Süddeutsche Zeitung

Dachau:Altstadt-Monster

Seit drei Jahren plant die Kaga Dachau den Umbau der ehemaligen Koschadeklinik. Das Betongerippe verschlingt Unsummen und zehrt an den Nerven von Bauträger und Käufern.

Von Christine Heumann und Wolfgang Eitler

Wie ein Mahnmal steht die entkernte Koschadeklinik weithin sichtbar mitten in der historischen Altstadtkrone in Dachau. Der riesige Betonkörper mit einer Innenfläche von 4000 Quadratmetern ist bis auf das Skelett entkernt. Fragt sich nur, zu was das Bauwerk ermahnt. Zu einem sorgsamen Umgang mit Kapital? Der Investor, die Kaga Dachau GmbH & Co. KG, hat sich eventuell übernommen mit diesem 15-Millionen-Euro-Projekt. Oder ist das Bauskelett ein Fingerzeig an die Mandatsträger, wie schwer es geworden ist, in der Altstadt, vor allem an der prominenten Hangkante, "Krone" genannt, zu sanieren und neu zu bauen? Die bisherigen Käufer der Wohnungen, die dort entstehen sollen - einige stammen aus Dachau und dem Landkreis - werden Tag für Tag daran erinnert, dass teilweise ihre Existenz bedroht ist. Manche haben ihre alten Wohnungen oder Häuser verkauft und wissen jetzt nicht mehr wohin.

Nun ranken sich um diese Ruine seit drei Jahren Gerüchte und Geschichten, Spekulationen und bisher vergebliche Versuche von Käufern, endlich Klarheit zu erlangen. Die ehemalige Klinik soll zu einer exklusiven Wohnanlage umgebaut werden. Fragt sich nur: Wann und wie? Und mit welchem Geld? Seit Herbst vergangenen Jahres, als der dritte Anlauf auf eine Baugenehmigung scheiterte, war klar, dass die Kaga Bau sich verkalkuliert hat, wie sie damals der SZ mitteilte.

Das große Problem bei allen Plänen ist die Tiefgarage mit 55 Stellplätzen gewesen, die nach der städtischen Verordnung notwendig sind. Drei Anläufe sind teils aus rechtlichen, teils aus technischen Gründen gescheitert. Der vierte sieht nun vor, dass die bisherige Auffahrtsrampe zum Eingang des ehemaligen Klinikgebäudes um knapp einen Meter erhöht wird, um darunter den nötigen Raum für Stellplätze zu erhalten. Die Kosten pro Stellplatz dürften bei 40 000 Euro liegen. Deshalb will die Kaga Dachau jetzt ein höheres Baurecht erreichen, also zusätzliche Wohnungen in einer Größenordnung von etwa 500 Quadratmeter errichten; das entspricht zwölf Prozent der bisherigen Wohnfläche. Dazu kommen noch fünf weitere Stellplätze. Darüber entscheidet der Bauausschuss des Dachauer Stadtrats am Dienstag, 18. Februar.

In den vergangenen drei Jahren war zunächst ausschließlich Frank Weber aus der Schweiz der Verhandlungs - und Ansprechpartner von Stadt und potenziellen Käufern. Seit einigen Monaten hat der Geschäftsführer der Kaga Dachau, Jakob Kandler, in der Öffentlichkeit die Führung übernommen. Vor der entscheidenden Sitzung des Stadtrats legt er die Geschichte des geplanten Umbaus dar.

Demnach ist eines der großen Probleme wegen des langen Planungszeitraums die Kapitalausstattung. Frank Weber ist Inhaber der Reo AG mit Firmensitz in der Schweiz. Er wollte die Koschadeklinik für knapp drei Millionen Euro erwerben, hatte aber das nötige Geld nicht. Über persönliche Kontakte gelangte er an Jakob Kandler, dessen Familie aus Kreuzholzhausen stammt und der noch im ganz alten Koschadegebäude geboren wurde. Kandler besitzt ebenfalls mehrere Firmen, die sich im Bauträgergeschäft etabliert haben. Sein Geld verdient er aber in seinem eigentlichen Beruf. Er ist unter anderem für die Europäische Union selbständig als Verkehrsplaner mit dem Spezialgebiet Eisenbahnnetze tätig und berät vor allem Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten.

Jakob Kandler erzählt, wie er sich dazu überreden ließ, in die Kaga mit seiner Paulsbronner GmbH (Firmensitz in Berlin) einzusteigen und für einen Teil des Kaufpreises bei der Merkur Bank München zu bürgen. Die Kaga Dachau musste gegründet werden, weil Weber mit der ausländischen Reo AG bei der Merkur Bank keinen Kredit bekommen hätte. Im Nachhinein sagt Kandler: "Wenn ich das Projekt in seiner Komplexität klar durchdacht hätte, hätte ich die Finger davon gelassen." Aber die Sentimentalität als gebürtiger Dachauer und die Faszination des Vorhabens hätten ihn schon sehr beeinflusst: "Da habe ich wohl nicht genügend nachgedacht."

Geldsorgen begleiten die Planungen des Umbaus der Koschadeklinik. In den vergangenen Wochen haben sie sich verschärft. Jakob Kandler bestätigt Informationen der SZ, wonach die Merkur Bank in München die Kredite in einer Größenordnung von etwa 3,9 Millionen Euro gekündigt hat: "Das stimmt." Jetzt ist seine Bürgschaft gefährdet, dazu kommen nach seinen Angaben noch Investitionen in einer Höhe von etwa 750 000 Euro. Kandler sagt: "Jetzt hängt alles an der Baugenehmigung." Aber selbst dann muss es Kandler erst noch gelingen, die Finanzierung der Baukosten von geschätzten elf Millionen Euro zu gewährleisten.

