinger Bauhof geübt, bugsierten sie fast geräuschlos auf Anhängerachsen mit großen Reifen, um sie aus dem Weg zu schaffen. Tatsächlich war ihnen all das gelungen und die Burschen standen mit dem Baum in der Hand vor geöffneter Tür. Dann aber wachte eine der Maibaumwachen auf, befreite sich und beendete die Geschichte.

Die Freiwillige Feuerwehr nahm dass Ganze sportlich. Zum Aufstellen am 1. Mai plant sie eine große Party mit 1500 bis 2000 Besuchern am Unteren Markt. Der Baum wurde extra in einem Wald bei Schrobenhausen geschlagen und nach Dachau gekarrt. Er ist 23,75 Meter lang und hat einen Durchmesser von 62 Zentimetern am Sockel. In Dachau angekommen, wurde er entastet, geschält, gehobelt und geschliffen. In den kommenden Tagen werden auf den weißen Untergrund traditionell blaue Rauten und Bänder gemalt.

Die 23 Schilder und Embleme wurden vom Dachauer Künstler Christian Huber inzwischen aufwendig saniert, nachdem sie viele Jahre vernachlässigt und teilweise beschädigt worden waren. Hubers Großvater Richard hatte viele der Schilder, etwa einen Lastwagen der MD-Papierfabrik oder ein altes Fuhrwerk der Schlossbergbrauerei, bereits Ende der Fünfzigerjahre angefertigt. Die Kosten für die Sanierung der Schilder in Höhe von 10 000 Euro übernimmt die Stadt Dachau.

Zum Aufstellen des Kolosses reicht Muskelkraft nicht aus

Alles andere stemmt die Freiwillige Feuerwehr mit Hilfe von Sponsoren und einem städtischen Zuschuss von 500 Euro selbst. In den Morgenstunden des 1. Mai, gegen 8 Uhr, soll der Baum mit Pferden und Blasmusik zum Unteren Markt befördert werden. Entgegen der mutigen Ankündigung, den Baum mit reiner Muskelkraft hochzustemmen, werden dort ein Kran und die eigene Drehleiter eingesetzt.

"Uns ist wegen des Platzmangels von vielen Seiten abgeraten worden, den Baum mit Stangen aufzustellen", sagt der zweite Vorsitzende der Feuerwehr, Sebastian Fritsch. Vorsitzender Fichtl gibt ganz ehrlich zu: "Uns fehlt auch die Erfahrung im Gegensatz zu den Leuten auf dem Land, die das seit 50 oder 60 Jahren schon machen." Traditionell-bajuwarisch soll das Fest aber trotzdem verlaufen, verspricht er.

Die Stadt Dachau kann sich glücklich schätzen über das Engagement der Feuerwehr. Würde sie den Baum selber aufstellen, müsste sie alle Arbeiten ausschreiben und nach Schätzung von Kulturamtsleiter Schneider insgesamt rund 40 000 Euro in die Hand nehmen. Die Feuerwehrler leisten etwa 400 Arbeitsstunden ehrenamtlich und kommen mit weniger als einem Viertel des Geldes aus. OB Hartmann nannte die Arbeit "sehr wertvoll".

Am Ende der Pressekonferenz stellte sich paradoxerweise heraus, dass die Feuerwehr Dachau der Stadt im Jahr 1999 schon einmal den Maibaum gestohlen hat. Bevor eine Ablöse gezahlt werden konnte, soll der Baum von Bauhofmitarbeitern aber zurückerobert worden sein.

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