Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik im Landkreis Dachau:"Früher waren wir vielleicht großzügiger"

Nach der Abschiebung eines Geflüchteten machen die Helferkreise den Behörden schwere Vorwürfe. Doch zwischen den Ehrenamtlichen und Landrat Löwl kriselt es schon länger. Die Geschichte eines abgekühlten Verhältnisses.

Von Julia Putzger, Dachau

Die erfolgreiche Bewältigung von Krisen ist eigentlich genau Stefan Löwls Ding. Bewiesen hat der Dachauer CSU-Landrat das zum Beispiel erst Anfang des Jahres, als der Covid-19-Impfstoff noch rar und die Nachfrage groß war, der Landkreis sich jedoch schon mit Spitzenwerten bei der Impfquote brüsten konnte. Oder im Flüchtlingsherbst 2015 und den darauf folgenden Monaten, als Löwl durch die Fernsehstudios der Republik tourte und fachmännisch erklärte, woran es hapert und wie Lösungen zu finden sind. Auf seiner Wahlkampf-Homepage für die Kommunalwahl im vergangenen Jahr steht folgerichtig unter dem Punkt "Meine Erfolge": "Bewältigung der Asylkrise 2015/2016".

Das Problem dabei ist nur: Zwar mag die Zeit, in der täglich Dutzende neue Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof strandeten, vorbei sein. Doch das Thema Asyl ist noch längst nicht vom Tisch. Und mit dem Öffentlichwerden von Abschiebungen wie jüngst bei Moussa Nomoko wird aus dem erfolgreichen Krisenmanager plötzlich ein Politiker in Verteidigungsposition und Erklärungsnot.

Der Fall des 27-jährigen Maliers Moussa Nomoko, der bis zu seiner kurzfristigen Abschiebung am 21. Juli in der Bäckerei Polz arbeitete, ist bisheriger Tiefpunkt in einer Beziehung zwischen Landrat Löwl und den ehrenamtlichen Helfern der Asylhelferkreise im Landkreis. Diese ist gezeichnet von einem stetigen Abwärtstrend.

"Seit ein, zwei Jahren hat sich die Lage verändert", sagt Stefan Haas. Der Bergkirchener Gemeinderat der Grünen tritt als Koordinator des Asylhelferkreises in Bergkirchen auf, seit fünf Jahren engagiert er sich schon dort. Nun aber reicht es nicht nur ihm, sondern auch seinen Mitstreitern. Stellvertretend für alle Helferkreise im Landkreis haben Stefan Haas, Heinrich Fitger aus Weichs und Joachim Jacob aus Petershausen einen offenen Brief an den Landrat geschrieben. Darin heißt es unter anderem: "Seit einiger Zeit sind wir mehr und mehr irritiert durch die zunehmend rücksichtslose Weise, wie jahrelange erfolgreiche Integrationsbemühungen der Geflüchteten sowie der Helferkreise und der Caritas missachtet und zunichte gemacht werden." Es folgt eine lange Auflistung an Vorwürfen, welche die jüngsten Erfahrungen der Asylhelfer mit der Ausländerbehörde im Landratsamt untermauern. Von Landrat Löwl fordern die Unterzeichner: Er soll die rechtlichen Möglichkeiten nutzen.

Doch Löwl, zwar vielleicht nicht mehr humanitärer Krisenmanager doch an seinen Aufgaben als Landrat in den letzten sieben Jahren sicher gewachsen, verteidigt das Vorgehen seiner Behörde: immer mit den gleichen Aussagen. Etwa, dass ihm die Hände gebunden seien und nicht das Dachauer Landratsamt die Entscheidungen über den Aufenthalt der Flüchtlinge treffe, dass dort nur bestehende Gesetze und Befehle exekutiert würden. "Wir versuchen Lösungen zu finden", beteuert Löwl auch diesmal erneut - "aber das geht eben nicht immer". Und überhaupt findet der Landrat: In Dachau nutze man die zeitlichen Rahmen schon sehr gut aus, gebe den Asylsuchenden viele Chancen und Möglichkeiten und treffe Entscheidungen nicht leichtfertig. Nur, und auch das betont Löwl immer wieder: Es brauche eine "Grundakzeptanz", dass nicht jeder bleiben könne. Über das Wann und Wie könne man dann gerne sprechen.

Das Gefühl, dass sich in den vergangenen Jahren etwas am Klima zwischen Landratsamt und Asylhelfern verändert hat, das hat Löwl allerdings auch. Woran das liegt, das weiß er nicht so recht - an ihm persönlich jedenfalls nicht. Auch Stefan Haas kann sich nicht wirklich erklären, was da passiert ist. Eine These hat er aberparat: In letzter Zeit standen vor allem diejenigen Schützlinge der Asylhelfer im Fokus der Behörden, die schon seit vielen Jahren in Deutschland leben und arbeiten, deren Asylgesuch bisher aber trotzdem nicht genehmigt wurde. Vereinfacht gesagt bestünde nach achtjährigem Aufenthalt in Deutschland dann jedoch ein Bleiberecht.

Haas formuliert es deshalb drastisch: "Früher war das Ziel des Landratsamts, das Beste draus zu machen. Jetzt sieht es anders aus und es gilt die Devise, möglichst viele Leute loszuwerden." Ganz falsch scheint der Ehrenamtliche aus Bergkirchen damit nicht zu liegen. Denn der Landrat gibt auf Nachfrage zu: "Früher waren wir vielleicht großzügiger." Doch jetzt, wenn es um ein endgültiges Bleiberecht geht, könne man eben nicht immer nur freundlich sein.

Ist die brüchige Beziehung zwischen dem Landrat und den Asylhelferkreisen nun noch zu retten? Für Haas steht fest: Wo etwas zu Bruch gegangen ist, können nicht nur die Scherben weggekehrt werden, sondern muss gekittet werden. Die Ausländerbehörde im Landratsamt müsse wieder ein Ort für die Flüchtlinge sein, an den sie ohne Angst gehen können. Haas sagt: "Nur fehlt mir die Fantasie, dass das unter Löwl passiert." Notfalls würden eben auch die Helfer künftig härter auftreten, den politischen Druck auf den Landrat erhöhen oder gar Demos organisieren.

Der Landrat wiederum plädiert: "Unsere Entscheidungen müssen auch akzeptiert werden." Er wünscht sich vor allem einen konstruktiven Diskurs vonseiten der Helfer, bei dem es nicht um politische Wünsche geht - denn da sei man im Landratsamt ja ohnehin an der falschen Stelle. Ein Gesprächsangebot hat er bereits gemacht: Nach der Sommerpause will man sich gemeinsam mit den Verantwortlichen der Caritas zu einem "konstruktiven Dialog" treffen, versichert Löwl. Im Sinne aller Beteiligten darf man hoffen, dass sich dann ein Fünkchen Hoffnung für eine gemeinsame Zukunft in der schwierigen Beziehung von Asylhelfern und Landrat findet.

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SZ vom 11.08.2021
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