Ob der Angeklagte am 20. Januar zu viele Drogen genommen hatte oder, wie er selbst glaubt, eine allergische Reaktion hatte, das wird noch zu klären sein. Fest steht: Der darauffolgende Krampfanfall im ICE von München Richtung Salzburg ist dem 23-Jährigen am Ende zum Verhängnis geworden. Denn nur deshalb hat der Schnellzug in Dachau außerplanmäßig gehalten, nur deshalb hat ein BRK-Rettungssanitäter in seiner Hose ein Päckchen mit einem Kilo Kokain gefunden – und nur deshalb muss der junge Mann aus den Niederlanden sich nun vor dem Landgericht München II wegen der unerlaubten Einfuhr von und dem Handel mit Drogen verantworten. Er sitzt bereits seit knapp sieben Monaten in Untersuchungshaft in der JVA Stadelheim.
Vor dem Schöffengericht räumt der Angeklagte die Tat ohne Umschweife ein – allerdings mit der Einschränkung, dass er selbst keinen Handel mit der Droge getrieben haben will. Er habe, so sagt er, lediglich als Kurier fungiert. Dreimal insgesamt: Zweimal habe er Geld von den Niederlanden nach Österreich transportiert, im Januar dann das bei ihm gefundene Kokain. 500 Euro Lohn seien ihm dafür versprochen worden. Geld, das er letztlich nie bekommen habe – die Übergabe der Ware sei ja nie zustande gekommen. Dass er bedroht und deshalb die Drogen geschmuggelt habe, diese frühere Aussage revidiert er indes. Er wolle von nun an nur noch die Wahrheit sagen, versichert er.
Prozess:Siebeneinhalb Jahre Haft für Vergewaltiger
Ein 48-jähriger Kfz-Mechaniker soll eine wohlhabende junge Frau aus dem südlichen Landkreis Dachau über drei Jahre hinweg gedemütigt und erniedrigt haben. In zwei Fällen soll es auch zu Vergewaltigungen gekommen sein. Vor dem Landgericht München II fällt das Urteil.
Die Fragen der Vorsitzenden Richterin Marion Tischler beantwortet der Angeklagte auch alle freimütig, nur zu seinen Auftraggebern will er keine Angaben machen. Dafür zeigt Tischler Verständnis: Das seien, sagt sie, „manchmal ja sehr gefährliche Leute“. Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft lässt er sich immerhin so viel entlocken: Bei den Hintermännern handle es sich um „Freunde von Bekannten“, kennengelernt habe er diese, als er schon einmal im Gefängnis saß, wegen Einbrüchen. Außerdem, so sagt es der 23-Jährige, sei der ursprüngliche Plan gewesen, dass er nur jemanden vermittelt, der die Fahrt unternehmen kann. Letztlich habe er es dann aber doch selbst gemacht – ein Fehler, wie er vor Gericht mehrmals betont: „Ich weiß, dass das falsch war, was ich gemacht habe.“
Zur Frage, wofür er das Geld gebraucht habe, sagt der Angeklagte, er habe damit seine Mutter unterstützen wollen. Bei ihr lebt er gemeinsam mit zwei Brüdern. Zwar gehe er neben der Schule auch einer normalen Arbeit nach. Dort verdiene er allerdings nur zehn Euro die Stunde. Deshalb habe er sich schwarz noch etwas dazuverdienen wollen, „500 Euro sind viel Geld für mich“.
Noch offene Fragen sollen am 26. August geklärt werden
Dass er vor Fahrtantritt etwas MDMA, sprich Ecstasy, genommen hat, gibt der Angeklagte ebenfalls zu. Es sei jedoch nur ein Viertel der Tablette gewesen. Dass er davon den Krampfanfall bekommen habe, könne er sich deshalb nicht vorstellen. Er glaubt vielmehr: In dem Essen, das er sich im Bordbistro gekauft hat, waren Nüsse. Auf die sei er allergisch, so der 23-Jährige. Richterin Tischler hält dagegen, dass die Menge MDMA, die man in seinem Organismus festgestellt habe, laut Befund für jemanden, der die Droge nicht regelmäßig konsumiert, tödlich hätte sein können – und er selbst hatte ja behauptet, erst viermal überhaupt MDMA zu sich genommen zu haben.
Der Rettungssanitäter, der am Tattag mit einem Notarzt als Erster bei dem Angeklagten ankam, sagt auf Nachfrage der Richterin, dass aufgrund der Symptome des 23-Jährigen sowohl eine allergische Reaktion als auch eine Drogenüberdosis als Ursache infrage kämen. Der Anfangsverdacht, wonach der Niederländer als sogenannter Bodypacker auch Drogen im Magen gehabt und deshalb zu krampfen begonnen habe, habe sich indes im Klinikum Fürstenfeldbruck nicht erhärtet.
Nach dem ersten Verhandlungstag bleiben für das Münchner Schöffengericht noch einige Fragen offen. Zum Beispiel, die, warum der Angeklagte keinen Cent Bargeld bei sich hatte oder ob er wirklich ein Zugticket besaß. Gefunden hat man nämlich keines, aber es gibt ja auch Onlinetickets. Offen ist auch die Frage, ob er das Päckchen erst kurz vor dem Eintreffen der Rettungskräfte in seine Hose gesteckt hat oder es dort die ganze Zeit über versteckte. Und auch die Frage, ob der Angeklagte, wie er selbst sagt, das Päckchen nur in Empfang genommen oder doch selbst verpackt hat, soll noch geklärt werden. Am 26. August sollen deshalb neben einer psychiatrischen Sachverständigen auch noch Experten, die die sichergestellte DNA und Handydaten ausgewertet haben, zu Wort kommen. Am Ende des zweiten Verhandlungstages wird auch das Urteil erwartet.
Bis die Beweisführung nicht abgeschlossen ist, steht für die Vorsitzende Richterin Tischler zunächst nur eines fest: Dass die Dinge so passiert sind, wie sie am Ende passiert sind, dürfte von dem 23-Jährigen so nicht geplant gewesen sein, Zwischenstopp inklusive. „Der ICE hält ja normalerweise nicht in Dachau.“