Touristisches Marketing:Dachau Agil leistet sich peinliche Panne

Touristisches Marketing: Im Zollhäusl in Dachau lagen die Flyer aus. Hier befindet sich das Tourismusbüro von Dachau Agil.

Im Zollhäusl in Dachau lagen die Flyer aus. Hier befindet sich das Tourismusbüro von Dachau Agil.

(Foto: Toni Heigl)

Der Regionalentwicklungsverein wirbt bei Touristen mit italienischsprachigen Flyern für Sehenswürdigkeiten im Landkreis. Doch die übersetzten Texte in den Broschüren sind voller Fehler.

Von Thomas Balbierer und Eva Waltl, Dachau

Italienische Touristen, die auch in Corona-Zeiten Sehenswürdigkeiten und Naturplätze im Dachauer Land erkunden wollen, sind derzeit etwas mehr auf sich allein gestellt als sonst: Der Regionalentwicklungsverein Dachau Agil hat kurzerhand sämtliche italienischsprachige Tourismusflyer aus der Auslage des Tourismusbüros im Alten Zollhäusl in Dachau entfernt. Keiner soll die peinlichen Broschüren mehr in die Hand bekommen. Der Grund: Die übersetzten Texte sind voller Fehler. Darauf machte vergangene Woche Sabine Geißler (Bündnis für Dachau), die sprachenaffine Tourismusbeauftragte der Stadt, den Verein Dachau Agil und lokale Medien aufmerksam. In einem Schreiben klagte Geißler über die "unprofessionellen" Flyer und hinterfragte den Umgang mit öffentlichen Mitteln - Dachau Agil wird aus dem EU-Programm Leader gefördert.

Bei dem Verein reagiert man verärgert auf Geißlers Kritik. Wolfgang Hörl (BBA), Bürgermeister von Schwabhausen und zweiter Vorsitzender des Vereins, hält den Gang an die Öffentlichkeit für ein Unding, die Kritik sei überzogen. "Wir sprechen hier von 200 Flyern und einem mittleren dreistelligen Betrag", stellt Hörl klar. Dass nun auch lokale Medien wie die SZ Dachau darüber berichten, stößt dem Lokalpolitiker sauer auf. Das Thema werde "aufgeblasen", findet er. Die Bündnis-Politikerin erklärt, es sei eigentlich nicht ihr Stil, mit Problemen zuerst an die Öffentlichkeit zu gehen, doch sie sehe ein öffentliches Interesse an dem Vorgang. Außerdem wolle sie nicht, dass der Pannenflyer das Image der Stadt Dachau beschädigt.

Bürgermeisterkandidaten

Wolfgang Hörl

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Geißler hatte vergangene Woche in einer Mail an den Agil-Vorsitzenden, Petershausens Bürgermeister Marcel Fath, und die kommissarische Geschäftsführerin Julia Gamperl von "Rechtschreibfehlern, Buchstabenverdrehern, Grammatikfehlern" sowie von "groben Wortschatzfehlern, die auch den Sinn verzerren" in den Flyern berichtet. Sie nennt das Verb "braccare" als Beispiel, das in dem Faltblatt das "Jagen" von Touristenattraktionen ausdrücken soll, aber im Italienischen eher im Sinne von "hetzen" verstanden werden kann. Auffallend sind auch die vielen simplen Rechtschreibfehler, die selbst Italienischanfängern sofort ins Auge springen. Doppelkonsonanten fehlen, Buchstaben sind vertauscht. Geißlers Fazit: "Sprachlich ist der Flyer schlicht eine Katastrophe." Ein Absatz über die KZ-Gedenkstätte sei zum Glück fehlerfrei.

Die italienischsprachige Stadträtin unterrichtet Englisch und Französisch am Ignaz-Taschner-Gymnasium und hat auch in englischen Agil-Flyern Schnitzer entdeckt, diese seien jedoch nicht ganz so schlimm wie in der italienischen Version. Geißler will von den Verantwortlichen des landkreisweit tätigen Vereins erfahren: Wie konnte das passieren? Sie findet, dass der Pannenflyer "einen extrem schlechten Eindruck auf unsere Besucher" mache, auch wenn er mit der städtischen Tourismusarbeit Dachaus gar nichts zu tun habe. Außerdem erhält der Regionalentwicklungsverein Fördergelder der EU, weshalb der Einsatz der öffentlichen Mittel umso sorgfältiger überprüft werden müsste, kritisiert Sabine Geißler. "Agil muss das nun aufarbeiten", fordert sie.

Touristisches Marketing: Sabine Geißler

Sabine Geißler

(Foto: Toni Heigl)

Vorstandsmitglied Wolfgang Hörl, der den urlaubenden Vereinsvorsitzenden Marcel Fath vertritt, sagt, die Qualität des Flyers entspreche nicht den eigenen Ansprüchen, "es sind Fehler passiert". Kontrollschleifen seien möglicherweise nicht gemacht worden. "Wir klären das intern auf", so Schwabhausens Bürgermeister.

Wer den Flyer übersetzt habe und ob es ein systematisches Problem geben könnte, kommentiert Hörl nicht. Auch Geschäftsführerin Gamperl lässt konkrete Fragen unbeantwortet. Hörls Ärger konzentriert sich ohnehin eher auf die Kritik am Verein. Am Freitag telefonierten Geißler und Hörl miteinander, es soll ein hitziges Gespräch gewesen sein. Aber auch Tage später redet sich der Rathauschef noch in Rage: "Das ist kein kleines Watergate, das ist gar nichts!" Jeder Tagesordnungspunkt im Schwabhausener Gemeinderat sei spannender als der Pannenflyer, findet er.

Die Dachauer Tourimusreferentin Sabine Geißler sieht Diskussionsbedarf

Tourimusreferentin Geißler hingegen sieht Diskussionsbedarf. "Irgendwo hat ein großer, entscheidender Schritt gefehlt." Sie vermutet, dass der italienische Text "von irgendeinem Internet-Übersetzungsprogramm" erzeugt wurde und hofft, dass der Verein Lehren aus dem Fauxpas ziehen und in Zukunft "sorgfältiger und professioneller" arbeiten werde. Ähnlich formuliert es auch Agnes Stiglmaier vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ingolstadt, der für Dachau Agil zuständigen Förderstelle. Sie sagt, der Flyer selbst sei "nicht Gegenstand der Förderung gewesen" und sei deshalb nicht überprüft worden. Aber: "Es wäre schön, wenn es beim nächsten Mal besser gemacht wird."

Dachau Agil wurde 2006 gegründet und hat sich laut Satzung zum Ziel gemacht, die Entwicklung von Landkreisgemeinden in Bereichen wie der Landschaftspflege, dem Naturschutz, der Jugend- und Altenhilfe oder dem Brauchtum zu unterstützen. Der Verein sitzt in Bergkirchen und wird unter anderem aus Mitteln der EU und des bayerischen Landwirtschaftsministeriums gefördert. Insgesamt 5,5 Millionen Euro wurden bisher in 41 Projekte investiert, 3,4 Millionen Euro an Fördergeldern hat es bislang dafür gegeben, so steht es im Protokoll der letzten Mitgliederversammlung aus dem Juli. "In letzter Zeit", heißt es dort, "kamen nur sehr wenige Projekte zustande." Der Verein plant eine Neuausrichtung.

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