SZ-Serie: Mit dem Bus in den Landkreis, Folge 2:Mit Wolfi unterwegs nach Nirgendwo

Bushaltestelle

Die Buslinie 782 und Busfahrer Wolfi sind zuverlässig. Das kann man nicht von allen Busverbindungen im Landkreis Dachau behaupten.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Per Bus von Dachau nach Tandern zu kommen, entpuppt sich als unmögliches Unterfangen. Die Infos der MVV-App weichen vom tatsächlichen Fahrplan ab. Ein Selbstversuch.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Der Bus hält in Reichertshausen an der Haltestelle, es ist die einzige hier im Ort. Dachauer Hinterland. "Woaßt, wo du hi muasst?", fragt mich der Busfahrer von vorne. Ich nicke und steige aus. "Ja, dann is ja guat", sagt der Fahrer und schaut amüsiert. Er scheint das nicht zu glauben, aber ich denke mir: Wird schon stimmen, was die MVV-App mir da als Verbindung vorgeschlagen hat, auch wenn das bedeutet, dass ich dreimal umsteigen muss und zwei Stunden und 34 Minuten unterwegs bin.

Der Bus fährt weg und dann stehe ich da: mitten auf der Landstraße, zwischen drei Bauernhöfen, ringsherum nichts als Felder. Eigentlich ziemlich idyllisch, denke ich, und werfe einen Blick auf den analogen, leicht vergilbten Busfahrplan: Dort steht, dass der Bus 785, den ich eigentlich in fünf Minuten hätte nehmen sollen, das letzte Mal an diesem Tag kurz nach 15 Uhr gefahren ist. Erst morgen wieder soll demnach ein Bus nach Tandern kommen. Jetzt ist es aber kurz vor 16 Uhr. So langsam verstehe ich die Reaktion des Busfahrers. Wo zur Hölle will die hin, hat er sich wohl gefragt.

Eine Abenteuertour durch den Landkreis

Eine durchaus berechtigte Frage, wie sich nun herausstellt. Wie ich in Reichertshausen gelandet bin, lässt sich aber recht leicht erklären. Ich wollte testen, ob ich es schaffe, mit dem Bus in das hinterletzte Eck des Landkreises zu kommen - und wieder zurück. Wie sich nun zeigt, ist das gar nicht so einfach, denn der ausgehängte Busfahrplan, will so rein gar nicht mit dem übereinstimmen, was das Internet mir vorgeschlagen hat. Da hilft es auch wenig, dass ich mir den Fahrplan sogar auf ein Blatt Papier ausgedruckt habe. Ich war zwar darauf vorbereitet, dass im Hinterland das Handynetz unzuverlässig sein könnte - damit, dass am frühen Nachmittag der letzte Bus zurück in die Zivilisation fährt, hatte ich allerdings ehrlicherweise nicht gerechnet. Kein Wunder, denke ich, dass nur Schüler - also Menschen ohne Führerschein und damit Alternativen - Bus fahren.

Aber zurück auf Anfang: Gestartet habe ich mein kleines Abenteuer an der Haltestelle Ludwig-Thoma-Straße in Dachau. Ein Bus, der sich nur durch das kleine Schild mit der Liniennummer 704 in der Fensterscheibe als die richtige Linie zu erkennen gibt, soll mich von dort nach Erdweg bringen. Bus Nummer eins von vier auf meinem Weg zu meinem willkürlich ausgewählten Ziel Tandern.

Umsteigezeit 35 Minuten

Eine Anzeige, die verrät, welche Haltestelle die nächste ist, gibt es nicht. Dafür aber zwei Bildschirme, welche die Straße zeigen. Es gibt eine Kamera vorne am Bus. Hilft mir zwar wenig, weil ich keine Ahnung habe, wie es dort aussieht, wo ich aussteigen muss, aber ich bin doch beeindruckt ob der Modernität. Alle anderen Fahrgäste lässt das aber offensichtlich ziemlich unbeeindruckt, weil sie sowieso genau wissen, wo sie hinwollen. Schließlich fahren sie die Strecke jeden Tag. Außer mir sitzen nur Schüler im Bus.

SZ-Serie: Mit dem Bus in den Landkreis, Folge 2: undefined

An der Schule in Erdweg steige ich aus. Umsteigezeit 35 Minuten. Von ein paar Schülerinnen, die bei meiner Ankunft im Bushäuschen sitzen, werde ich ein paar Minuten misstrauisch beäugt, dann bin ich alleine. Ich zähle die vorbeifahrenden Fahrzeuge: zehn Autos, fünf Traktoren, ein Bus. Als schließlich die Linie 785 kommt, steige ich ein. Ich bin der einzige Fahrgast. Der Busfahrer und ich, wir fahren durch Hirtlbach, Albersbach, Wöhr. Dass die Orte so heißen, weiß ich, weil es nun eine Anzeigetafel und sogar eine Durchsage gibt. Wir halten kein einziges Mal bis wir in Markt Indersdorf ankommen. Niemand wartet an den Haltestellen, niemand will ein- oder aussteigen. In Markt Indersdorf steige ich nach zwölf Minuten Fahrzeit am Marktplatz aus, an meiner Stelle steigt ein Mädchen ein. Fliegender Wechsel, sozusagen. Meine Anschlussverbindung geht erst in 54 Minuten, also hole ich mir erst einmal ein Eis und setzte mich in die Sonne. Eilig darf man es nicht haben, wenn man im Landkreis Dachau auf den Bus angewiesen ist, das wird mir so langsam klar. Wäre deshalb vielleicht auch eine ganz gute Maßnahme für den ein oder anderen gestressten Manager, denke ich.

Die Nummer 782 Richtung Randelsried

Ich stehe wieder an der Bushaltestelle Markt Indersdorf, Marktplatz, in einem Pulk voller Schulkinder. Der Bus, den ich laut MVV als nächstes nehmen soll, hält. Es ist die Nummer 782 Richtung Randelsried. Der Busfahrer schaut mich nicht unfreundlich, aber doch zumindest verwundert an und fragt, wo ich hin will. Ich sage, nach Reichertshausen, bin mir aber durch seine Frage kurz selbst unsicher, ob das wirklich stimmt. Der Busfahrer, der Wolfi heißt, wie sich später noch herausstellen wird, zieht zwar erstaunt die Augenbrauen hoch, lässt mich aber trotzdem mitfahren. Auch hier gibt es Anzeigetafeln, aber die brauchen weder die Schüler noch Wolfi. Ein Blick in den Rückspiegel reicht ihm offenbar, um zu wissen, wer als nächstes wo aussteigen muss, nicht immer muss das an einer offiziellen Haltestelle sein. Auch mich schaut er durch den Spiegel an, als wir in Reichertshausen halten. Immerhin habe ich ihm ja gesagt, dass ich hier raus will. Ich blicke dem Bus nach, bis er nicht mehr zu sehen ist und mir schwant, dass Aussteigen vielleicht doch keine so kluge Idee war.

Ich stehe schon ein paar Minuten ratlos neben dem Haltestellenschild, als der Bus wieder angefahren kommt. Er wird langsamer und hält an. Als ich Wolfi sage, dass ich auf die Linie 707 warte, sagt er, ich solle einsteigen, denn der 707er fahre heute nicht mehr. Ohne zu zögern nehme ich sein Angebot an. Und als ich ihm von meinem Experiment erzähle, muss er lachen. Diese Stadterer denkt er sich wahrscheinlich. Und ich denke: Recht hat er.

Wolfi setzt mich in Markt Indersdorf wieder am Marktplatz ab, wirklich weit gekommen bin ich also nicht. Bevor er davon fährt rät er mir noch, es mit der Linie 706 zu probieren, gibt mir seine Handynummer und sagt, ich solle ihn einfach anrufen, wenn ich wieder irgendwo strande, er sei eh unterwegs. Wenigstens ein Bus, denke ich, der zuverlässig dann fährt, wenn ich ihn brauche.

Die Lokalausgaben der Süddeutschen Zeitung suchen im Oktober gemeinsam mit dem MVV den Busfahrer oder die Busfahrerin des Jahres. Teilnahmecoupons liegen in allen Regionalbussen aus. Ihren Favoriten oder ihre Favoritin können Fahrgäste aber auch per Mail vorschlagen: busfahrer-aktion@mvv-muenchen.de.

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