Dachau:Ceta? Nein, danke!

Start Unterschriftensammlung Volksbegehren

"Stop Ceta": Ein breites Bündnis aus Organisationen hat mit einer Unterschriftensammlung ein Volksbegehren erzwungen.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Die Naturschützer im Landkreis haben zu dem bayernweiten Volksbegehren gegen das Handelsabkommen mit Kanada beigetragen. Jetzt streiten sie mit den Befürwortern aus Wirtschaft und Politik

Von Sarah Stemmler, Dachau

Die erste Hürde ist genommen: Der Bund Naturschutz (BN) im Landkreis hat mit aller Kraft am Zustandekommen eines Volksbegehrens gegen Ceta, das Freihandelsabkommen mit Kanada, mitgewirkt. Auf die Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren reagierten die Landkreisbürger mit "überwältigender Zustimmung", wie der BN-Kreisvorsitzende und Kreisrat Roderich Zauscher (Grüne) sagt. Mehr als 200 Bürger haben im Landkreis unterschrieben. In ganz Bayern waren es mehr als 50 000 Menschen; die Hälfte davon ist nötig, um ein Volksbegehren zu starten. Aber bis zum Volksentscheid ist es noch ein weiter Weg: Zehn Prozent der Wahlberechtigten in Bayern müssten für das Volksbegehren stimmen. Für Roderich Zauscher und seine Mitstreiter Peter Heller und Wolfgang Tins geht der Kampf deshalb weiter. Die Politik, sagen sie, habe geschlafen. Aber jetzt schläft die Politik jedenfalls nicht mehr: Der Landtagsabgeordnete Anton Kreitmair (CSU), oberbayerischer Bauernsprecher, wirbt für Ceta. Und Vertreter der Wirtschaft im Landkreis warnen vor einem Scheitern des Handelsabkommens.

"Aufschrei der Bevölkerung"

Deshalb sammeln die Naturschützer weiter Unterschriften. Es gehe schließlich darum, sagt Zauscher, sich klar zu positionieren, um noch mehr Druck auf die Politik auszuüben. Peter Heller, Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Dachau, wünscht sich einen "Aufschrei der Bevölkerung" gegen die "Riesensauerei". Denn Ceta ginge, wie er sagt, auf Kosten jedes Einzelnen. Das Handelsabkommen habe direkte Auswirkungen auf den Landkreis. Heller sieht in erster Linie die Landwirte in Gefahr. Durch die billigen Importe aus Kanada und den daraus resultierenden Preis- und Standarddruck werde die bäuerliche Agrarwirtschaft, die im Landkreis um ihr Überleben kämpft, zerstört. Auch würden noch mehr Monokulturen entstehen und das Landschaftsbild und die Natur beeinträchtigen.

Das sieht Bauernsprecher Anton Kreitmair aber ganz anders: Ceta werde dazu beitragen, dass Mittelstandsunternehmen besser exportieren können, sagt der CSU-Politiker. Viele Unternehmen seien auch dafür, es gelinge nur nicht, die Bürger mitzunehmen. Kreitmair kritisiert die mangelhafte Transparenz der Verhandlungen, ist aber auch der Ansicht, dass viele, die jetzt gegen Ceta unterschrieben haben, sich nicht wirklich mit der Thematik auseinandergesetzt hätten. Ein Volksbegehren sei das gute Recht der Bürger, es handle sich um eine Demokratieentscheidung - man müsse dann allerdings auch mit den negativen Folgen leben, die eine Ablehnung von Ceta mit sich bringe. Wirtschaftlich sei man dann "außen vor".

Auch Chancen sehen

Auch die Münchner Handwerkskammer und die Kreishandwerkerschaft positionieren sich nicht gegen das Freihandelsabkommen. Im Prinzip sei man dafür, so Pressesprecher Rudolf Baier des Verbandes in München. Man wolle nur nicht, dass bewährte Standards aufgeweicht würden. Ulrich Dachs, Vorstand der Kreishandwerkerschaft Dachau, ist der Ansicht, man müsse einerseits kritisch sein, aber auch die Chancen sehen. Für kleine Handwerksbetriebe könne Ceta neue Exportmöglichkeiten eröffnen.

Um die Standards fürchten eben die Ceta-Gegner: den Bauern, den Konsumenten aber auch den Kommunen könne der Freihandelsvertrag schaden. "Die Entscheidungskompetenzen der Gemeinden werden beschnitten", sagt Zauscher. Im Zuge des Freihandelsabkommens müssten Gemeinden Aufträge transatlantisch ausschreiben, die bislang kommunal vergeben werden konnten. Dadurch könnten lokale Unternehmen nicht mehr bevorzugt werden. Außerdem entfalle die Möglichkeit, den Auftrag an bestimmte Vorgaben wie besondere Qualitätsauflagen zu koppeln. Das beschränke den Einfluss der Kommunen. Zudem befürchtet Heller einen "Stillstand des Fortschritts": Die Einführung sogenannter Schiedsgerichte ermächtige die Industrie, gegen neue Umwelt- oder Lebensmittelschutzbestimmungen zu klagen. So lege man der Politik Fesseln an und bremse Verbesserungen aus.

Europäisch denken

Klingt plausibel. Aber Wirtschaftsvertreter wollen das nicht sehen. Frank Dollendorf von der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern fasst die Stimmung unter den Verbandsunternehmen zusammen: Um sich zukunftsfähig auszurichten, solle man die sich bietenden Möglichkeiten nutzen und dem Freihandel offen gegenüberstehen. Natürlich werde der Konkurrenzdruck steigen, wettbewerbsfähige Unternehmen würden dennoch davon profitieren. Gerade für kleine und mittelständische Betriebe sei Ceta eine Chance, den kanadischen Markt zu erschließen. Bereits rund eintausend bayerische Unternehmen pflegten Geschäftsbeziehungen zu Kanada. Man müsse da auch europäisch denken und zusehen, dass Europa nicht den Anschluss auf dem Weltmarkt verliert. Laut Dollendorf verdankt Bayern seinen wirtschaftlichen Erfolg der Fähigkeit, über den Tellerrand hinaus blicken zu können.

Es scheint, als könnte Ceta durch das Volksbegehren verhindert werden. Aber Zauscher weiß, dass alles noch offen ist: Der Freistaat darf nicht auf jeden Fall über Ceta mitbestimmen. Die EU-Kommission hat inzwischen zwar Ceta als gemischtes Abkommen eingestuft, das heißt die Parlamente jedes EU-Mitgliedsstaats müssen den Handelsvertrag bestätigen. Unklar ist aber, ob in Deutschland auch der Bundesrat gefragt wird. Aus der bayerischen Staatskanzlei heißt es, derzeit werde noch geprüft, welche Stellen in dem 1200 Seiten starken Vertrag der Zustimmung der Bundesländer bedürften. Damit das Volksbegehren funktioniert, müssen zwei Dinge zusammentreffen: Erstens muss es zum Volksentscheid gegen Ceta kommen. Und zweitens muss der Bundesrat überhaupt abstimmen dürfen - ansonsten hat Bayern über Ceta schlicht nicht mitzureden.

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