Dachau/München:Liebe siegt

Dachau/München: Das Verwaltungsgericht München verhängt ein Abschiebeverbot.

Das Verwaltungsgericht München verhängt ein Abschiebeverbot.

(Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa)

Im vergangenen Jahr will die Ausländerbehörde einen Iraner in sein Heimatland ausfliegen lassen. Die Abschiebung wird im letzten Moment verhindert. Jetzt urteilt ein Gericht: Der Mann darf aufgrund seiner Homosexualität bleiben.

Von Christiane Bracht, Dachau/München

Die Freude ist groß. Der 36-jährige Iraner und sein Freund liegen sich in den Armen. In ihren Augen sind Tränen des Glücks. Es war eine lange Zeit des Hoffen und Bangens. Doch jetzt darf der 36-Jährige bleiben - zumindest vorerst. Das hat das Verwaltungsgericht München entschieden. Wäre es nach der Ausländerbehörde des Landratsamts Dachau gegangen, wäre der 36-Jährige schon längst nicht mehr da.

Anfang August 2020 wollte diese den Mann in sein Heimatland abschieben. Wie Moussa Nomoko vor einigen Wochen wurde der Iraner damals unter einem Vorwand ins Landratsamt gelockt und festgenommen. Auch er sollte sofort ins Flugzeug gesetzt werden, doch statt dessen kam er ins Krankenhaus. Seine äußerst schlechte psychische Verfassung - er war akut suizidgefährdet - ließ eine Abschiebung nicht zu. Zudem hatten der Bayerische Flüchtlingsrat, der Helferkreis Asyl in Markt Indersdorf, sein Arbeitgeber aus Karlsfeld, die Lagergemeinschaft Dachau und der evangelische Verein "Matteo - Kirche und Asyl" sich sehr dafür eingesetzt, dass der 36-Jährige in Deutschland bleiben solle, schon allein deshalb, weil die Corona-Pandemie sich damals gerade im Iran rasend schnell ausbreitete, täglich etwa 200 Todesopfer forderte.

Er wurde unter Vorwand ins Landratsamt Dachau gelockt und festgenommen

2015 war der Iraner nach Deutschland gekommen, hatte seither in mehreren Betrieben gearbeitet. Immer zur Zufriedenheit aller, berichtete Georg Weigl vom Asylhelferkreis in Markt Indersdorf. Der 36-Jährige sei sehr gut integriert, bei den Kollegen beliebt und geschätzt. Zuletzt arbeitete er bei einer Karlsfelder Ausbaufirma. Der Flüchtlingsrat prangerte an, dass der Staat die Arbeitskraft des Geflüchteten gerne genutzt habe, um durch die Krise zu kommen, denn der 36-Jährige schuftete im vergangenen Jahr schwer als Erntehelfer auf einem Hof in Kleinberghofen. Das Landratsamt beeindruckte dies alles nicht. Der Iraner habe sich geweigert, freiwillig auszureisen, erklärte ein Sprecher, obwohl Ende 2019 sein Asylbegehren endgültig abgelehnt worden war.

Vor Gericht hatte der Iraner seine Homosexualität als Grund für die Flucht angegeben. Doch die Richterin glaubte ihm nicht. Der 36-Jährige habe keine wesentlichen Kontakte in Deutschland angegeben, begründete sie ihr Urteil. Außerdem zweifelte sie daran, dass der Geflüchtete seine Homosexualität bereits im Iran offen ausgelebt hatte und deshalb extrem gefährdet gewesen sei. Der 36-Jährige hatte ihr in schillernden Farben von seinem Vorleben erzählt, doch das passte irgendwie nicht zu dem, was er aus Deutschland berichtete. Jetzt gestand der Iraner auf Drängen des neuen Richters, dass er damals wohl etwas übertrieben und nicht immer ganz die Wahrheit gesagt habe. "Ich hatte Angst vor der Richterin und wusste nicht was ich sagen soll. Ich bin kein gescheiter Mensch", sagte er.

Ein Schreiben des neuen Lebensgefährten, worin er die gemeinsame Beziehung bekannte, änderte nun die Sachlage. Man habe schon kurz vor der ersten Gerichtsverhandlung erste zarte Bande geknüpft, schrieb der 53-Jährige aus dem Landkreis darin. Doch sei er damals nicht dazu bereit gewesen, seine Homosexualität zu offenbaren. Deshalb hätten die beiden vereinbart, komme, was wolle, darüber zu schweigen. Ein Fehler, bemerkte der Richter in der jetzigen Verhandlung. Spätestens als die beiden als Paar zueinander gefunden hätten, hätten sie einen Folgeantrag stellen müssen, belehrte er. "Sie hätten die Dinge damals nicht treiben lassen dürfen." Dann wäre es nicht zum Abschiebeversuch gekommen. Doch eine Flüchtlingsanerkennung sei nun wegen Fristablaufs nicht mehr möglich, so der Richter. Lediglich ein Abschiebeverbot.

"Wir lieben uns"

"Wir haben uns am 3. August 2020 verlobt", erzählte der Iraner. "Wir gehen viel zusammen spazieren, kochen gemeinsam. Wir sehen uns jeden Tag. Mal kommt er zu mir, mal gehe ich zu ihm. Wir lieben uns." Aber warum leben sie dann nicht zusammen, wollte der Richter wissen. "Meine Wohnung ist zu klein", erklärte der 53-Jährige. Er suche bereits eine neue, doch eine zu finden, sei nicht so leicht. Auch das Heiraten sei kompliziert, berichtete er. Während er sprach, hielt ihm der Iraner fest die Hand, denn die beiden durften nebeneinander sitzen. Das Problem sei, dass die Personalien im Iran legalisiert werden müssten, so der 53-Jährige.

Natürlich erkundigte sich der Richter auch danach, wie offiziell die Partnerschaft ist. "Wir haben uns schon umarmt und geküsst vor der Asylunterkunft", erzählte der Iraner. Darüber gesprochen habe er mit den anderen aber nicht. "Dort leben zum großen Teil Westafrikaner, da ist Homosexualität ein besonderes Thema", erklärte Georg Weigl in der Verhandlung. "Stillschweigend akzeptieren sie es wohl." Bei den Eltern seines Lebensgefährten war der 36-Jährige aber noch nicht zu Besuch. "Meine Mutter will es nicht wahr haben", sagte der 53-Jährige. Doch wisse sie, dass er ständig mit dem Iraner zusammen sei.

Der Richter verhängte ein Abschiebungsverbot, das dem 36-Jährigen den Aufenthalt in Deutschland für mindestens ein Jahr sichert. Er versprach, das Urteil so schnell wie möglich auszufertigen, damit der Iraner bald wieder arbeiten dürfe, denn von Liebe allein könne man nicht leben. "Arbeit ist wichtig für die Integration und um gesund zu werden", sagte der Richter. Der letzter Arbeitgeber des 36-Jährigen habe versichert, er dürfe sofort wieder bei ihm anfangen, sobald er eine Arbeitserlaubnis habe, sagte der 53-Jährige. "Er hat ihm einen unbefristeten Vertrag gegeben, weil er so gut und so fleißig war."

Zur SZ-Startseite

Asylpolitik im Landkreis Dachau
:"Früher waren wir vielleicht großzügiger"

Nach der Abschiebung eines Geflüchteten machen die Helferkreise den Behörden schwere Vorwürfe. Doch zwischen den Ehrenamtlichen und Landrat Löwl kriselt es schon länger. Die Geschichte eines abgekühlten Verhältnisses.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: