Coronavirus:Schutz und Risiko zugleich

Weil die Arbeit von Schornsteinfegern als systemrelevant gilt, dürfen ihre Besuche nicht ohne Grund ausgesetzt werden. Die Kaminkehrer versuchen aber derzeit, Rücksicht auf die Sorgen ihrer Kunden zu nehmen

Von Andreas Förster, Markt Indersdorf

Der Kaminkehrer gilt traditionell als Glücksbote. In Corona-Zeiten wird jedoch selbst das in Frage gestellt. Das Virus könnte schließlich auch durch den Mann in schwarz ins Haus kommen. Dennoch gilt der Schornsteinfeger als systemrelevant. Somit darf er Zutritt verlangen, um seine Aufgabe fristgerecht erfüllen zu können. Für manche Bürger ist das - insbesondere, wenn sie zur Risikogruppe gehören - nicht nachvollziehbar.

Als bei Stefan Schmidlechner am vergangenen der Bezirkskaminkehrer Martin Dirrhammer an der Haustür klingelte, war er einigermaßen erstaunt. Mit einer Feuerstättenschau hatte der 59-Jährige Indersdorfer nicht gerechnet. Als Asthmatiker, der unter Bluthochdruck leidet, hatte er sich bis dahin strikt abgeschottet. Weil auch seine Frau im ambulanten Pflegebereich arbeitet, also in einer Tätigkeit mit Systemrelevanz, erschien es ihm vollkommen abwegig, jemanden ins Haus zu lassen. Zwar kannte er seinen Kaminkehrer von vorangegangenen Begegnungen und wusste, dass dieser üblicherweise keine schriftliche oder telefonische Vorankündigung schickt, sondern gleich klingelt und die Sache am liebsten vor Ort klärt. Am liebsten hätte er ihm abgesagt, doch der Schornsteinfeger machte es dringlich. Also gab Schmidlechner nach. "Ich habe mich dabei aber gar nicht wohl gefühlt", betont er. Schmidlechner ist kein Einzelfall. Beim Landratsamt sind bereits mehrere ähnlich lautende Beschwerden eingegangen, berichtet Pressesprecher Wolfgang Reichelt.

Coronavirus: Kaminkehrer sind traditionell Glücksboten. Im Falle einer Frau aus München haben sie jedoch das Gegenteil bewirkt. (Symbolbild)

Kaminkehrer sind traditionell Glücksboten. Im Falle einer Frau aus München haben sie jedoch das Gegenteil bewirkt. (Symbolbild)

(Foto: Claus Schunk)

Eine Feuerstättenschau gehört zu den hoheitlichen Aufgaben eines bevollmächtigten Bezirks- Schornsteinfegers, geregelt nach dem Schornsteinfegerhandwerksgesetz (SchfHwG). Sie wird bei fast allen Anlagen durchgeführt, die der Beheizung dienen und muss innerhalb von sieben Jahren zweimal durchgeführt werden. "Die gesetzlich begründeten Pflichten sind wegen der Corona-Pandemie nicht aufgehoben", erklärt Heinz Nether, Landesinnungsmeister des Bayerischen Kaminkehrerverbands. Schon im März hatte das Arbeitsministerium in Bayern angeordnet, Schornsteinfeger müssten unter Beachtung der Hygienevorschriften weiterhin ihrer Arbeit nachkommen. Bestimmte Aufgaben könnten im Rahmen der Fristen allerdings verschoben werden, wenn dies aus Sicht der Gefahrenabwehr vertretbar sei, so die Empfehlung der Landesbehörde.

Das hatte auch Bezirkskaminkehrer Martin Dirrhammer im Sinn, als er bei Stefan Schmidlechner klingelte: "In einem gewissen Rahmen wäre eine Verschiebung möglich gewesen", versichert er. Doch so weit kam es nicht. "Herr Schmidlechner wollte es hinter sich haben", war der Eindruck des Kaminkehrers. Aus Schmidlechners Sicht hatte er keine große Wahl: "Ich hätte ihn sowieso reinlassen müssen, warum also nicht gleich? Ich finde es trotzdem unverantwortlich, dass der Staat gerade in dieser Zeit noch darauf besteht."

Coronavirus: Stefan Schmidlechner gehört zur Risikogruppe und meidet derzeit den Kontakt zu Fremden.

Stefan Schmidlechner gehört zur Risikogruppe und meidet derzeit den Kontakt zu Fremden.

(Foto: Toni Heigl)

Dazu erklärt Dirrhammer: "Unsere Arbeit dient dem vorbeugenden Brandschutz, also der öffentlichen Sicherheit. Das lässt sich leider nicht unbegrenzt aufschieben." Trotzdem fühle auch er sich nicht ganz wohl in seiner Haut. "Es ist ein schwieriger Spagat, den wir gerade machen müssen", sagt der Kaminkehrermeister aus der Nähe von Aichach. Den Bezirk Markt-Indersdorf betreut er schon seit zwölf Jahren. "Ich kenne und schätze die Menschen hier und möchte sie als Kunden behalten. Deshalb komme ich Ihnen soweit es geht entgegen." Sollte trotz Fristverlängerung und vierzehntätiger Nachfrist ein Hausbewohner dem Kaminkehrer den Zutritt dennoch verweigern, muss er das der zuständigen Behörde melden. "Im Moment sind aber alle Kaminkehrer aufgerufen, besonders achtsam und behutsam vorzugehen und nichts zu erzwingen", betont Innungsmeister Nether.

Er empfiehlt, bei Unsicherheiten und Fragen im Zusammenhang mit Terminen frühzeitig mit dem zuständigen Schornsteinfeger Kontakt aufzunehmen und sich hinsichtlich der anstehenden Termine zu informieren. "Gemeinsam lassen sich Lösungen finden, die sowohl der Wahrung der Betriebs- und Brandsicherheit wie auch des gebotenen Infektionsschutzes Rechnung tragen", ist sich Nether sicher.

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