Kinderbetreuung: "Ich bin sehr enttäuscht, was mit den Mitteln gemacht wird"

Kinder im Sandkasten auf dem Spielplatz

Eltern in Bayern sollten durch einen Beitragszuschuss - 100 Euro pro Kindergartenkind und Monat - eigentlich schon seit 1. April von den Kindergartengebühren entlastet werden.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Die Staatsregierung will Eltern seit dem 1. April bei den Kindergartengebühren entlasten. Nun sollen die Träger in Vorleistung gehen. Diese nervt das Prozedere.

Von Julia Putzger, Dachau

Eltern in Bayern sollten durch einen Beitragszuschuss - 100 Euro pro Kindergartenkind und Monat - eigentlich schon seit 1. April von den Kindergartengebühren entlastet werden. Doch das Geld vom Freistaat für die Umsetzung fehlt noch, die Träger der Kindertagesstätten sollen deshalb laut Ministerium in Vorleistung gehen. Da die rechtliche Grundlage dafür nicht geklärt ist und dieser Vorschuss enorme Summen kosten würde, sehen die Kindergartenträger im Landkreis Dachau davon ab. Sie plädieren für mehr Unterstützung bei der Verwaltung und glauben, dass das Geld an anderen Stellen sinnvoller eingesetzt werden könnte.

Der Grund dafür, dass das Wahlversprechen von CSU und Freien Wählern noch nicht wie geplant umgesetzt werden kann, ist der fehlende Haushaltsbeschluss. Denn erst voraussichtlich Mitte Mai wird der Bayerische Landtag über den Haushalt entscheiden, in dem auch die geplanten 76,8 Millionen Euro angeführt sind, die der Beitragszuschuss allein im Jahr 2019 kosten wird. Klaus Mayershofer, der Geschäftsleiter der Gemeinde Markt Indersdorf, rechnet darum frühestens Mitte August, spätestens Mitte November mit den Mitteln aus der bayerischen Staatskasse.

Kompliziertes Prozedere

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Eltern erst ab den Sommermonaten geringere Beträge bezahlen. Stattdessen wird das Geld, sobald es denn vom Freistaat bereitgestellt wird, den Eltern "umgehend rückerstattet", wie Mayershofer und Sprecher anderer Kindergartenträger versichern. Der Beitragszuschuss wird also wie geplant ab April gültig, landet aber erst verspätet in den Geldbeuteln der Eltern.

Dieses Prozedere allein scheint bereits kompliziert genug. Hinzu kommt allerdings noch die Tatsache, dass die Eltern die 100 Euro Entlastung nicht direkt vom Freistaat erhalten, sondern die Maßnahme indirekt über die geringeren Gebühren von Seiten der Kindergartenträger umgesetzt wird. Die Kommunen bekommen das Geld und leiten es gegebenenfalls an private Träger weiter. Sowohl öffentliche als auch private Träger passen ihre Gebührensätze dann an, sodass Eltern beispielsweise statt 125 Euro nur noch 25 Euro monatlich bezahlen müssen.

Kritik an "Gießkannenprinzip"

Das stellt insbesondere die Verwaltung der Kindergartenträger vor große Herausforderungen, findet Paul Polyfka, der Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes in Dachau: "Es gibt die Grundhaltung, dass die Verwaltung nebenher laufen kann. Doch das ist mittlerweile nicht mehr möglich, es handelt sich um einen ganzen Apparat." Das Rote Kreuz ist Träger von elf Kindertagesstätten in Dachau. Als großer Träger könne man Synergieeffekte nutzen, sagt Polyfka, trotzdem seien die zusätzlichen Aufgaben eine starke Belastung.

Das Kita-Gesetz

Das Gute-Kita-Gesetz wurde 2018 von der Bundesregierung beschlossen und sieht einen sogenannten Instrumentenkasten mit zehn Handlungsfeldern zur Qualitätsverbesserung vor. Daraus können die Bundesländer selbst auswählen, welche sie umsetzen.

Zweites Ziel des Gesetzes ist Gebührenentlastung. Bis 2022 investiert der Bund insgesamt 5,5 Milliarden Euro in die Umsetzung der Ziele des Gute-Kita-Gesetzes. Kritiker finden, dass in Bayern ein viel zu großer Teil dieser Gelder vom Bund in den Gebührenzuschuss fließt und nicht mehr genug für die Qualitätsverbesserung übrig bleibt. Jupu

Über die Spontanität des Beitragszuschusses wundert sich Marina Braun, Leiterin des Fachbereichs Kindertageseinrichtungen bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO), die ungefähr 500 Kindergartenplätze im Landkreis zu Verfügung stellt: "Der Beschluss kam sehr spontan, vor allem ist es unüblich, mitten unterm Jahr so eine Veränderung zu veranlassen." Laura Hölzlwimmer, Verwaltungsleiterin der katholischen Kirchenstiftung Hl. Kreuz, kritisiert das "Gießkannenprinzip, mit dem alle dieselben Leistungen bekommen". Außerdem weist auch sie auf den hohen zusätzlichen Verwaltungsaufwand hin: Nach wie vor seien nicht alle Fragen zur konkreten Umsetzung restlos geklärt.

Dabei hätten sich die Kindergartenträger eigentlich Entlastung in Sachen Verwaltung gewünscht. "Ich bin sehr enttäuscht, was mit den Mitteln für das Gute-Kita-Gesetz gemacht wird", sagt Martina Braun von der AWO. Zwar sei eine Entlastung der Eltern prinzipiell begrüßenswert, dringender wären jedoch Investitionen in die Qualität der Betreuung gewesen, wie zum Beispiel das Einstellen von Verwaltungskräften oder Maßnahmen gegen den Personalmangel. Ähnlich wie Braun sieht das auch Mayershofer. Die Gebühren seien für die wenigsten Eltern ein dringliches Problem gewesen: "Gute Qualität ist den Eltern auch etwas wert, denn schließlich sind ihre Kinder für sie ja wertvoll", so Mayershofer. "Wenn die Anforderungen, wie beispielsweise lange Öffnungszeiten, erfüllt werden, sind sie gerne bereit zu bezahlen."

Auch Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) und der in Dachau zuständige Amtsleiter Max Haberl freuen sich zwar über die Entlastung der Eltern, wünschen sich aber mehr Unterstützung vom Freistaat für die Kommunen. "Gerade hier im Großraum München bauen wir eine Kita nach der anderen, obwohl wir gar nicht wissen, wie wir den Bau finanzieren sollen", erklärt Kolbe. Kitas seien Bildungseinrichtungen und somit sei es Landesaufgabe, deren Erhaltung zu stemmen, findet Haberl.

Bürgermeister Kolbe

Wünscht sich mehr Unterstützung vom Freistaat: Der Karlsfelder Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU).

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Es bleibt abzuwarten, ab wann die Entlastungen wirklich bei den Eltern ankommen und welche Maßnahmen die Qualität der Kindergartenbetreuung verbessern können. Bisher gab es von Seiten der Eltern jedenfalls kaum verärgerte Reaktionen wegen der Verzögerung.

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