Dachau:Besuch aus dem Jenseits

Zur 100-Jahr-Feier der Volksbank Raiffeisenbank Dachau lässt das Hoftheater Bergkirchen Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Raiffeisen wieder auferstehen - und den Genossenschaftsbegründern gefällt, was sie in Dachau sehen.

Von Helmut Zeller

Zu Lebzeiten korrespondierten Hermann Schulze-Delitzsch (1808-1883) und Wilhelm Raiffeisen (1818-1888) nur, begegnet sind sie sich erst viel später, am Donnerstag. Die Volksbank Raiffeisenbank Dachau lud zur Feier ihres Jubiläums ins Dachauer Schloss ein - rund vierhundert Gäste aus Wirtschaft, Politik und Kultur erlebten das Aufeinandertreffen der beiden Gründerväter der deutschen Genossenschaftsbanken, mitreißend gespielt von Herbert Müller und Ansgar Wilk vom Hoftheater Bergkirchen. Starrsinnig, kämpferisch und selbstbewusst, wie die beiden Mimen die Sozialreformer darstellten, mögen auch Malermeister Albin Huber und die 19 Dachauer gewesen sein, die am 16. Mai 1913 die "Gewerbe Kassa für Dachau und Umgebung" ins Leben riefen und damit eine 100-jährige Erfolgsgeschichte begründeten.

Dachau: Friedrich Raiffeisen (Ansgar Wilk) und Hermann Schulze-Delitzsch (Herbert Müller) verbeugen sich vor dem Vorstandssprecher Thomas Höbel.

Friedrich Raiffeisen (Ansgar Wilk) und Hermann Schulze-Delitzsch (Herbert Müller) verbeugen sich vor dem Vorstandssprecher Thomas Höbel.

(Foto: Toni Heigl)

Die Dachauer Bank ist nicht die älteste, 1913 gab es bereits 19 262 "ländliche und städtische Bankgenossenschaften", wie Vorstandssprecher Thomas Höbel in seiner Rede sagte. Auch die Sparkasse Dachau ist bereits 130 Jahre alt. Doch sind nicht nur 100 Jahre Geschichte ansehnlich, vor allem hat die Volksbank Raiffeisenbank Dachau in all diesen Jahren den Genossenschaftsgedanken - nicht der Profit, sondern der Mensch steht im Vordergrund - ohne Kompromiss verfochten und sich dabei noch zu einem erfolgreichen Unternehmen entwickelt. Das jedenfalls würdigten alle Redner auf der Festveranstaltung. Landrat Hansjörg Christmann (CSU) betonte als früherer langjähriger Sparkassen-Präsident in Bayern die wirtschaftlichen Erfolge, etwa die vielen gelungenen Fusionen und dankte für ihr soziales Engagement und ihre Förderung des Kulturlebens. Auch die Chronik, zum Jubiläum von der Kunstkritikerin Bärbel Schäfer und Walter Koch geschrieben, stelle einen wertvollen Beitrag zur Dachauer Kulturgeschichte dar. Sie lese sich, sagte der Landrat, wie ein Who's Who der Geschichte des Dachauer Landes.

Dachaus Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) attestierte der Bank "eine ganz besondere Verbundenheit zu Stadt, Landkreis und Region". Ohne das Sponsoring von Volksbank Raiffeisenbank und Sparkasse könne die Stadt nicht ihr vielfältiges Engagement in der Kulturförderung stemmen. Von einem "sicheren Anker" sprach Andreas Martin, Vorstand des Bundesverbandes der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Berlin. Die Dachauer seien nicht abhängig von den weltweiten Kapitalmärkten, wie die Genossenschaftsbanken überhaupt die Antwort auf globale Verflechtungen und Herausforderungen seien. In Deutschland hätten sie 30 Millionen Kunden und 17,3 Millionen Mitglieder - jeder fünfte Bürger ist demnach Mitglied einer Genossenschaftsbank.

"Wir stellen wirtschaftlichen Erfolg niemals über unsere Verantwortung gegenüber den Menschen und der Region", sagte Vorstandssprecher Thomas Höbel. Und er versprach: Auch unsere zukünftige Geschäftspolitik wird den genossenschaftlichen Werten eines Schulze-Delitzsch verpflichtet bleiben. "Der egoistische homo oeconomicus hat in der genossenschaftlichen Welt keinen Platz", sagte Höbel. Er nannte nur ein Beispiel: Die Vertreterversammlung habe auf die Jubiläumsdividende von 100 Basispunkten zu Gunsten der Region verzichtet. Mit diesen 177 000 Euro - das entspricht bei entsprechender Verzinsung einem Stiftungskapital von etwa 11, 8 Millionen Euro - sollen soziale, kulturelle und sportliche Projekte in der Region gefördert werden.

Das hörten nicht nur Kunden und Kommunalpolitiker gerne, auch für einen besonderen Gast klang das gut. Rolf Kretschmann, Urenkel von Hermann Schulze-Delitzsch war mit seiner Frau Renate ins Dachauer Schloss gekommen. Klar, dass zum Jubiläum eine Band aus dem Landkreis spielte. Die Big Band des Gymnasiums Markt Indersdorf unter der Leitung von Roman Novak mit ihrer Sängerin Julia Richter brachten den Schwung in den Festsaal, mit dem die Volksbank Raiffeisenbank in das zweite Jahrhundert geht. Der 92-jährige Kretschmann aber war hingerissen von der Begegnung zwischen seinem Urgroßvater und Friedrich Wilhelm Raiffeisen - so wie sie wahrscheinlich verlaufen wäre.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: