Dachau:Belastetes Gelände

Nahe der Baracken in der Kufsteiner Straße soll ein Wohnblock für Flüchtlingsfamilien entstehen. Die Regierung will die Unterkunft auf einem städtischen Grundstück bauen, auf dem das Durchgangslager Rothschwaige stand.

Von Walter Gierlich

Als vor fast 25 Jahren über die ersten Pläne für die Asylbewerberunterkünfte an der Kufsteiner Straße diskutiert wurde, gab es Proteste. Auch vom Arbeitskreis Asyl, der die massierte Unterbringung von bis zu 220 Flüchtlingen weitab von der Stadt aus humanitären Gründen ablehnte. Die Flüchtlingshelfer und eine breite Front von Unterstützern hielten den Standort aber auch aus historischen Gründen für falsch: Im Zweiten Weltkrieg stand an dieser Stelle das Durchgangslager (Dulag) Rothschwaige, das zum Komplex des Dachauer KZ-Außenlagers Allach gehörte. Und genau dieses geschichtlich belastete Gelände hat die Regierung von Oberbayern jetzt auch als Standort für den von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) versprochenen Wohnblock für Flüchtlingsfamilien ausgesucht - ein Stück östlich der Baracken, nördlich der Skateranlage der Stadt.

Mehr als ein Jahr ist es nun her, dass Seehofer sein Versprechen abgab. Zuvor schon hatte die Stadt jahrelang mit der Regierung von Oberbayern über Möglichkeiten verhandelt, statt der maroden Baracken an der Kufsteiner Straße, die längst von Stadträten aller Fraktionen als menschenunwürdig bezeichnet werden, ein festes Wohnhaus mit abgeschlossenen Wohnungen für Familien zu errichten. Ein Vorhaben, das wegen der Grundstücksfrage, aber auch aus rechtlichen Gründen nicht einfach umzusetzen war, weswegen die Zusage des Ministerpräsidenten als Durchbruch erschien.

Wie schon zuvor die Stadt verhandelten auch die staatlichen Behörden mit der Eigentümergemeinschaft Schuster, der das Areal nördlich der Feldstraße gehört, auf dem unter anderem der Wohnblock steht, in dem es im Frühjahr gebrannt hat, wie Manfred Schuster der SZ sagte. Das städtische Grundstück östlich der bestehenden Unterkunft sei zu klein für das geplante Projekt, hatten ihm die staatlichen Verhandlungspartner vor einem Jahr erklärt. Die Vertreter der staatlichen Immobilienverwaltung hatten im August 2013 mit den Schusters über drei verschiedene Optionen für ihr 6000 Quadratmeter großes Grundstück verhandelt: Erstens pachten, zweitens für 200 Euro pro Quadratmeter kaufen oder drittens von der Schuster-Verwaltungsgemeinschaft bauen lassen und langfristig mieten.

Bei letzterer Lösung war es um den Platz für 15o Menschen gegangen - in abgeschlossenen Wohneinheiten mit jeweils eigener Küche und Bad, Büros für Verwaltung und Sozialbetreuung. Dazu Gemeinschaftsräume für Hausaufgabenbetreuung, Deutschkurse und Kinderbetreuung, das Ganze zu ortsüblichen Preisen von zehn bis zwölf Euro pro Quadratmeter. Seither hat Manfred Schuster nichts mehr von der Regierung gehört: "Ich erfahre alles nur aus der Zeitung."

Auch bei der Stadt Dachau hatte man monatelang nichts mehr von den Planungen gehört. Der neue Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD)wandte sich daher im Mai 2014 an die Regierung von Oberbayern und fragte nach dem Stand der Planungen. Im Juni ging ein erster Teil der Unterlagen im Rathaus ein, im Juli dann der zweite. Und überraschend ist das Schuster-Grundstück aus dem Spiel. "Aus Sicht der Regierung kommt nur das städtische Grundstück nördlich des Skaterparks in Frage", sagt der Leiter des städtischen Bauamts, Michael Simon, der von den Historie des Areals nichts weiß. Die Stadt solle die Bodenplatte herstellen, die Regierung baue dann das Gebäude selber, erklärt Simon, der das von der Regierung an die Stadt geschickte Papier lediglich als Standortvergleich bezeichnet. Die Stadt prüfe das Ganze jetzt und schicke der Regierung dann ihre Stellungnahme. Wann mit einer fertigen Planung oder gar einem Baubeginn zu rechnen ist, sei offen, sagt der Bauamtsleiter und fügt kritisch an: "Die Erfahrungen mit der Kommunikationspolitik der Regierung sind noch weiter optimierbar." Grundsätzlich seien die Dinge angesichts der stark steigenden Flüchtlingszahlen nicht einfacher geworden. Kann es sein, dass die maroden Baracken trotz des Neubaus stehen bleiben? "Das haben jetzt Sie gesagt", betont Simon.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: