Aus dem Gericht:Geldstrafe für Hitlergruß und Hakenkreuz

Ein 44-Jähriger aus Dachau fällt durch rechtsextremes Verhalten auf und will sich auch vor Gericht nicht davon distanzieren.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Ob das Verhalten des Angeklagten eine Trotzreaktion auf die Corona-Beschränkungen gewesen sein könnte, lässt sich aus Sicht von Richter Christian Calame auch nach der Verhandlung am Dienstagmorgen nicht zweifelsfrei beantworten. Fest steht für ihn aber, dass der 44-jährige Mann, der in Hoyerswerda aufgewachsen ist und mittlerweile in Dachau lebt, sich während des Lockdowns Ende März und Mitte April in zwei Fällen durch das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen schuldig gemacht hat: Zum einen hat er einen "Passierschein zum Führerhaus" auf seiner Facebookseite gepostet, unterzeichnet von "Adolf H." und versehen mit einem Hakenkreuz. Zum anderen hat er drei Wochen später vor den Augen zweier Polizisten vor einem Supermarkt in Dachau-Ost salutiert, den rechten Arm zum Hitlergruß gehoben und "Sieg Heil" gerufen. Richter Calame verurteilt ihn deshalb zu einer Geldstrafe von 2400 Euro.

Der Angeklagte bestreitet beide Taten zunächst. Als der Richter ihm aber Bilder der Facebookseite zeigt, auf denen neben dem Beitrag auch der Angeklagte auf Fotos zu sehen ist, sagt er: "Dann muss ich ja zugeben, dass ich das war." Die Frage, was am Abend des 16. April vor dem Supermarkt passiert sei, beantwortet er nur ausweichend. Die Polizisten hätten sich vielleicht verhört, schließlich habe er eine Maske getragen und sei womöglich schlecht zu verstehen gewesen. Den rechten Arm habe er nur gehoben, um auf einen großen Stern am Himmel zu zeigen. Richter Calame macht deutlich, dass er dies nicht glaubt und fragt mehrmals nach, ob er den verbotenen Gruß nicht doch gerufen habe. "Möglich oder nicht möglich", antwortet der Angeklagte flapsig. "Wenn mich jemand so was fragt, würde ich sagen, das ist unmöglich", entgegnet Richter Calame. Allein, dass der Angeklagte sage, dass es möglich sei, spreche Bände. Auch auf die Frage, ob er grundsätzlich rechtes Gedankengut in sich trage, antwortet der Angeklagte ebenfalls ausweichend. Jeder sei doch eigentlich stolz auf sein Land. Alles, was die Nationalsozialisten damals gemacht hätten, finde er aber nicht gut. Wie genau er das meint, will er nicht konkretisieren.

Von extremem Gedankengut hat sich der Angeklagte trotz mehrerer Gelegenheiten nicht eindeutig distanziert

Der Dachauer Polizeibeamte, der den Vorfall vor dem Supermarkt zur Anzeige gebracht hat, sagt vor Gericht, dass er an jenem Abend in der "Corona-Hochzeit" prüfen wollte, ob die beiden Männer - der Angeklagte war mit einem Freund unterwegs - überhaupt zusammen unterwegs sein durften. Wegen der Corona-Beschränkungen durften nur Personen aus einem Haushalt gemeinsam spazieren gehen. Der Mann habe dann angegeben, bei dem Angeklagten zu wohnen. Die Polizei habe die alkoholisierten Männer daraufhin aufgefordert, den Platz zu verlassen. Im Weggehen habe der Angeklagte ein Gedicht rezitiert. An den Wortlaut kann sich der Polizist nicht mehr erinnern, im Anschluss habe er jedoch die "Hacken zusammengeschlagen", salutiert, den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben und gut hörbar "Sieg Heil" gerufen. Daran, dass der Angeklagte eine Maske getragen haben will, kann sich der Polizeibeamte nicht erinnern.

Der Angeklagte bezieht seit knapp vier Jahren Arbeitslosengeld II, hat mehrere Tausend Euro Schulden und bezeichnet sich selbst als Alkoholiker. In seinem Bundeszentralregister finden sich elf Einträge, unter anderem wegen Betrugs und Körperverletzung. Richter Calame hält ihm zugute, dass die letzte Verurteilung bereits neun Jahre zurückliegt. Auch seine finanziell und gesundheitlich schwierige Situation wertet er strafmindernd. Gleichwohl betont er, dass es der Angeklagte dem Gericht nicht leicht gemacht habe, alles habe man ihm aus der Nase ziehen müssen. Von extremem Gedankengut habe er sich trotz mehrerer Gelegenheiten nicht eindeutig distanziert. Ob er aus Frust über die Corona-Maßnahmen oder aus Überzeugung gehandelt habe, sei daher egal. Der deutsche Rechtsstaat "wird das nicht hinnehmen", betont der Richter.

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