Genervte Anwohner:Vom Brummen um den Schlaf gebracht

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Seit Jahren klagen Anwohner in Dachau und Altomünster über nächtlichen Lärm durch abgestellte Züge. Ein bayernweit operierender Verein soll nun helfen

Von Benjamin Emonts, Dachau/Altomünster

Wer sich gelegentlich an Bahnhöfen aufhält, kennt die üblichen Geräusche des Schienennahverkehrs: das Rauschen der Züge, das Quietschen der Bremsen, das Schnaufen der Belüfter. Anwohner von Bahnhöfen wiederum wissen, dass das längst nicht alles ist. Selbst nachts, wenn die Züge abgestellt sind, geht der Lärm häufig weiter. Es brummt, zischt und manchmal ertönt ein lauter Knall von den Zügen. Anwohner in Dachau und Altomünster beschweren sich darüber seit Jahren. Doch passiert ist bislang wenig.

Das Problem ist bekannt. Die Triebfahrzeuge müssen nachts über die Oberleitungen am Strom hängen bleiben, damit sie morgens rasch wieder hochfahren und die Pendler in die Stadt bringen können. Einzelne Aggregate der Fahrzeuge laufen weiter, um etwa den Druck zu regulieren oder zu verhindern, dass Fahrzeugkomponenten überhitzen oder einfrieren. Besonders laut sind die älteren Modelle vom Typ ET 420, die seit der Elektrifizierung der Linie A verstärkt zwischen Altomünster und Dachau verkehren und nachts dort abgestellt werden. Betroffen sind besonders die Lessingstraße und der nördliche Teil der Augustenfelder Straße, die in der Nähe von zwei Abstellgleisen liegen. Anwohner berichten, dass ihnen das lästige Brummen besonders im Sommer bei geöffneten Fenstern den Schlaf raube.

Die Stadt Dachau zeigt sich nun entschlossen, sie besser zu unterstützen. Helfen soll dabei ein bayernweit bekannter Verein: die Interkommunale Lärm-Initiative, kurz ILI, die bereits seit 2008 dafür kämpft, den von abgestellten Züge verursachten Lärm zu reduzieren. Der Dachauer Umwelt- und Verkehrsausschuss hat einstimmig beschlossen, dem Verein gegen einen jährlichen Beitrag von 250 Euro beizutreten, um sich eine bessere Verhandlungsposition im oft mühsamen Dialog mit der Bahn zu verschaffen.

Der Verein genießt einen guten Ruf. Seit 2008 haben sich ihm 200 Mitglieder aus 25 Städten und Gemeinden, hauptsächlich in Oberbayern und im Raum München, angeschlossen, darunter auch die Marktgemeinde Altomünster. Den Aktiven des Vereins wird nachgesagt, fleißig, hartnäckig und kompetent zu sein. So haben sie in den vergangenen Jahren ein eigenes Meldesystem für laute Züge über eine App entwickelt. Bei der Deutschen Bahn nimmt man den Verein dem Vernehmen nach sehr ernst. So setzen sich Abgesandte der S-Bahn München zwei Mal im Jahr mit dem Verein an einen Tisch, um über Lösungen und den Fortschritt bei bereits erfolgten Maßnahmen zu sprechen. "Sie haben die Kontakte und das Knowhow", sagt der Dachauer Hauptamtsleiter Josef Hermann. Und Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD): "Die Bahn scheint diese Initiative durchaus ernst zu nehmen."

Von den guten Kontakten erhofft man sich, dass die Gespräche besser verlaufen als in der Vergangenheit. Schon seit Jahren gibt die Stadt die Beschwerden der Anwohner an die Bahn weiter. Im vergangenen Jahr kam es zu einem Ortsbesuch mit betroffenen Anliegern, ohne dass danach etwas passiert ist. Laut Hauptamtsleiter Hermann sollte im Februar dieses Jahres eine Untersuchung folgen, deren Ergebnisse aber bislang nicht eingetroffen seien.

Die Mühlen mahlen langsam. Die Anwohner fragen sich inzwischen, weshalb die S-Bahnen nicht an einem zentralen Ort ohne unmittelbare Anwohner abgestellt werden. Der Dachauer Ordnungsamtsleiter Stefan Januschkowetz hat kürzlich gefordert, die Abstellgleise an der Frühlingsstraße zu nutzen, weil es dort ebenfalls keine Anwohner gibt.

Die Bahn räumt diese Optionen auf Nachfrage jedoch ab: Für einen stabilen S-Bahn-Betrieb auf den Außenästen sei die Abstellung von Zügen an Ort und Stelle sehr wichtig, teilt eine Bahnsprecherin mit. "Bei über 1000 S-Bahn-Fahrten am Tag muss ein Rädchen ins andere greifen." Zum zweiten Lösungsvorschlag heißt es: "An der Frühlingstraße stellen wir heute bereits Züge ab, allerdings sind die Kapazitäten dort begrenzt."

Der Bahn zufolge läuft bereits die Umrüstung bei den Fahrzeugen der Baureihe ET 420, damit sich etwa die nicht benötigten Lüfter beim Abstellen des Zuges automatisch abschalten. Zudem prüfe man, ob ein komplettes Abrüsten der Fahrzeuge im Sommerhalbjahr möglich ist. Außerdem habe die S-Bahn München in der jüngeren Vergangenheit als Ergebnis der Zusammenarbeit mit der ILI diverse Optimierungen an den Fahrzeugen und Abstellungsplanungen vorgenommen. In Altomünster aber, sagt Bürgermeister Michael Reiter (FWG), gebe es auch weiterhin Beschwerden, obwohl der Lärm bereits etwas leiser geworden sei. "Man verschafft sich mit dem Verein ein lauteres Gehör", sagt er immerhin. Wunder dürfe man sich aber nicht erwarten.

© SZ vom 17.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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