Von Dachau in den Norden Europas:Auf Achse für das Gute

Chaos City Riders

Straße in die Unendlichkeit: Pausen müssen sein auf der Rallye, auch um die Landschaft im Norden Europas zu genießen.

(Foto: Chaos City Riders)

10 000 Kilometer, vier Männer, ein Bus: Die "Chaoscityriders" aus Dachau sind im Rahmen einer Charity-Rallye durch den rauen Norden Europas gefahren. Nun sind sie zurück und haben mehr als 30 000 Euro an Spenden mitgebracht.

Von Robert Stocker, Dachau

Ein Kunstrasen zwischen Felsen mitten im Meer? Vom wohl außergewöhnlichsten Fußballplatz der Welt auf den norwegischen Lofoten-Inseln schwärmt Tobias Pietzonka heute noch. "Unglaublich", sagt der junge Dachauer, seine Freunde Bernard Zeidler und Benjamin Markovic stimmen ihm zu.

Der Fußballplatz mit der beeindruckenden Naturkulisse war nur eine Station, zu der sie eine Charity-Rallye im hohen Norden führte. Etwa 10 000 Kilometer haben sie auf ihrer abenteuerlichen Reise zurückgelegt und dabei eifrig Spenden gesammelt. Vor dem Start hatten sie für ihre Aktion "Von Dachau für Dachau" die Werbetrommel gerührt. So kamen exakt 31 157,30 Euro zusammen, die jetzt hilfebedürftige Kinder im Landkreis erhalten.

"Es war wirklich beeindruckend, was da von den Dachauern kam"

Vor gut einem Jahr hatte Benjamin Markovic die "Baltic Sea Circle Rallye" auf Facebook entdeckt. Er war dabei, seinen Urlaub zu planen. "Das hat mich sofort begeistert", sagt Markovic. Er erzählte seinen Freunden Tobias Pietzonka und Bernard Zeidler davon. Alle drei waren Feuer und Flamme. Etwas später stieß auch Michael Pietzonka, der Bruder von Tobias, dazu. Als "Chaoscityriders" sind sie in den sozialen Netzwerken ein Begriff. "Chaoscity" - den ironischen Namen hat der Radiomoderator Mike Thiel der Stadt verpasst. Die vier Freunde starteten die Charity-Aktion "Dachau für Dachau" und begannen, Spenden zu sammeln. Sie kauften einem Rocker einen 24 Jahre alten VW-Bus ab, der als fahrende Litfaßsäule für die Aktion Werbung machte. "Es war wirklich beeindruckend, was da von den Dachauern kam", blickt Tobias Pietzonka zurück. So spendete die Naturkostinsel 1000 Euro, ebenfalls 1000 Euro erhielten die Freunde vom Dachauer Maler Richard Wurm, der für die Aktion ein Bild verkaufte. Auch bei der Abschiedsparty am Waldschwaigsee vor dem Rallye-Start zeigten sich Besucher spendabel. Am Tag der Abfahrt hatten die vier Freunde 24 000 Euro zusammen.

Chaos City Riders

Die "Chaoscityriders" müssen auf der Rallye Aufgaben erfüllen darunter: In Russland ein Foto vom Eisbrecher Lenin schießen.

(Foto: Chaos City Riders)

Auch Oberbürgermeister Florian Hartmann und Landrat Stefan Löwl unterstützten die Aktion. Die Charity-Rallye startete am 15. Juni 2018 von Hamburg aus. Als die vier Spendensammler mit ihrem VW-Bus Richtung Norden aufbrachen, wurden sie in der Altstadt mit Pauken und Trompeten verabschiedet. Der Oberbürgermeister hatte es sich nicht nehmen lassen, die Dachauer Knabenkapelle zu engagieren. "Er war auch der erste Dachauer, den wir bei unserer Rückkehr am 1. Juli in Etzenhausen gesehen haben", erzählt Bernard Zeidler. Etwa 10 000 Kilometer legten die vier Freunde auf ihrer Reise rund um die Ostsee zurück. Die 16 Tage lange Abenteuerfahrt führte von Hamburg nach Dänemark, Schweden, Norwegen, Russland, Finnland, Estland, Lettland, Litauen und Polen und wieder nach Dachau zurück. 250 Teams mit je zwei bis vier Teilnehmern waren bei der Rallye am Start. Jedes Team erhielt ein Roadbook, in dem die Aufgaben und Reisetipps standen. Zum Beispiel, wie schnell man höchstens in den einzelnen Ländern fahren darf oder wie die Wechselkurse stehen.

Die Aufgaben für die Rallye-Teilnehmer waren ziemlich skurril. In Schweden mussten die Dachauer ein Wikingerschiff entern - entsprechend verkleidet, versteht sich von selbst. Auf einem Kreisverkehr war tatsächlich so ein Schiff als Attraktion für Touristen abgestellt. Als die Dachauer das Gefährt bestiegen, tauchten plötzlich schwedische Soldaten auf. "Die haben gefragt, was wir da machen", erzählt Tobias Pietzonka. Als die Dachauer es ihnen sagten, lachten sie. In Russland mussten die vier Freunde ein Foto von Lenin schießen, dem ersten nuklearbetriebenen Eisbrecher der Welt. Wenn ein Team bei der Rallye statt Autobahnen Landstraßen benutzte, wurde es mit Extrapunkten belohnt. Die Landstraßen in Russland, so berichten die Dachauer Abenteurer, seien teilweise in einem besseren Zustand als hierzulande. Besonders, wenn sie durch ein militärisches Gebiet führen. Andererseits kann es aber auch passieren, dass man 20 oder 30 Kilometer auf Schotterpisten dahinrumpeln muss, weil die Straßen wegen Reparaturarbeiten aufgerissen sind. Zweimal sind sie eine Nacht lang durchgefahren, so auch von Murmansk nach St. Petersburg. Mitten in der Pampa tauchten plötzlich zwei Kinder am Straßenrand auf, die den VW-Bus stoppen wollten. Weil die vier Dachauer nichts riskieren wollten, fuhren sie weiter, ohne stehen zu bleiben. "Später haben wir von Einheimischen gehört, dass es viele Waisenkinder gibt, die in Wäldern leben", sagt Bernard Zeidler.

Chaos City Riders

Meistens sind die vier Dachauer in ihrem VW-Bus unterwegs.

(Foto: Chaos City Riders)

Eine weitere Aufgabe bestand darin, den alten Tourbus der schwedischen Popgruppe Abba zu fotografieren. Das Fahrzeug vergammelt auf einem Autofriedhof in einem Wald. Hundert Kilometer vor der Stadt Östersund in Mittelschweden gabelten die Dachauer einen Anhalter aus Frankreich auf. Er war 24 Stunden lang mit an Bord.

"Wir haben unser eigenes Ding gemacht"

Von der norwegischen Stadt Bodø, die schon nördlich des Polarkreises liegt, setzten die vier Abenteurer mit einer Fähre zu den Lofoten über. Die schönste Strecke sei die Fahrt nach Lappland gewesen. Einsame Straßen an Stränden und Bergen entlang. "Da haben wir hundert Kilometer lang keinen Menschen gesehen", sagt Tobias Pietzonka. "Die Natur auf Lappland ist einfach atemberaubend. Und es ist dort absolut still." Statt Menschen begegneten den Jungs viele Tiere. Rentiere liefen über die Straße, sogar zwei Bären waren im Wald zu sehen. In Helsinki lernten die Dachauer die finnische Saunakultur kennen. Sie besuchten die riesige Sauna Löyly mit direktem Zugang zur Ostsee und einer avantgardistischen Architektur. Weil sie eine Fähre nicht verpassen wollten, machten sie die Nacht im VW-Bus durch. Ein Taxi brachte sie dann zu einer Hippie-Sauna im Hafen von Helsinki. "Das waren zwei bunte Holzhütten, aus denen es rausgeraucht hat", sagt Tobias. Drei Millionen Saunen gibt es in Finnland - bei fünfeinhalb Millionen Einwohnern.

"Wir haben unser eigenes Ding gemacht und uns unter die Einheimischen gemischt", blickt Bernard Zeidler auf die abenteuerliche Reise zurück. Die Dachauer kamen mit vielen Menschen ins Gespräch, die sie dann um eine Spende baten. Sogar ein Rocker aus Berlin, den sie in Kaliningrad trafen, war spendabel. Am Samstag, 7. September, werden sie einen Spendenscheck in Höhe von 31 157,30 Euro auf der Haupttribüne der Langen Tafel übergeben. Das Geld geht an das Schönbrunner Franziskuswerk, die Greta-Fischer-Schule und den Integrationskindergarten Himmelreich.

Der VW-Bus, der vor dem Start der Rallye in einer Werkstatt durchgecheckt wurde, hielt übrigens ohne Panne durch. 330 000 Kilometer zeigt der Tacho jetzt an. Die vier Jungs wollen mit dem guten Stück weiter Werbung machen. Sie suchen nun ein neues Projekt, vielleicht in Kooperation mit den Partnerstädten. "Wir haben so viel Herzblut reingehängt", sagt Tobias Pietzonka. Eines habe ihre Aktion gezeigt: "Wenn man etwas Vernünftiges macht, sind die Dachauer auch bereit zu spenden."

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