Süddeutsche Zeitung

Aktion:BRK strickt Graffiti für Dachau

Das BRK will mit den "Straßen-Strickerinnen" Farbe in den grauen Alltag bringen. Entstehen soll ein riesiges Graffiti.

Von Petra Schafflik, Dachau

Egal ob kunstvolle Muster im farbenfrohen Wolle-Mix oder schlicht einfarbig zwei links, zwei rechts, egal ob erfahrener Profi an zwei Nadeln oder blutige Anfängerin: Wer gerne strickt und gleichzeitig mit seinem Maschenwerk beitragen möchte zu einem öffentlichen Kunstobjekt, der ist richtig beim Projekt "Straßen-Strickerinnen". "Es geht mir darum, Menschen zusammenzubringen mit dem Ziel, gemeinsam etwas Konkretes zu schaffen", sagt Julia Kießig.

Die 35-Jährige entwickelt als Projektkoordinatorin Soziale Innovation beim Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) neue Ideen, gerade auch für die Seniorenarbeit der Zukunft. Ungewöhnliche Ansätze möchte sie ausprobieren. Entstehen soll so ein buntes Strickgraffiti-Kunstwerk, das von November an Farbe bringen wird in den winterlich-grauen Stadtalltag. Erster Treff der Straßen-Strickerinnen ist am Mittwoch, 9. Oktober, ab 15 Uhr in Veranstaltungssaal der Kulturschranne in der Pfarrstraße 13.

Urban Knitting, auch als Strickgrafitti bekannt

Das Projekt will die traditionelle Handarbeit zusammenbringen mit dem bisher eher in Großstädten bekannten Phänomen des Urban Knitting, auch als Strickgraffiti bekannt. Bei diesem Trend werden bauliche Elemente des öffentlichen Raums "umstrickt", graue Laternenpfosten, Poller oder ganze Fußgängerbrücken werden mit buntem Maschenwerk eingehüllt. Das BRK-Projekt in Dachau verfolgt einen intergenerativen Ansatz, will Ältere, die vielleicht Strickexperten sind, zusammenbringen mit jungen Straßenkunst-Interessierten, die das Stricken eventuell erst lernen möchten. Neben dem Schaffensprozess geht es Julia Kießig darum, die Mitwirkenden ins Gespräch zu bringen. "Denn es sind zwischenmenschliche Verbindungen, die eine hohe Lebensqualität ausmachen."

Dass das wunderbar klappen kann, hat die ausgebildete Theater- und Erziehungswissenschaftlerin schon erlebt. Ein ähnliches Vorhaben hat sie in Portugal durchgeführt, wo die Besucher einer Tagespflegeeinrichtung gemeinsam mit jungen Gästen strickten. "Das waren wunderschöne Treffen mit tief greifenden Gesprächen." Da aus der Gemeinschaft heraus entstanden, würden die Strickgraffiti-Objekte im öffentlichen Raum auch respektiert. Eine im portugiesischen Ovar vollständig mit Strickwerk eingehüllte Brücke "stand ein Jahr später noch unbeschädigt da".

Warum, fragt Kießig, sollten Projekte für Ältere nicht "cool und kreativ sein"?

Die Aktion in Dachau sei der Auftakt zu einer Neuorientierung der sozialen Arbeit beim BRK, erklärt Julia Kießig. Mit dem demografischen Wandel wachse auch im Landkreis die Zahl der Älteren mit ihren durchaus sehr unterschiedlichen Lebensentwürfen und Bedürfnissen. Damit der Wohlfahrtsverband auf diesen Wandel reagieren kann, entwickelt Kießig als Projektkoordinatorin für soziale Innovation nun Ansätze und Ideen für eine zukünftige Seniorenarbeit. Dabei will sie "Dinge ausprobieren, die es bisher nicht gab und dann gemeinsam im Dialog weiterentwickeln". Die Ergebnisse könnten durchaus überraschend sein. Warum, fragt Kießig, sollten Projekte für Ältere nicht "cool und kreativ sein", wie es etwa Vorhaben der Jugendarbeit seien. Mit einer Ideenbörse zur Seniorenarbeit wird das BRK im Dezember künftige Angebote für die ältere Generation konkret in den Blick nehmen.

Die Straßen-Strickerinnen starten am Mittwoch, 9. Oktober, ab 15 Uhr mit der Auftaktveranstaltung. Mitmachen können alle, die mitstricken oder auch häkeln möchten. Danach treffen sich die Teilnehmer jeden Mittwoch ab 15 Uhr. Wer mitarbeiten möchte, aber mittwochs keine Zeit hat, kann auch "aus der Ferne" Teil des Projekts sein, Strickteile im Maß 31 x 20 Zentimeter bis 11. November abgeben oder einsenden beim BRK (Rotkreuzplatz 3 - 4 in Dachau). Auch Wollreste sowie Strick- und Häkelnadeln sind als Spende unter dieser Adresse willkommen. Alle Strickteile werden zu einem Kunstwerk zusammengefügt und am Samstag 23. November, öffentlich installiert. Wo genau, das bleibt bis dahin noch geheim.

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Quelle:
SZ vom 08.10.2019
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