Kultur in Dachau:Aquarelle, Fotos und das Magische Quadrat

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Die Ateliers der vier Künstler befinden sich in der Stockmann-Villa, auch Spatzenschlössl genannt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Fotografin Lilly Karsten und ihre malenden Künstlerkollegen Herbert Felix Plahl und Ralf Hanrieder laden wieder zur Atelierausstellung in die Stockmann-Villa ein. Die Besucher erwartet eine Mischung aus Farben und Formen und bunt bekleckstem Dielenboden. Der Vierte im Bunde, Tadeusz Stupka, muss seine Werkschau krankheitsbedingt auf November verschieben.

Von Renate Zauscher, Dachau

Vier Dachauer Künstlerpersönlichkeiten laden am kommenden Wochenende wieder in ihre Ateliers ein: die Fotografin Lilly Karsten und ihre malenden Künstlerkollegen Herbert Felix Plahl, Ralf Hanrieder und Tadeusz Stupka. In ihrer Arbeitsweise, ihren Intentionen könnten die vier Vertreter der ohnehin vielfältigen Dachauer Kunstszene nicht unterschiedlicher sein. Eines aber verbindet sie: Alle Vier arbeiten unter einem Dach. Dem des Stockmann-Hauses nämlich, dem neobarocken "Spatzenschlössl" an der Münchner Straße, das der Maler und Illustrator Hermann Stockmann vor rund 120 Jahren erbauen ließ und das sich heute im Besitz der Stadt Dachau befindet.

Wer die alte Holztreppe in den ersten Stock des Hauses hinaufsteigt, begegnet als erstes Herbert Felix Plahl. Er begrüßt im großen, hellen Atelier, in dem einst auch Stockmanns Werke entstanden. Der Dielenboden, bunt bekleckst, zeugt von der langen Vergangenheit als Künstlerdomizil. "Der Boden lebt", sagt Plahl dazu, und von intensivem Leben und ebenso intensiver Lebensfreude sprechen auch die Bilder, die an den Wänden hängen oder stehen, in ihrer bunten Pracht.

Ein reicher Fundus an Erinnerungen

Das Nicht-Reisen-Können während der vergangenen zwei Jahre habe ihm sehr zugesetzt, erzählt Plahl, schließlich habe er sich immer wieder von Reiseeindrücken etwa in China, Indien oder Sri Lanka für seine Arbeit inspirieren lassen. Dann aber habe er heuer im Frühjahr entdeckt, dass da noch ein reicher Fundus an Erinnerungen da war, auf den er zurückgreifen konnte. Es entstanden erneut große, diesmal überwiegend in lichten Farben gehaltene Acrylbilder und eine ganze Serie von Aquarellen. Da sind sie wieder: die Anklänge an islamische Architekturformen, an Moscheen-Kuppeln oder Minarette, aber auch an die sie umgebene Natur, an Bäume und Blüten, leuchtende Sonnen, in intensivem Rot, Gelb oder Violett-Tönen, in Grün und Blau. Wer Farben liebt, kann sich nicht satt sehen an Plahls Aquarellen. Aber auch der Mensch spielt in seinen Bildern eine wichtige Rolle: Irgendwo, oft als kleine Figur am Rand, ist er immer gegenwärtig.

Wie groß Herbert Felix Plahls Freude am Leben und am künstlerischen Ausdruck ist, wird zusätzlich unterstrichen durch die Titel, die er seinen Arbeiten gibt und in den Aquarellen immer auch als Schriftzeile am unteren Rand einfügt: "Was für ein wunderbarer Sommertag" heißt es da etwa, oder "Dort wo ich frei und glücklich bin".

Der Künstler Herbert Felix Plahl. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Der Künstler Ralf Hanrieder. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Die Fotografin Lilly Karsten. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Vollkommen anders sind die Arbeitsweise und die dabei entstehenden Werke von Ralf Hanrieder. Der gebürtige Münchner macht Konzeptkunst, und das Thema, das ihn seit langem beschäftigt, ist das des "Magischen Quadrats", bei dem alle Zahlenzeilen, horizontal, vertikal oder diagonal gelesen, die gleiche Summe ergibt. In vielen Kulturen findet sich das Magische Quadrat als geistig-spirituelle Vorstellung - selbst Dürer verweist in einem seiner Kupferstiche darauf.

Hanrieder hat seine Arbeiten in der eben erst zu Ende gegangenen Ausstellung "Lichtspiel-Raum" in der Volksbank Raiffeisenbank Dachau präsentiert - jetzt zeigt er weitere Werke, die dort noch nicht zu sehen waren. In allen von ihnen bildet das Magische Quadrat die Grundstruktur, die in vielfältiger Größe, Form und Farbe variiert wird. Damit erzielt Hanrieder starke räumliche Bildwirkungen: Seine Absicht sei, die meditative Ruhe, die ihn bei der oft monatelangen Arbeit an einem Bild erfülle, auch dem Betrachter zu vermitteln, sagt der Künstler. Wichtig ist ihm auch, dass das Bild "lebt", dass es, bei aller Gleichförmigkeit des verwendeten Grundmusters, Emotionen enthält und wiedergibt. Hanrieder erreicht das durch die Verwendung eines Pinsels, mit dem er selbst gemischte Tuschfarben aufträgt: Nie sei der Strich des Pinsels gleich, immer sei in ihm auch die Hand dessen, der ihn führt, zu spüren.

Lilly Karsten zeigt sowohl Schwarz-Weiß-Fotografien wie auch Farbbilder. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Das Magische Quadrat ist ein wiederkehrendes Motiv in Ralf Hanrieders Werken - sogar in den kreisrunden. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Wer Farben liebt, kann sich nicht satt sehen an Herbert Felix Plahls Aquarellen. Aber auch kleine Figuren finden sich oft in seinen Werken. (Foto: Niels P. Jørgensen)

So wie Herbert Felix Plahl, der Vielgereiste, hatte auch Lilly Karsten mit den Restriktionen der beiden Pandemiejahre stark zu kämpfen. Der Fotografin brachen Auftragsarbeiten weg, von denen sie lebt. Jetzt ist sie voller Freude, dass sie endlich wieder Beispiele solcher Auftragsprojekte, vor allem aber auch freie Arbeiten dem Publikum vorführen kann. Sie zeigt sowohl Schwarz-Weiß-Fotografien wie auch solche in Farbe. Ihre Sujets können städtische Stillleben sein, eine Dachlandschaft in Dachau etwa vor farbenprächtigem Abendhimmel, oder auch Nahaufnahmen eines Flamingo-Gefieders. "Der Himmel und Vögel, das hat sich bei mir immer durchgezogen", sagt Karsten, die das Atelier im Spatzenschlössl von ihrer Mutter, der Malerin Lilo Karsten, übernehmen konnte. Ebenso wie ihre Künstler-Kollegen empfindet sie die Möglichkeit, in der Stockmann-Villa zu arbeiten, als großes Glück; Ralf Hanrieder spricht in diesem Zusammenhang von einem "echten Geschenk".

Der Vierte im Bund der Spatzenschlössl-Künstler ist Tadeusz Stupka. Viele kennen ihn als Maler Dachauer Stadtansichten. Über den Schöpfer zunehmend experimentell verfremdeter Stadtdarstellungen hinaus aber gibt es auch den Porträtisten und den Aktmaler Stupka, der sich im Laufe seiner künstlerischen Karriere immer wieder intensiv mit der Widergabe des menschlichen Körpers beschäftigt hat. An diesem Wochenende werden die Besucher der Stockmann-Villa die Werke von Stupka nicht zu Gesicht bekommen, der Künstler ist erkrankt. Sobald er wieder gesund ist, möchte er sich aber an die Planung einer Einzelausstellung machen, vermutlich am zweiten Novemberwochenende.

Vernissage der Ateliertage in der Stockmann-Villa, Münchner Straße 38, ist am Freitag, 21. Oktober., um 19 Uhr. Am Samstag, 22. Oktober, sind die Ateliers von 15 bis 21 Uhr geöffnet, am Sonntag, 23. Oktober, von 13 bis 18 Uhr.

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