Süddeutsche Zeitung

Corona im Landkreis Dachau:"Das wird für viele private Teststationen der Todesstoß sein"

Ende Juni laufen die kostenlosen Corona-Bürgertests aus. Zwar hat der Freistaat entschieden, dass die Teststelle in Indersdorf bis Ende Oktober weiter betrieben wird, die Zukunft der privaten Teststationen bleibt jedoch ungewiss. Behörden und Betreiber sind genervt.

Von Miriam Dahlinger, Dachau

Vergangene Woche gab Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bekannt: Die kostenlosen Corona-Bürgertests sollen Ende Juni auslaufen. Der Bund könne die hohen Kosten von durchschnittlich einer Milliarde Euro pro Monat nicht mehr finanzieren, so Lauterbach. Gratis bleiben die Tests dann nur noch, wenn es um den Schutz vulnerabler Gruppen geht. Für wen das nicht zutrifft, wird ab Juli drei Euro zahlen müssen.

Jedoch zeigen die aktuellen Zahlen, dass die Pandemie alles andere als überstanden ist: Momentan liegt die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis Dachau bei einem Wert von 607,3 und damit deutlich höher als der bayerische Wert von 537. Im Helios Amper-Klinikum in Dachau lagen am Montag 16 Patienten mit Covid-19 auf der Normalstation und drei auf der Intensivstation.

Private Testbetreiber hängen in der Luft

Zwar sei inzwischen sicher, erklärt Sina Török vom Landratsamt Dachau, dass die PCR-Teststrecke in Markt Indersdorf bis Ende Oktober weiter betrieben werde, gleichzeitig hingen die privaten Testbetreiber noch in der Luft. Nicht nur die sinkende Nachfrage nach Tests bereitet den privaten Anbietern Sorgen. Während sich im Testzentrum in Indersdorf momentan nur noch etwa 20 Personen täglich testen ließen, seien es nach Informationen des Landratsamts zum Höhepunkt der Pandemie an den Wochenenden bis zu 500 Personen gewesen. Es fehlt auch die langfristige Perspektive, wie der Bund in den kommenden Monaten seine Teststrategie aufstellen will, beispielsweise wie der Preis von drei Euro bezuschusst werden soll und wie ihn die Anbieter abrechnen können.

Eine Situation, die auch Landrat Stefan Löwl (CSU) kritisiert: "Aus kommunaler Sicht ist es erneut unverständlich, warum wir wieder so lang auf die bundesrechtlichen Vorgaben und Regelungen warten müssen." Dass die Umsetzung von Maßnahmen - gerade wenn es auch um Personal und die weitere Lebensplanung von Menschen gehe - sowohl einen zeitlichen Vorlauf, wie auch eine gewisse Verlässlichkeit benötigt, scheine "überhaupt nicht mehr im Bewusstsein der Berliner Akteure zu sein", so Löwl.

Getestet wird im Landkreis aktuell in 26 Teststationen - davon seien bis auf das Bayerischen Testzentrum in Markt Indersdorf alle privat, sagt Török. Allerdings komme es immer wieder vor, dass Teststationen geschlossen würden, ohne dass sie aktiv beim Landratsamt abgemeldet würden. Das führe dazu, dass auf der Webseite des Landratsamts zum Teil Teststellen gelistet würden, die nicht mehr geöffnet seien.

"Für die Patienten wird es schwieriger, Tests zu finden", sagt Apotheker Maximilian Lernbecher

"Ich warte immer noch, dass wir die Details in der aktualisierten Testverordnung des Bundes nachlesen können", äußert sich unterdessen Apotheker Uwe Sandner, der in der Schlossapotheke in Haimhausen testet. "Aber ich denke, dass die neuen Regelungen für viele private Teststationen der Todesstoß sein werden." Zwar warte er noch ab, welche vulnerable Gruppen ab Juli weiterhin Anspruch auf einen kostenlosen Test haben würden, jedoch gehe er nicht davon aus, dass sich die Teststation für ihn auch in Zukunft rentiere, zu hoch seien die Kosten für Miete, Personal und Material: "Die Kostendeckung ist ja jetzt schon grenzwertig." Ein Eindruck, den auch Maximilian Lernbecher, Apothekersprecher im Landkreis, teilt: "Ich höre überall, dass die Apotheken ihre Teststationen einstellen oder pausieren", schildert er die Stimmung im Kollegenkreis. Schließlich sei die Nachfrage an Tests deutlich gesunken, seitdem man etwa bei kulturellen Veranstaltungen oder Auslandsflügen keine Tests mehr vorzeigen müsse: "Die meisten kaufen sich eher für 1,50 Euro einen Schnelltest in der Apotheke oder im Supermarkt", so Lernbacher. "Und mit nur einem Test die Stunde wirst du als Apotheker arm", fügt er hinzu. Das bedeute auch: "Für die Patienten wird es schwieriger, Tests zu finden."

Uwe Sandner von der Schlossapotheke in Haimhausen kritisiert noch einen weiteren Aspekt: "Die Infektionszahlen stimmen seit dem Ende der Testpflicht in vielen Bereichen sowieso schon vorne und hinten nicht - da wird sich die Dunkelziffer noch viel mehr erhöhen." Dies stelle auch das Landratsamt als örtliche Behörde vor Herausforderungen, wie Landrat Löwl beklagt. Er plädiert für den Erhalt des kostenlosen, breitflächigen Testangebots. "Nur so haben wir eine grobe Kenntnis der Infektionslage." Und eine entsprechende Struktur sei aus seiner Sicht elementare Voraussetzung für jede Maßnahme im Herbst, "sollte sich die Situation dann wieder verschärfen". Für Apotheker Sandner ist unterdessen klar: "Wenn wir merken, dass wir bei jedem Test draufzahlen, dann können wir den Service nicht mehr anbieten."

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