Mobilfunk:Digitalisierung auf dem Vormarsch

Antennen für 5G-Netz

Kritiker wie Barbara Böhm sind überzeugt, dass die Strahlung - vor allem in der Nähe der Masten - krank macht.

(Foto: Christoph Dernbach/dpa)

Vor acht Monaten versicherte die Telekom, der 5G-Ausbau werde im Landkreis Dachau noch einige Zeit dauern. Nun geht doch alles schneller, als gedacht - und Mitglieder einer Bürgerinitiative fühlen sich schlecht informiert

Von Christiane Bracht, Dachau/Karlsfeld

Das Netz wächst, die Sorge vor 5G, dem neuen Übertragungsstandard für Mobilfunk, ebenfalls. Als einige Dachauer Bürger unter dem Namen "Initiative Attention 5G" vor acht Monaten erstmals mit einem Flyer auf die fünfte Generation des Mobilfunks aufmerksam machten und "vor inakzeptablen Gesundheitsrisiken" warnten, winkte die Telekom ab. Dachau sei noch lange nicht dran, hieß es aus der Firmenzentrale. Erst einmal müsse das Netz in Berlin und Hamburg ausgebaut werden, dann kümmere man sich um München und andere Großstädte. Doch das Unternehmen ist, in seinem Bestreben möglichst schnell ein tragfähiges Netz zu haben, mächtig vorangeprescht und treibt den Ausbau auch im Landkreis voran.

Die Übersichtskarte für den Landkreis Dachau (unter www.telekom.de/netzwerk verfügbar) weist jedenfalls schon jetzt deutliche Flecken auf - sprich Orte, in denen ein 5G-Netz angeboten wird. Dazu gehören neben der Großen Kreisstadt Dachau, die Gemeinden Karlsfeld, Bergkirchen, Sulzemoos, Odelzhausen und Pfaffenhofen an der Glonn. Im Westen sind es Hebertshausen, Haimhausen und Petershausen, sowie Markt Indersdorf. Insgesamt also zehn von 17 Landkreiskommunen.

"5G überrollt uns", klagt Barbara Böhm von der Bürgerinitiative. Während alle im Corona-Lockdown zu Hause saßen, habe die Telekom ihre Techniker hinausgeschickt und die Antennen umgerüstet. Über das Ausmaß der 5G-Verbreitung sei sie erschrocken. "Wir müssen schnell reagieren und dürfen nicht locker lassen, auf allen Ebenen die Register zu ziehen", sagt sie. Es klingt fast verzweifelt.

Die Gruppe der Aktiven ist klein, der Gegner übermächtig. Und neue Mitstreiter zu finden, ist nicht so leicht, wie es früher einmal war. Viele nutzen die zahlreichen Möglichkeiten, die ihr Smartphone ihnen bietet gerne, freuen sich gar über technische Neuerungen. Dennoch gibt es auch viele, die sich Sorgen machen. Als Jörg Knüppel im Februar eine Petition unter dem Titel "Stoppt 5G in Dachau" startete, unterschrieben immerhin 1036 Bürger. Dann kam der Corona-Lockdown und so fehlten am Ende Unterstützer, um die Petition beim Oberbürgermeister oder dem Stadtrat einzureichen. Die Gruppe um Barbara Böhm will sich jedoch nicht entmutigen lassen. "Wir wollen Experten einladen, zum Beispiel Jörn Gutbier, den ersten Vorstand von "Diagnose: Funk", einer Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation, die sich für umweltverträgliche Funktechnik und Schutz vor Elektrosmog einsetzt", sagt Böhm. Auch ein Gespräch mit Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) und einigen Kommunalpolitikern strebt die Gruppe an.

Doch worum geht es ihnen genau? Die Mobilfunktechnik verteufeln? Sie nach 20 Jahren doch noch abschaffen? Nein, sagt Böhm. "Es ist eine tolle Technik, die Menschen verbindet und mit der man Wissen austauschen kann. Aber sie hat eben auch eine andere Seite." Und das ist die gesundheitliche. "Die Intensität der Strahlung macht krank, vor allem die Nähe der Masten", sagt die Dachauerin. Sie wisse wovon sie spreche: Schlaflosigkeit, Unruhe, eine seltsame Unstrukturiertheit, Schwindel und ein nicht erklärbares Hautbrennen an Armen und Beinen. All das seien die Folgen. Doch zweifelsfrei erwiesen ist das bislang nicht. Trotzdem verweist Böhm auf Studien, die genau das belegen sollen. Die Umstellung von 3G auf 4G habe sie deutlich gespürt. Jetzt fürchtet sie mit 5G eine weitere Verschärfung ihrer Situation. Auch andere litten unter der Strahlung und klagten etwa über Bluthochdruck und intensives Nasenbluten . Gehört würden jedoch nur Wissenschaftler, die eine gewisse Nähe zur Wirtschaft hätten, moniert sie.

Mobilfunk: Adrian Heim vom Bündnis für Karlsfeld.

Adrian Heim vom Bündnis für Karlsfeld.

(Foto: Toni Heigl)

Die Bürgerinitiative fordert deshalb, dass die Mobilfunkunternehmen eine Technikfolgenabschätzung vorlegen, in der die Unbedenklichkeit der Mobilfunkstrahlen bewiesen wird. "Das gehört zur Vorsorge", sagt Böhm und beklagt, dass die Regierung dies nicht verlange.

Die Gruppe um Böhm ist mit ihrer Forderung keineswegs allein. Es gibt auch eine europäische Bürgerinitiative, die die rechtlichen Rahmenbedingungen verändern will. Böhm ist auch dort aktiv. Ebenfalls zu den Kritikern zählt der ÖDP-Kreisverband Dachau, der schon lange die Gesundheitsvorsorge anmahnt. Er setzt sich für einen niedrigeren Grenzwert und geringere Strahlenbelastung ein. Mit der Forderung nach einer Baugenehmigungspflicht für Mobilfunkmasten ist die Partei jedoch gescheitert.

Dennoch müssen die Gemeinden nicht jeden Standort akzeptieren, den die Mobilfunkunternehmen präferieren. So hat etwa Karlsfeld ein abgestimmtes Mobilfunkkonzept. Das heißt, es gibt Gebiete, in denen keine Antennen aufgebaut werden dürfen. Doch gilt das Konzept auch noch für den 5G-Ausbau? Hat die Gemeinde insoweit also noch ein Mitspracherecht? Der Fraktionssprecher vom Bündnis für Karlsfeld, Adrian Heim, macht sich Sorgen. Zumal die Telekom erst kürzlich verkündet hat, dass ein neuer Mast an der Münchner Straße errichtet wurde. In seinem Antrag an den Gemeinderat fordert er nun Antworten, auch auf die Frage ob mit dem Mast das Mobilfunkonzept der Gemeinde nun gedeckt ist.

Mobilfunk: Telekom-Pressesprecher Marksu Jodl.

Telekom-Pressesprecher Marksu Jodl.

(Foto: Toni Heigl)

"Es gibt bereits Gemeinden, die eine Technikfolgenabschätzung fordern", sagt Böhm, die sich das auch für Dachau wünscht. Was Böhm besonders ärgert, ist: "Müssen wir uns 24 Stunden zwangsbestrahlen lassen, dafür dass einige wenige 5G nutzen können?" Vor allem die Industrie habe Vorteile von der neuen Technik. Doch Markus Jodl, der Pressesprecher der Telekom, widerspricht vehement: "Vom 5 G-Ausbau profitieren auch moderne Handys, die 4 G lesen." Die Antennen könnten je nach Technologie mit den Geräten kommunizieren. Es sei zwar richtig, dass die Industrie ein gesteigertes Interesse an 5 G hat und auch maßgeblicher Treiber der neuen Generation sei, sich zum Teil sogar eigene Frequenzen für ihr jeweiliges Firmengelände gesichert habe, aber "das ist nicht der Massenmarkt", erklärt Jodl. Es gebe noch einen anderen Treiber, der die Mobilfunkunternehmen unter Druck setze: Netflix.

Der Streamingdienst stellt Filme und Serien in bester Qualität zur Verfügung. "Und die Leute rufen sie ab - am liebsten in der höchsten Entwicklungsstufe, egal ob sie am Flughafen warten, in der Bahn sitzen oder am Baggersee sind", erklärt Jodl. "60 Prozent des Datenverkehrs im Internet sind Videos und dafür ist 5G wichtig." Zumal Netflix demnächst nicht nur HD anbieten will, sondern sogar 8K - die nächste Entwicklungsstufe. Und die Nutzer sind begeistert: Da ruckelt nichts mehr. Die Übertragung passiert sogar in Echtzeit. Fürs autonome Fahren ist dies auch unabdingbar.

Bis 2025 müssten 99 Prozent der Bevölkerung mit 5G versorgt sein, sagt Jodl. Deshalb sollen bis Ende des Jahres deutschlandweit 40 000 Antennen 5G funken können. Im Landkreis Dachau betreibt die Telekom bereits 42 Standorte, bis 2022 sollen weitere zehn dazukommen. Außerdem sind an 15 Masten Erweiterungen mit LTE geplant, so der Unternehmenssprecher. Im Fokus der Telekom stehen derzeit vor allem Bergkirchen, Dachau, Markt Indersdorf und Pfaffenhofen an der Glonn. "Die Standorte dienen der Versorgung entlang der Autobahn, Bahnstrecke oder Bundes- beziehungsweise Landstraße. Dabei gehe es nicht unbedingt ums autonome Fahren, sondern vielmehr darum, die Lücken im LTE-Netz zu schließen. An der A8 müssten noch 150 Kilometer versorgt werden.

Jodl stellt zudem klar, dass 5 G keine neue Technik sei. "Es ist die Weiterentwicklung von LTE. Deshalb können wir mit der gleichen Leistung und den gleichen Antennen etwas machen, was wir vorher nicht machen konnten." Die hochfrequenten 3,6 Gigahertz-Antennen werden nur in Ballungszentren verteilt. Auf dem Land verwendet der Konzern, die 2,1 Gigahertz-Frequenz. Konkurrent Vodafone sende bereits auf einer 700er Frequenz.

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