Vierkirchen:"Es ist gar kein Bier mehr im Keller"

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Kritisiert die Asylpolitik: Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler wünscht sich mehr Hilfe für die Integrationsarbeit der Kommunen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Beim politischen Aschermittwoch in Vierkirchen teilt die CSU vor allem gegen die Ampelregierung aus. Dabei befürchtet man unter anderem, dass Deutschland bald zum Drogeneldorado wird.

Von Martin Wollenhaupt, Vierkirchen

Der politische Aschermittwoch ist bekanntlich nicht besonders diskursfreundlich. Im Gegenteil, er ist - und das gilt parteiübergreifend - Selbstbestärkung, Sippenmobilisierung, und in diesem Jahr besonders: Einschwörung auf den Wahlkampf. So auch bei der CSU im Landkreis Dachau, die am Mittwoch in Vierkirchen zu den traditionellen Klängen von Selbstlob und Stänkerei beim Fischessen zusammenkam.

Knapp 40 Gäste, die Atmosphäre eine CSU-Idylle: blau-weiße Fähnchen stehen auf den Tischen, einige Männer tragen Trachtenjanker, CSU-Schals verkünden: "Näher am Menschen". Nah, so wird gleich zu Beginn der Veranstaltung klar, sind die Redner vor allem einem Menschen: Markus Söder. "Wir haben zum ersten Mal eine Bundesregierung, die offen Politik gegen Bayern macht", sagt Bernhard Seidenath in Söderscher Rhetorik. Er ist Landtagsabgeordneter und Dachauer Kreisverbandsvorsitzender der CSU, und möchte bei der Landtagswahl am 8. Oktober seinen Sitz verteidigen. Seidenath begibt sich auf einen Marathon aus Ampel-Verfehlungen - natürlich aus Sicht einer weiß-blauen Brille: "Nicht aus Ideologie" solle beim Thema Energie gehandelt werden, "unverantwortlich" sei es, die Atomkraftwerke abzustellen, so Seidenath.

Die Cannabis-Legalisierung mache Deutschland zu einem "Drogeneldorado"

Ein Lieblingsthema des Abends, das auch die anderen Redner beschäftigen wird: Die Erbschaftssteuer. Sie sei eine "Vermögenssteuer durch die Hintertür", die CSU werde dagegen klagen. Weitere Befürchtungen der CSU-Anhänger: das neue Bürgergeld führe dazu, "dass Arbeit sich nicht mehr lohnt", die Cannabis-Legalisierung mache Deutschland zu einem "Drogeneldorado". Und: Die "Achtung vor Gott und den Menschen" sei in Gefahr, weil beim G7-Gipfel ein Kruzifix abgehängt wurde. Einen Seitenhieb bekommt Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) ab. Die "scheinbare Vorzeige-Erinnerungs-Arbeiterin" verwehre der KZ-Gedenkstätte Dachau Geld für notwendige Sanierungen. Obwohl in der Rede Potenzial zum Lautwerden steckt, liest Seidenath brav von seinem Skript. Besteck klimpert leise im Hintergrund, einige vertiefen sich in das Sezieren ihres Fisches, ein CSU-Mitglied beginnt zu telefonieren. Im Nebenraum wird viel gelacht.

Landtagsabgeordneter Bernhard Seidenath. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Bäckermeister Christian Hartmann setzt sich für die Förderung des Handwerks ein. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Ampelregierung setzt Seidenath nun die Arbeit der CSU in Bayern entgegen: Diese betreibe Vorzeigepolitik. Sie müsse sich "als letzte Bastion" gegen die skizzierten Entwicklungen stellen. Im Gesundheitswesen habe man die Landarztquote eingeführt, mit der auch junge Menschen mit schlechterem Abiturschnitt einen Studienplatz für Medizin bekommen, wenn sie sich dafür verpflichten, auf dem Land zu arbeiten. Außerdem fördere die CSU das Ehrenamt, indem sie Vereinen die Gema-Gebühren erlässt, und verbessere die Mobilität, indem Buslinien und Radwege ausgebaut werden.

Als Nächster tritt Christian Hartmann ans Rednerpult, der als Listenkandidat bei der Landtagswahl antritt. Der gelernte Bäckermeister hat bei allen Überschneidungen zu seinen Kollegen ein besonderes Anliegen: die Förderung des Handwerks. Aus dem Ukraine-Krieg resultiere die Inflation, diese bringe das Handwerk in Gefahr. Ihm sei es schon untergekommen, dass eine Maschine auf der Baustelle nicht mehr gelaufen sei. "Der Fleißige wird von der Ampel immer mehr bestraft, der Faule belohnt", das wolle Hartmann nicht länger hinnehmen.

"Kommunen wissen nicht mehr, wie sie Integrationsarbeit stemmen sollen."

Stefan Löwl, Landrat und als Listenkandidat für den Bezirkstag nominiert, ist beeindruckt von Hartmanns Bodenständigkeit und Lebenserfahrung. "Es geht nicht um die, die mit 19 einen Aufsatz über das politische System in Deutschland geschrieben haben und jetzt meinen, die Welt ändern zu können", sagt er und holt sich dafür den einzigen spontanen Applaus des Abends ab. Inhaltlich besorgt Löwl, dass der Landkreis kein Geld für die Flüchtlingsunterbringung und die Pflege habe. Die Bundesregierung schreie nach "Freibier, aber es ist gar kein Bier mehr im Keller", sagt er in Aiwangscher Metaphorik. Auch die Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler betont schließlich: "Die Kommunen saufen ab, weil sie nicht mehr wissen, wie sie ihre Integrationsarbeit stemmen sollen."

Die CSU-Mitglieder haben ihren Fisch aufgegessen, das Weißbier zeigt langsam seine narkotisierende Wirkung. Bei aller Polemik, die dem politischen Aschermittwoch eigen ist, zeigt sich zumindest Hartmann gewillt, mit dem Gegner zu reden. Schließlich, so sagt er, sei er Mitglied des FC Bayern und habe trotzdem Sechz'ger-Freunde.

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