Gold und Glitzer wohin man blickt: Schon am Eingang zum „Alten Kino“ der Knabenkapelle Dachau in der Sudentenlandstraße leuchtet es golden, noch prächtiger wird es im Saal des ehemaligen Astoria-Lichtspielhauses: Goldbanner vor der Bühne, Gold an Wand und Empore. Wer sich im Dachauer Kulturleben auskennt, weiß das optische Signal sofort zu deuten: Die Big Band Dachau spielt heute wieder da, wo sie zu Hause ist.
Denn mindestens einmal im Jahr tritt die viel gefragte Formation, die auch schon beim legendären Montreux Jazz Festival vertreten war, im heimatlichen Dachau auf. Am Samstag war es wieder so weit: Im ehemaligen Kinosaal, dem Domizil der Knabenkapelle, unter deren Vereinsdach die Big Band Dachau agiert, wurde unter dem Motto „Fette Torte“ groß gefeiert. Der Anlass war höchst profan: Mit finanzieller Hilfe der Stadt Dachau und privater Spender konnte im Saal eine Fußbodenheizung und ein komplett neuer Bodenbelang verlegt werden. Letzterer sollte – natürlich tanzend – eingeweiht werden, erzählt Vereinsvorstand Tilo Ederer.
Bei der Dekoration des Saals setzte die Band auf Gold, denn die Farbe ist ihr Markenzeichen, zumindest was das Exterieur angeht, golden sind nicht nur die Blasinstrumente, sondern auch die Outfits der Mitglieder. Bis auf den schwarz gekleideten Bandleiter Tom Jahn gibt es hier niemanden, der nicht wenigstens mit einem golden glitzernden Zylinder oder Shirt auf die Bühne kommt. Der bewusste Stilbruch mit dem strengen, schwarz dominierten Dress-Code früherer Big-Band-Orchester ist Programm und auch ein Symbol für das Selbstverständnis der Mitglieder und ihres Leiters. Denn ihr musikalischer Sound hat nur noch partiell etwas mit dem der ursprünglichen Vorbilder aus der frühen Jazz-Szene gemeinsam.
Das Lied „Face of the Dark“ ist bei der Fahrt im Tourbus entstanden
In den Sound der Big Band sind unterschiedliche Musikrichtungen eingeflossen, neben klassischem Jazz auch Rock und Techno, Hip-Hop oder Funk. Mit dieser Offenheit für Genres aller Art hat sich die Band einen Namen gemacht, der weit über Dachau hinaus reicht. Gegründet wurde sie 2010 von Trompeter Jörg Hartl, fünf Jahre danach übernahm Tom Jahn die Leitung.
Bei der Fette-Torte-Feier am Samstag sorgte zunächst DJ Max Mumme am Mischpult für Stimmung. Dann übernahmen Tom Jahn und zwei Dutzend der insgesamt 30 Bandmitglieder die Bühne und fluteten den alten Saal mit mitreißender Musik, die die Zuhörer in Party-Stimmung versetzte. Was im Publikum zunächst eher zaghaft begann, nahm im Laufe des Abends Fahrt auf – befeuert von der Musik, aber auch vom leidenschaftlichen Dirigiergestus Tom Jahns. Er verband dabei seine Funktionen als Bandleader, Mann am Synthesizer und Sänger mit maximalem Körpereinsatz.
Gespielt wurde die ein oder andere Coverversion bekannter Stücke, die Jahn für seine Band arrangiert hat, wie etwa der Song „We are in this together“ von James Brown, bei dem Anika Mensing und Anna Helfer den Gesang übernahmen. Die musikalische Grundidee des Stücks wurde in verschiedene Richtungen aufgefächert, es waren Details, die zusammen ein unerhört spannendes Klangbild ergaben. Doch die meisten Stücke im Programm der Big Band Dachau sind mittlerweile Eigenkompositionen. Oft sind sie aus gemeinsamen Proben heraus entstanden oder so wie das schöne „Face of the Dark“ bei der Fahrt im Tourbus.
Zum Gesamtkonzept der Big Band Dachau gehöre laut Tilo Ederer der Gedanke, dass sich jedes Mitglied so einbringt, wie es eben kann. Ziel sei, auch den noch weniger Geübten, die Freude am gemeinsamen Musizieren zu vermitteln. Aber natürlich stehen bei den Auftritten immer wieder Solisten im Vordergrund, wie die Schlagzeuger Jan van Meerendonk und Thomas Salvermoser. Oder dessen Bruder Michael Salvermoser, der wie viele aus der Band bei der Knabenkapelle anfing und inzwischen Berufsmusiker ist. Am Samstag spielte er als erster Trompeter der Bigband zusammen mit Martin Kraetzl ein Solo.
Die Big Band Dachau als Ort des Karrierestarts
Mit dem Song „Yummi thrills“ begaben sich Tom Jahn und Anika Mensing – als mitreißendes und sich bis an die Grenzen der Erschöpfung verausgabendes Gesangsduo – samt ihren Bandkollegen mitten unters Party-Volk. Max Mumme sorgte dabei nicht nur als DJ, sondern auch an Piano und Keyboard und zuletzt dirigierend für Bewegung auf der Tanzfläche. „Der verdammte Beat“ hieß das letzte Stück auf der Playlist am Samstag, genauso wie der Titel der CD, die die Band vor acht Jahren veröffentlicht hat.
Im November soll es eine Neuerscheinung geben – auch das ist ein Beweis dafür, wie lebendig die Formation nach wie vor ist. Sie verfügt nicht nur über einen höchst eigenwilligen Sound und ein breites musikalisches Spektrum, sondern auch über viele Musiker, jüngere und ältere, zu denen immer wieder neue Mitglieder dazukommen. Und es sind gar nicht so wenige, die im Laufe der Jahre hier ihre Bestimmung gefunden und so wie Michael Salvermoser die Musik zum Beruf gemacht haben. Die Big Band Dachau als Ort des Karrierestarts: Nicht viele Formationen können das so überzeugend von sich sagen.