Süddeutsche Zeitung

Impfpflicht im Landkreis Dachau:Ja, wie jetzt?

Wer im Gesundheitswesen arbeitet, muss gegen Corona geimpft sein. Klingt einfach. Aber was, wenn sich jemand nicht impfen lässt? Und wer kontrolliert das? Im Landkreis rätseln darüber nicht nur die Betroffenen.

Von Shafia Khawaja und Alexandra Vettori, Dachau

Vier Wochen vor Einführung der Impfpflicht im Gesundheitswesen ist die Unsicherheit bei den Betroffenen immer noch groß. Von 15. März an soll die neue Regelung bundesweit gelten, doch noch immer sind viele Fragen offen. Vor allem die, was mit dem impfunwilligen Personal dann konkret passiert. Auch im Dachauer Gesundheitsamt, das die Einhaltung der Impfpflicht in den medizinischen Einrichtungen, Altenheimen und Praxen im Landkreis kontrollieren soll, wartet man immer noch auf klare Richtlinien von Bund und Land.

1000 Menschen sind allein im Helios-Amper Klinikum Dachau beschäftigt. Wer davon geimpft ist und wer nicht, kann die Klinikleitung laut Pressesprecherin Pia Ott derzeit noch nicht sagen. Man habe alle Mitarbeitenden gebeten, bis zum 15. März einen Impf- oder Genesenennachweis vorzulegen - oder ein ärztliches Attest, das belegt, dass man selbst aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden kann. Auch habe man die Beschäftigten ausführlich über die gesetzliche Impfpflicht informiert und unterbreite fortwährend weitere Impfmöglichkeiten. "Wir befinden uns also nach wie vor in einem laufenden Prozess", sagt Pia Ott. "Daher sind Angaben zu geimpften oder ungeimpften Mitarbeitenden aktuell leider nicht möglich."

Zwar rechne man durchaus mit vereinzelten Kündigungen am Helios-Amper-Klinikum aufgrund der Impfpflicht, verglichen mit den Vorjahren sei die Anzahl der Pflegekräfte aber dennoch weitgehend stabil geblieben: "Wir sind zuversichtlich, dass das auch so bleiben wird", betont Pia Ott. Sollten die verlangten Nachweise bis zum 15. März nicht vorliegen, sei man als Arbeitgeber verpflichtet, das zuständige Gesundheitsamt zu informieren, führt Ott weiter aus. Dieses werde dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Erst gibt es eine formelle Anhörung

Nachdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auch in der Handreichung an die Bundesländer vor einigen Tagen noch immer nicht auf arbeitsrechtliche Fragen eingegangen ist, herrscht in der Branche weiter Unsicherheit über die tatsächlichen Konsequenzen für ungeimpfte Mitarbeitende. "Ich kann derzeit nur spekulieren, ob danach ein Bußgeld verhängt oder ein Berufsverbot erteilt wird. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geklärt", so Sina Török, Pressesprecherin des Landratsamt Dachau, zu dem auch das Gesundheitsamt gehört.

Grob würde es wohl so ablaufen, schätzt Török, dass ungeimpftes Gesundheitspersonal vom Arbeitgeber im Gesundheitsamt gemeldet wird, und das Gesundheitsamt dieses daraufhin kontaktiert und zur Impfung auffordert. Nach "entsprechender formeller Anhörung" der betreffenden Person und der jeweiligen Einrichtung könne das Gesundheitsamt dann im Einzelfall ein Betreuungsverbot verhängen, erklärt Török. Welche Konsequenz das dann für Einrichtung und Mitarbeiter habe, sei zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht geklärt.

Nicht nur im Dachauer Gesundheitsamt denkt man außerdem darüber nach, wer all diese Kontrollen durchführen soll. Schließlich ist man personell bereits jetzt mit der Nachverfolgung der Corona-Infektionen gut ausgelastet.

Bringt Novavax die Wende?

Im Landratsamt Dachau und sicher auch in vielen Einrichtungen im Landkreis hofft man deshalb, dass sich einige der ungeimpften Pflegekräfte mit einem sogenannten "Totimpfstoff" impfen lassen. Wie Landratsamt-Sprecherin Sina Török mitteilt, wird zum Ende des Monats der Impfstoff Novavax freigegeben. "Wir werden als Erstes eine Impfaktion für Pflegekräfte anbieten, um die Lücke zu schließen. Im Nachgang werden wir hoffentlich auch noch einige Bürger und Bürgerinnen erreichen, die auf den Totimpfstoff warten", meint sie. Aktuell liegt die allgemeine Impfquote im Landkreis Dachau bei 75,2 Prozent; wie sie beim Pflegepersonal aussieht, dazu liegen keine validen Daten vor.

Beim ambulanten Pflegedienst in Karlsfeld sind jedenfalls alle Mitarbeitenden bereits geimpft, wie die Pflegedienstleiterin Milka Stanković des Seniorenzentrums Curanum in Karlsfeld auf Nachfrage mitteilt. Trotzdem steht Milka Stanković der einrichtungsbezogenen Impfpflicht kritisch gegenüber: "Jeder sollte selbst entscheiden können, ob er oder sie geimpft wird. Wenn man weiterarbeiten möchte, bleibt einem aber keine andere Wahl". Milka Stanković ist deshalb zwiegespalten: Auf der einen Seite sieht sie den Vorteil darin, mit einer Impfung die Klientinnen und Klienten zu schützen. Andererseits sei es schwierig, dass mit der kommenden Impfpflicht nicht jeder frei entscheiden kann.

Die Impflicht gilt auch für Heilpraktiker oder für Physiotherapeuten wie Paris Andreadis. In seinem Team hätten einige durchaus Bedenken gehabt, erzählt der Dachauer, der in diesem Jahr bereits das 21-jährige Bestehen seiner Praxis feiern kann. "Aber wegen der Impfpflicht am 15. März haben sich inzwischen alle peu a peu impfen lassen", sagt Andreadis.

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