Ausstellung:Kunst als politisches Statement

Katharina Sieverding

Katharina Sieverding stellte ihre Ausstellung im Schloss Dachau vor.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Katharina Sieverding äußert sich in ihren Werken zu Themen wie Antisemitismus und Ausgrenzung. Die Stadt Dachau ist für ihre Ausstellung der richtige Ort.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Im Vestibül des Dachauer Schlosses ist eine Blackbox aufgebaut, darin: geräumige Finsternis. Nur ein Beamer, der Satellitenaufnahmen der Sonne an die Wand projiziert, spendet Licht - mal links, mal rechts, mal rot, mal blau. Es sind 200 000 Satellitenbilder der NASA, die die berühmte Fotokünstlerin Katharina Sieverding zu einer mehrstündigen Animation kompiliert hat. "Ich fand es wichtig, dass man gleich im Parkett mit dem Kosmos konfrontiert ist", erklärt sie. Die Sonne ist ein Motiv, das sie immer gerne aufgreift: "Sie ist nicht zu kolonisieren. Kein Mensch wird sie je betreten können." Das ist ein schönes und zugleich ein furchtbares Bild. Als ob Herrschsucht, Unterdrückung, Hass und Ausgrenzung überall wären, wo der Mensch sich so herumtreibt.

Katharina Sieverding ist eine politische Künstlerin, die Zeiten sind hochpolitisch, und der Ort ist es sowieso. Dachau, Synonym der Massenvernichtung, Schule des Terrors. Hier wurde geschunden und umgebracht, wer nicht so war, wie er zu sein hatte. Sieverdings Ausstellung "Am falschen Ort II" ist vieles - nur keine Ausstellung am falschen Ort: Sie ist ein Statement zu aktuellen Themen wie Antisemitismus, Ausgrenzung und Rassismus. Sie ist ein reizvoller ästhetisches Dialog zwischen moderner Fotokunst und historischem Interieur. Und sie ist auch in der an Kunst nicht eben armen Stadt Dachau ein Event, für das schon Tage vor der Eröffnung Blogger, Instagrammer und ein Pulk von Feuilletonisten angereist ist.

Nach Dachau geholt hat die Künstlerin die Dachauer Volksbank-Raiffeisenbank in ihrer Reihe "Kunst und Bank". Deren Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Hempel zeigt sich stolz, "etwas Einmaliges", noch nie Dagewesenes nach Dachau geholt zu haben, nämlich "großformatige Fotokunst von einer renommierten Künstlerin".

1972 schloss sie ihr Studium bei Joseph Beuys als Meisterschülerin ab. Ihr Markenzeichen sind neben der markanten roten Frisur und der Sonnenbrille ihre großformatigen Color-Papierarbeiten. Hempel hofft, dass möglichst viele Besucher kommen, auch solche, die mit Kunst bisher noch nicht so in Berührung gekommen sind. Für junge Besucher stellt das Josef- Effner-Gymnasium sogar eigene Guides.

Vor drei Jahren zeigte die Volksbank im Schloss Bilder von Georg Baselitz. Damals fremdelten Kunst und Ausstellungsort miteinander, doch bei Sieverding spielen sie und interagieren; hier schaffen sie neue Kontexte, sodass auch die alten Arbeiten, die dort zu sehen sind, neu gesehen werden können: Ihre Goldporträts hängen, wo dereinst Gemälde alter Wittelsbacher Herzöge gehangen haben mögen, mit Blick in den Schlossgarten; die Umgebung spiegelt sich im Glas. Radikal fällt die Installation im Schlosssaal aus: Eine fast 30 Meter lange diagonale Wand mit Fotokunstwerken in Plakatgröße durchschneidet den Raum.

Es sind Aufnahmen, die sowohl dokumentarischen wie künstlerischen Charakter haben, nicht selten überlagern sich mehrere Bildebenen. Für die Ausstellung in Dachau hat Sieverding zwei neue Werke geschaffen. Den Rahmen bildet die Reichstagskuppel, durch die man wie durch eine Linse auf zwei Konzentrationslager sieht: auf Dachau und Mauthausen. Es ist eine Mahnung, dass die Bürger wachsam sein sollen und menschenverachtende Parolen nicht unwidersprochen lassen dürfen. Man sieht ja, wo das sonst enden kann. An diesem Dienstag will Katharina Sieverding die Dachauer KZ-Gedenkstätte besuchen. Jetzt, da die Ausstellung steht, hat sie endlich mal die Zeit dazu.

Katharina Sieverding: Am falschen Ort II, Ausstellung im Schloss Dachau. Öffnungszeiten täglich 10 bis 18 Uhr, Donnerstags 10 bis 20 Uhr. Zu sehen von 6. Juni bis 15. September.

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