Dabei soll ihm die Imco Entwicklungs- und Vertriebs GmbH in München helfen, welche den neuen Bauantrag vorbereitet hat. Hinter Imco stand als Geschäftsführer Ulrich Groll, der Ende vergangenen Jahres starb. Er war auch Mitgeschäftsführer des Bauunternehmens Kutter in Memmingen. Deren Tochter ist das Riebel Bauunternehmen in Mindelheim, das eng mit Imco München agiert. Die Idee ist, dass die Firma Riebel in die Vorleistung geht; also Bauunternehmen und Bank gleichzeitig ist.

Die Merkur Bank in München hatte den Kredit gekündigt, weil sich die Baugenehmigung so lange Zeit verzögert. Jakob Kandler deutet vorsichtig an, in welcher Rolle er den Bauausschuss jetzt sieht: "Ich denke, er sollte uns die Baugenehmigung erteilen, wenn die Ruine nicht noch weitere Jahre stehen bleiben soll. Rechtlich sehe ich keine Probleme mehr." Dahinter steht seine Sorge, dass bei einer Ablehnung die Kaga Dachau finanziell endgültig am Ende ist. Frank Weber formuliert deutlicher: "Wenn der Bauantrag scheitert, ist die Insolvenz der Kaga nicht mehr auszuschließen." Und er fügt hinzu: "Als wir die Koschadeklinik gekauft haben, waren sie bei der Stadt hoch erfreut. Und jetzt?" Nun fordert er die Zusage ein, endlich bauen zu können.

Das Memminger Bauunternehmen Kutter GmbH & Co. KG war am Donnerstag noch zu keiner Stellungnahme bereit. Wie die Leiterin der Abteilung Hochbau, Ramona Bartelmesz der SZ kurz mitteilte, habe es sich die Geschäftsführung von Kutter vorbehalten, über diese Kooperation zwischen Kaga Dachau, Imco München und der Kutter-Tochter Riebel Mindelheim selbst zu entscheiden. Die Imco GmbH teilte mit, dass sie sich zu dem Bauantrag an die Stadt Dachau nicht äußern wolle.

Seit Spätsommer 2011 warten ungefähr 20 Käufer von Koschade-Wohnungen mit gültigen Verträgen auf den Baubeginn. In den vergangenen Wochen und Monaten hat sich der Ton zwischen der Kaga Dachau auf der einen Seite und Käufern vor allem aus Dachau verschärft. Die Nerven sind angespannt: Da wendet sich Frank Weber von der Kaga Dachau schriftlich an einen mit den Worten, dass er anscheinend "Taxifahrern und Friseuren" mehr Glauben schenke, als ihm und seinen Fachleuten. Da verschwimmen plötzlich die Zuständigkeiten, wenn anstelle der Kaga Dachau unvermittelt ein Schreiben der Imco München einen der Käufer attackiert. Da tritt in einer E-Mail vom 17. Juni 2013, das der SZ neben weiteren Schreiben vorliegt, der gebürtige Dachauer Frank Naumann als CEO, also als Geschäftsführer der Imco GmbH auf und bezeichnet Fragen oder auch Vorwürfe wegen der Bauverzögerungen als "Frechheit". Dabei ist die Imco offiziell doch nur das Planungsbüro der Kaga Dachau.

Frank Naumann empfiehlt dem von ihm Kritisierten, vom Kaufvertrag zurückzutreten: "Da ich in keinster Weise interessiert daran bin, in einen Eskalationsmodus zu wechseln." Ein weiterer Käufer musste sich im März 2013 von Frank Weber von der Kaga schriftlich sagen lassen, er solle es "sich sparen, solche blödsinnigen Fragen zu stellen".

Eine Familie hat ihr gesamtes Mobiliar in einem Keller zwischengelagert und ist glücklicherweise außerhalb des Landkreises untergekommen. Ein Dachauer hatte sich die Vormerkung im Grundbuchamt erst über einen Prozess erstritten. Seit Jakob Kandler die Federführung für die Kaga Dachau übernommen hat, haben sich die Gemüter etwas beruhigt. Von Käuferseite heißt es: "Was Kandler bisher gesagt hat, war stets zutreffend."

Nun könnte man einwenden, dass die Käufer bis auf die Notarkosten noch kein Geld verloren haben. Denn noch mussten keine Raten bezahlt werden. Tatsächlich sind ihnen aber "Alternativen verloren gegangen", wie einer sagt, da sie Kredite aufgenommen haben. Ihnen war ja zugesagt worden, schon im Jahr 2013 einziehen zu können. Dachauer Banken sind mittlerweile so konziliant, dass sie die Bereitstellungszinsen für die Kredite wenigstens teilweise reduzieren.

Es ist fraglich, ob alle bisherigen Käufer die Wartezeit noch lange aushalten. "Manche sicher nicht", heißt es aus ihrem Kreis. Dabei wissen sie, dass die Kaga Dachau einen Rückzug von den Kaufverträgen nicht ablehnen würde: Dann könnte sie die Baupreise entsprechend der aktuellen Kosten neu kalkulieren.

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Quelle:
SZ vom 24.01.2014
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