Reaktionen auf Holocaust-Relativierung:"Das war der gezielte Versuch, die judenfeindliche Stimmung anzuheizen"

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Der CID-Vizepräsident Abba Naor betont, dass Mahmud Abbas die Shoah - gemessen am deutschen Strafrecht - zumindest relativiert, wenn nicht geleugnet habe. (Foto: Toni Heigl)

Der Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees, Abba Naor, verurteilt die Holocaust-Relativierung des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas. Andere fordern unmittelbar Konsequenzen.

Von Helmut Zeller, Dachau

Abba Naor, Vizepräsident des Comité International de Dachau (CID), ist empört. Er kennt die israelfeindlichen und antisemitischen Übergriffe in Deutschland nur zu gut - "und was jetzt geschehen ist, ist auch deshalb ein Skandal", sagte der 94-jährige Israeli und Shoah-Überlebende am Mittwoch der SZ.

Mahmud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, hatte am Dienstagnachmittag während einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt dem Staat Israel vorgeworfen, "50 Holocausts" an den Palästinensern verübt zu haben. Der Auftritt Abbas' und seine ungeheuerlichen Aussagen im Kanzleramt seien, so der CID-Vizepräsident, kalkulierte Provokationen gewesen. "Das war keine Entgleisung, das war der gezielte Versuch, die judenfeindliche Stimmung anzuheizen."

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"Eine moralische Schande"

So sieht das auch das Internationale Auschwitz-Komitee. Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner sagte der dpa zufolge, Abbas habe "die politische Bühne Berlins gezielt genutzt, um die deutsche Erinnerungskultur und die Beziehungen zum Staat Israel zu diffamieren".

Am Ende der Pressekonferenz hatte ein Journalist Abbas gefragt, ob er sich zum 50. Jahrestag des von palästinensischen Terroristen verübten Attentats auf die israelische Olympiamannschaft in München bei Israel entschuldigen werde. Der Palästinenserpräsident gab darauf keine Antwort, sagte aber: "Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen - 50 Massaker, 50 Holocausts."

Charlotte Knobloch fordert Konsequenzen

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern Charlotte Knobloch erklärte dazu: Das sei eine Beleidigung der Opfer des Holocaust, des israelischen Volkes und der deutschen Gastgeber. "Die Haltung des israelischen Ministerpräsidenten Jair Lapid, der von einer ,moralischen Schande' gesprochen hat, teile ich ausdrücklich." Das tut auch Abba Naor, der im Stiftungsrat der bayerischen Gedenkstättenstiftung die Überlebenden der Dachauer Außenlager vertritt.

Der CID-Vizepräsident betont, dass Abbas die Shoah - gemessen am deutschen Strafrecht - zumindest relativiert, wenn nicht geleugnet habe, dass er Terrorakte wie bei den Olympischen Spielen 1972 nicht verurteile und die bittere Einsicht bestärkt habe, dass die Palästinenser keinen Frieden, sondern die Vernichtung Israels wollten. Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, erklärte: "Das muss unmittelbar Konsequenzen im bilateralen Verhältnis haben." Wer so spreche wie Abbas, wiegele zur Gewalt auf. Deutschland müsse weitere Zahlungen an die Autonomiebehörde an Bedingungen knüpfen. So dürften keine "Märtyrerrenten" mehr an Attentäter und ihre Hinterbliebenen gezahlt werden.

Scharfe Kritik wurde auch an Bundeskanzler Scholz geübt, der die unsägliche Holocaust-Äußerung Abbas' auf der Pressekonferenz unkommentiert ließ. "Das hätte nicht passieren dürfen", sagte Beck. Der Kanzler sagte noch am Dienstagabend der Bild-Zeitung: "Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel."

Das Schweigen des Kanzlers wollte Abba Naor nicht kommentieren: Das sei eine innerdeutsche Angelegenheit, sagte er. Er begrüße es jedoch, dass der Kanzler Abbas' Behauptung, Israel sei ein "Apartheid-System", energisch zurückgewiesen habe.

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