Energiewende:„Die Bürokratie hat uns 800 000 Euro gekostet“

Lesezeit: 3 Min.

Kurz vorm Richtfest: Florian Butzmann und Kaspar Lapperger von Sumitomo Drive Technologies vor dem neuen Photovoltaikpark der Firma, die die meisten Indersdorfer schlicht Cyclo nennen. (Foto: Toni Heigl)

Der Indersdorfer Standort des Getriebespezialisten Sumitomo Drive Technologies setzt auf Solarenergie. Ein neuer Photovoltaikpark soll die Produktionsstätte bald zu 60 Prozent energieautark machen – nachdem einige Hürden überwunden sind.

Von Jessica Schober, Markt Indersdorf

Mit einer neuen 2,3 Hektar großen Freiflächen-Photovoltaikanlage spart sich der Getriebespezialist Sumitomo Drive Technologies in Zukunft Ausgaben von jährlich 400 000 Euro für Strom an seinem Standort im Indersdorfer Ortsteil Engelbrechtsmühle. An diesem Freitag feiert die Firma Richtfest für die Anlage aus 3700 PV-Modulen. Wenn das Stromfeld im September ans Netz geht, steigt der Autarkiegrad des Unternehmens auf rund 60 Prozent an. Der berechnete Eigenverbrauchsanteil werde bei rund 80 Prozent liegen, der Rest soll ins Netz eingespeist werden.

Laut Florian Butzmann, CEO bei Sumitomo Drive Technologies, wurden für die Anlage rund 2,7 Millionen Euro ausgegeben. Nach ungefähr acht Jahren soll sich die Investition amortisiert haben. Der Park wird eine Leistung von circa zwei Megawattpeak haben und soll rund 2,2 Gigawattstunden pro Jahr erzeugen. Megawattpeak ist eine Bezeichnung für die elektrische Leistung von Solarzellen, die die Spitzenleistung eines Moduls beschreibt, also wie viel Leistung eine PV-Anlage hat.

Bald sollen hier Schafe weiden

Zunächst wurden firmenintern mehrere Szenarien durchgespielt, etwa eine Solaranlage über dem Firmenparkplatz oder auf weiteren Hallendächern. Bereits seit 2021 ist eine PV-Anlage auf dem Dach des Entwicklungsgebäudes der Firma in Betrieb, mit der rund 73,5 Megawattstunden pro Jahr erzeugt werden. Weitere Dächer konnten jedoch nicht mit Solarpaneelen bestückt werden, dafür war die Stabilität der Bauten zu unsicher. Schließlich entschied sich die Firma für ein Grundstück in Firmenbesitz am anderen Ende des Ortes.

Zuvor war diese Fläche verpachtet an einen Energiebauern, der dort Mais für eine Biogasanlage anbaute. „Wir werden die Fläche nun ökologischer nutzen“, sagt Kaspar Lappberger, Qualitätsmanager bei Sumitomo. Unter den Freiflächen-PV-Modulen bleibe der Boden unversiegelt, bereits heute sprießen dort Klee und Gräser. Die Artenvielfalt werde größer sein als in einer Maismonokultur und die Umzäunung der Anlage lasse im unteren Bereich auch Tiere wie beispielsweise Hasen hindurch. Ab September soll eine Schafherde die Grünfläche beweiden. Das sei auch einfacher, als sie zu mähen, sagt Lappberger.

Kann ein nicht vorhandenes Fenster geblendet werden?

Die PV-Anlage liegt einige Gehminuten vom Firmengelände entfernt, am anderen Ende des Ortsteils Engelbrechtsmühle. Hier grenzen einstige Wohngebäude für Mitarbeitende an das Solarfeld. Um die Interessen der Bewohner zu wahren, mussten vier Gutachten – unter anderem über eine mögliche Blendwirkungen der Solarmodule – in Auftrag gegeben werden. Dabei wurden die Ein- und Ausfallwinkel der Sonnenstrahlen untersucht und auch mögliche Ausbauten von Dachgeschossen der Anwohner berücksichtigt.

„Daraufhin haben wir die Ausrichtung der gesamten Anlage geändert, um eine mögliche Blendwirkung auf ein Fenster zu vermeiden – dabei gibt es dieses Fenster noch gar nicht“, sagt Butzmann. Durch die Neujustierung der Anlage – aufgrund der hypothetischen Blendung auf ein nicht vorhandenes Fenster – habe sich der Energieertrag der Anlage um ein Viertel minimiert. Der Aufbau der Anlage verzögerte sich durch die Gutachten um mehr als zwei Jahre. „Die Bürokratie hat uns 800 000 Euro gekostet“, sagt Butzmann nüchtern. Gleichzeitig sei es dem Unternehmen wichtig, die Nachbarschaft intensiv einzubeziehen.

Da Sumitomo ein eigenes Kabel zu seiner PV-Anlage verlegt hat und auf dem Firmengelände auch große Speicherkapazitäten aufgebaut sind, ist die Firma weitgehend unabhängig von Abschaltungen durch den Netzbetreiber. Andere Firmen fürchten, bei einer Überspannung vom Netz genommen zu werden und dann wieder Strom hinzukaufen zu müssen – dieses Szenario sieht man im Ortsteil Engelbrechtsmühle nicht auf sich zu kommen.

Stromtankstelle nur zögerlich privat genutzt

„Wir freuen uns, wenn die Sonne scheint“, sagt Butzmann. Der Energieverbrauch der Produktion sei an Sonnentagen besonders hoch, weil die Herstellung einen klimatisierten Prozess benötige. Überschüssigen Strom könne die Firma – gesichert über Netzlieferverträge mit den Bayernwerken – ins Stromnetz einspeisen. Um Lastspitzen zu kappen, steht ein Batteriespeicher in einem Container bereit mit der Kapazität von rund 15 E-Autos.

Vom Sonnenstrom des Unternehmens können auch Privatleute etwas abzapfen. Bis zu 36 E-Autos könnten gleichzeitig geladen werden, teilt die Firma mit. Neben 15 dualen Ladesäulen für Mitarbeiter stehen auch öffentlich zugängliche vor dem Geländezugang zur Verfügung. Die firmeneigene Stromtankstelle wird indes von der Bevölkerung nur zögerlich angenommen. „Das fühlt sich für die Leute heute noch komisch an, zum Laden aufs Firmengelände zu fahren“, sagt Butzmann. Neulich habe ein Nachbar angerufen, der Hochzeitsgäste mit E-Auto zu Besuch gehabt habe, und sehr vorsichtig gefragt, ob die zum Laden kommen dürften. Genau dazu sei die öffentliche Tankstelle ja da, bekräftigt Butzmann, und verweist darauf, dass der Solarstrom der Firma auch „deutlich günstiger als Hausstrom“ sei.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusZensus 2022
:„Bei uns sind es 500 Menschen, die einfach verschwunden sind“

Die Ergebnisse der jüngsten Volkszählung sorgen in Stadt und Landkreis Dachau für Verärgerung. Denn die statistischen Ämter zählen weniger Einwohner als die Gemeinden selbst. Diese bangen nun um Zuschüsse des Freistaats.

Von Maximilian Schuller

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: