Süddeutsche Zeitung

Dachau:Antisemitische Beleidigung

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Amtsgericht verurteilt 30-Jährigen, der eine 81 Jahre alte Jüdin in Dachau übel beschimpft hat

Von Benjamin Emonts, Dachau

Ein 30-jähriger Dachauer ist vom Amtsgericht Dachau der Beleidigung schuldig gesprochen worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann Ende April eine 81-jährige Jüdin als "Scheiß-Judenschwein" beschimpft hatte. Der 23-jährige Bruder des Verurteilten, der die Frau laut Anklageschrift ebenfalls antisemitisch beleidigt haben soll, wurde freigesprochen.

Zur Verurteilung des 30-Jährigen führte die Aussage einer Frau, die im Mehrfamilienhaus des Angeklagten und der 81-Jährigen wohnt. Sie sagte, dass sie gehört habe, wie der 30-Jährige in einem Streit die antisemitische Beleidigung ausgesprochen habe. Amtsrichter Clemens Albert und die Staatsanwältin hielten die Aussage der Zeugin für glaubwürdig, zumal sie keinen Belastungseifer bei ihr feststellen konnten. Schließlich gaben die Angeklagten vor Gericht an, mit der Frau, die gegen sie aussagte, nie ein Problem gehabt zu haben.

Amtsrichter Albert verurteilte den 30-Jährigen zu 75 Tagessätzen à 15 Euro und blieb damit deutlich unter der Forderung der Staatsanwältin, die eine Geldstrafe von insgesamt 2100 Euro verlangt hatte. Der Richter ließ, wie er sagte, Milde walten, weil der Angeklagte erheblichen Provokationen der Frau ausgesetzt gewesen sei. Zu Lasten legte er dem 30-Jährigen allerdings die Art der Beleidigung: "Antisemitismus hat hier überhaupt nichts zu suchen."

In dem Dachauer Mehrfamilienhaus, das ergab die Zeugenbefragung, herrscht zwischen mehreren Parteien seit geraumer Zeit eine feindselige Stimmung. So soll die 81-Jährige im Treppenhaus einen Zeitungsartikel ausgehängt haben, in dem die Volksgruppe, der die Angeklagten angehören, in ein schlechtes Licht gerückt werde. Außerdem tätigte die 81-Jährige vor Gericht Äußerungen, welche die Staatsanwältin - gelinde formuliert - als "grenzwertig" und "vorurteilsbehaftet" bezeichnete. Die rüstige Frau hatte die Volksgruppe der angeklagten Männer als "Messerstecher" und "Drogendealer" pauschal verurteilt.

Der 23-jährige Bruder des Verurteilten, der die 81-Jährige zu einem späteren Zeitpunkt als "Judenschwein" tituliert haben soll, wurde freigesprochen. "Der Tatnachweis konnte nicht geführt werden", begründete Amtsrichter Albert seine Entscheidung. Der 23-Jährige hatte die antisemitische Beleidigung vehement bestritten, die von der 81-Jährigen bei der Polizei zur Anzeige gebracht worden war. Die Staatsanwältin wollte bei der Frau einen "hohen Belastungseifer" erkennen. Weil sie die Einzige war, die die Beleidigung vernommen haben wollte, wurde die Anklage fallen gelassen.

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Quelle:
SZ vom 02.01.2015
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