Süddeutsche Zeitung

Coronabedingte Absage:Der Christkindlmarkt fällt aus

Zunächst sollte der Budenzauber in der Corona-Krise auf die Thoma-Wiese, aber den Standbetreibern ist das Risiko zu groß

Von Julia Putzger, Dachau

Vor einem Monat, da war Christian Naumann noch vorsichtig, aber doch optimistisch und sagte: "Wenn es machbar ist, dann machen wir es auch." Er meinte die Organisation des traditionellen Dachauer Christkindlmarkts, der auf Grund der Corona-Pandemie in diesem Jahr auf der Ludwig-Thoma-Wiese stattfinden sollte. Nun jedoch ist alle Hoffnung verflogen, denn es steht fest: Heuer wird es in Dachau überhaupt keinen Christkindlmarkt geben.

Letztlich ausschlaggebend für die Entscheidung zur Absage war das finanzielle Risiko, wie Christian Naumann sagt. Er ist Vorsitzender des Vereins Dachauer Christkindlmarkt, der schon seit mehr als 30 Jahren den Markt am Rathausplatz organisiert. Naumann selbst betreibt als Cateringunternehmer einen Stand mit Glühwein und anderen Heißgetränken. "Wir haben keine Planungssicherheit. Wenn zum Beispiel die Infektionszahlen im Landkreis auf mehr als 50 steigen, dann müssen wir eine Woche lang alles schließen", erklärt Naumann. Dann wiederum würden die Standbetreiber auf ihren Waren sitzen bleiben: "Ich muss zum Beispiel meinen Glühwein vorbestellen, den kann ich dann alleine trinken, wenn keiner auf den Markt kommen darf."

Gleichzeitig wären die Organisationskosten für den Verein auf Grund der Hygieneregeln ungleich höher - von "ein paar Tausend Euro" pro Standbetreiber und insgesamt fast doppelten Kosten spricht Naumann. Denn zum Beispiel braucht der Verein einen Sicherheitsdienst, der kontrolliert, dass der Mindestabstand an Tagen, an denen auf dem Markt normalerweise alles dicht gedrängt ist, eingehalten wird. "Dieses Risiko, dass es ein wirtschaftlicher Reinfall wird, das kann heuer niemand tragen. Es befinden sich ja ohnehin alle schon in einer angespannten finanziellen Lage", sagt Organisator Christian Naumann. So sei es für die Standbetreiber zwar deprimierend, heuer überhaupt kein Geschäft machen zu können - gleichzeitig aber könnten sie so keine weiteren finanziellen Verluste erleiden. Denn Einbußen haben die Geschäftsleute in der Corona-Krise ohnehin schon.

Doch nicht nur der wirtschaftliche Aspekt spielte bei der schwierigen Entscheidung des Vereins, den weihnachtlichen Budenzauber heuer abzusagen, eine Rolle. Naumann glaubt, dass man den Markt nicht in "altbekannter und liebenswerter" Weise durchführen hätte können, auch den Standard hätte man nicht halten können: "Ich glaube nicht, dass das Spaß machen würde, wenn alle mit einer Maske rumlaufen und wir den Abstand kontrollieren müssen." Auch die von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigten Einschränkungen beim Alkoholkonsum würden nicht so recht zu einem Weihnachtsmarkt passen. Gleichzeitig wolle man natürlich auch nicht, dass sich halb Dachau auf dem Christkindlmarkt anstecke und wir dann "das Ischgl von Deutschland sind", sagt der Vereinsvorsitzende.

In der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Mittwoch signalisierte jedoch Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), dass die Stadtverwaltung sich nun selbst Gedanken mache, wie man für weihnachtliche Stimmung sorgen könne. Hartmann sprach von einem "dezentralen Ansatz". Eine Überlegung seien beispielsweise einzelne Stände in der Altstadt, etwa vor Wirtshäusern. Allerdings habe bereits ein ähnlicher Vorschlag als Volksfestalternative nicht funktioniert, da die Standbetreiber vermuteten, dass sich der Aufwand nicht rechnen würde. Eine weitere Möglichkeit wäre die finanzielle Unterstützung der Standbetreiber durch die Stadt, die der bekennende Weihnachtsfan und Stadtrat Markus Erhorn (FW) vorschlug. Stadtrat Michael Eisenmann vom Bündnis für Dachau merkte jedoch an, dass eine solche Finanzspritze für einen einzelnen Verein unfair sei. Auch Naumann ist von Alternativvorschlägen nicht überzeugt: "Wir Standbetreiber leben von der Masse - und so lange es die nicht gibt, machen wir auch kein Geschäft." Das gilt für Christkindlmärkte ebenso wie für Volksfeste, etwa das Oktoberfest. Von Münchner Kollegen wisse er, dass diese bei Alternativen wie "Sommer in der Stadt" nur in seltenen Fällen kostendeckend arbeiten konnten. Ohne einen Impfstoff gegen das Coronavirus werde es große Veranstaltungen wie früher eben bis auf weiteres leider nicht geben können, prophezeit Naumann.

Andere Veranstalter von Adventmärkten im Landkreis haben sich ebenfalls bereits zu Absagen entschieden: So steht bereits fest, dass der Schwabhauser Christkindlmarkt und der Weichser in diesem Jahr nicht stattfinden und auch "Advent am Kloster" in Markt Indersdorf wurde abgesagt. In Unterweikertshofen beim Gräflich von Hundt'schen Schloss gibt es ebenfalls keinen Weihnachtsmarkt, Christbäume werden aber voraussichtlich verkauft.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2020
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