Süddeutsche Zeitung

Corona und die Folgen für Dachau:Kurzarbeit und viele Überstunden

Eine erste Bilanz über die bisherigen Folgen der Corona-Krise hat das Landratsamt Dachau nun bekannt gegeben. Danach gibt es mehr Arbeitslose und weniger Plätze in den Pflegeeinrichtungen. Die Verwaltung hat indes viel zu tun

Von Jacqueline Lang, Dachau

Die Folgen der Corona-Krise, sie sind in vielerlei Hinsicht zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt noch nicht abzusehen. Das betont auch die Verwaltung des Dachauer Landratsamt. Gleichwohl haben die Mitarbeiter unterschiedlichster Abteilungen einen Antrag der SPD-Kreistagsfraktion von Anfang Juni zum Anlass genommen, um einen Überblick über die bereits erkennbaren Folgen für das gesellschaftliche, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben des Landkreises zu geben. Die Ergebnisse sprechen teilweise eine sehr eindeutige Sprache.

Besonders eindrücklich sind die Zahlen, die die Verwaltung den Kreisräten zur Kurzarbeit vorlegt hat: So haben im März 478 Unternehmen Kurzarbeit angemeldet, im April jedoch bereits 1062 Betriebe. Von April bis August waren es insgesamt 1608 Firmen. Davon betroffen sind 17 470 Mitarbeiter. Die Verwaltung merkt jedoch an, dass die tatsächlich realisierte Kurzarbeit sowohl höher als auch niedriger ausfallen kann, weil die Anträge in der Regel vorsorglich gestellt werden. Betriebe hätten immer drei Monate Zeit, um ihre Abrechnungen der Arbeitsagentur zu übermitteln. Erstmals seit Beginn der Pandemie liegen daher nun Zahlen für die im April tatsächlich in Anspruch genommene Kurzarbeit vor: 1062 Betriebe haben von Kurzarbeit Gebrauch gemacht. Betroffen waren 8735 Männer und Frauen. Zum Vergleich: Im März waren es noch lediglich 720 gewesen. Die Zahl der Arbeitslosen sank im Landkreis Dachau im September im Vergleich zum Vormonat August um 123 Personen auf insgesamt 2727 Personen. Die Arbeitslosenquote verringerte sich damit zwar um 0,1 Prozentpunkte auf 3,0 Prozent. Im September des Vorjahres lag sie jedoch lediglich bei 1,8 Prozent. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) prognostiziert für das Jahr 2021 für den Bezirk der Agentur für Arbeit Freising, zu dem auch der Landkreis Dachau zählt, zudem eine Arbeitslosenquote in Höhe von 3,3 Prozent. Im Jahr 2019 lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote im Agenturbezirk bei 1,9 Prozent. Laut IAB-Prognose würde die Quote des Agenturbezirks damit jedoch weiterhin zu den niedrigen Quoten im Länder- und Bundesvergleich zählen, teilt die Arbeitsagentur ergänzend mit. Bereits in einer Sitzung des Kreisausschusses am 25. September hatte auch Kämmerer Michael Mair prognostiziert, dass die seit 2015 gesunkenen Kosten für Arbeitslosengeld II wohl in den kommenden Jahren wieder ansteigen werden.

Die Wirtschaftsförderung, die ebenfalls im Landratsamt angesiedelt ist, hätte eigentlich eine Unternehmensbefragung für die Zeit nach den Sommerferien vorgesehen gehabt. Doch solange sich die Lage nicht "aufhellt", wie Sachgebietsleiter Johann Liebl es auf Nachfrage formuliert, mache dies wohl wenig Sinn. Den geplanten Stellenabbau bei MAN beobachtet er jedoch mit Sorge. Gespräche mit dem Vorstand seien bereits in Planung.

Doch auch in anderen Bereichen machen sich die Folgen schon jetzt bemerkbar. Aufgrund der Pandemie haben die Tagespflegeeinrichtungen im Landkreis zwar wieder geöffnet, allerdings vorerst mit leicht reduzierten Platzzahlen: Statt wie bislang zwölf hat die Villa Sonnenschein nur noch neun Plätze, statt 20 sind es in der Tagespflege Noah nur noch 18 Plätze. Grundsätzlich gelten für Alten- und Pflegeeinrichtungen die vom Freistaat verordneten Schutzmaßnahmen. Der Landkreis Dachau sei hier lediglich beratend tätig. Bei gemeldeten Infektionen in einer der Einrichtungen seien die Mitarbeiter des Gesundheitsamts "in jedem Fall unverzüglich und auch mehrfach vor Ort, um die Situation zu bewerten", heißt es seitens der Verwaltung. Landrat Stefan Löwl (CSU) ergänzte später, dass trotz der hohen Arbeitsbelastung nie ein Corona-Fall erst am nächsten Tag bearbeitet worden sei - selbst wenn das in manchen Fällen bedeutet habe, dass seine Mitarbeiter erst um 23 Uhr nach Hause gehen konnten. Ein Glücksfall sei, dass viele Mitarbeiter des Gesundheitsamts normalerweise in Teilzeit arbeiten würden und ihre Stunden einfach hätten aufstocken können, um der Mehrarbeit gerecht zu werden, berichtete Löwl. Sowohl Stephanie Burgmaier (CSU) als auch Harald Dirlenbach (SPD), beide Fraktionssprecher ihrer Parteien, sprachen den Mitarbeitern der verschiedenen Abteilungen des Landratsamts ihren Dank aus.

Obwohl es coronabedingt auch in den Einrichtungen der Wohlfahrtspflege zu Einschränkungen gekommen sei, sei jedoch versucht worden, das Beratungsangebot soweit wie möglich ohne direkten Kontakt aufrechtzuerhalten, "natürlich in den meisten Fällen mit eingeschränkter Kapazität beziehungsweise höherem Aufwand und nicht so effektiv". Gleichwohl sei keine Stelle bekannt, die ihre Tätigkeiten komplett eingestellt habe.

Auch die Mitarbeiter der Jugendhilfe hätten in den vergangenen Monaten vermehrt im Homeoffice gearbeitet. Dennoch sei im Notfall - "insbesondere bei Kindeswohlgefährdungen und akuten Krisen" - immer ein Team bereitgestanden, um auch vor Ort präsent zu sein. Zwischen dem Jugendamt und den Jugendhilfeeinrichtungen des Landkreises und deren Trägern sei die Kooperation gut. Allein die für das Meldewesen zuständige Mitarbeiterin des Jugendamts habe aufgrund der Vielzahl von zusätzlichen Anfragen im Zeitraum von Mitte März bis Mitte Juni jedoch insgesamt 113 Überstunden geleistet, die nun abgebaut werden müssten. Insgesamt haben sich die Überstunden im Jugendamt von 2116 Stunden Anfang März auf 2885 Stunden Ende Juli erhöht.

Nicht zuständig sei man für die Bereitstellung von Hilfspaketen für Kulturschaffende im Landkreis. Die Wirtschaftsförderung kümmere sich dennoch um die Kunst- und Kreativwirtschaft im Landkreis; über das Büro des Landrats habe stets ein "intensiver Austausch" mit den Künstlern bestanden. Ein Beispiel hierfür seien die in Auftrag gegebenen Kunstwerke zum Thema Corona, die zwischenzeitlich im Foyer des Landratsamts zu sehen gewesen seien.

Obwohl Landrat Löwl den Antrag der SPD damit vorerst für behandelte erklärte, versicherte er, dass er und sein Team das Thema natürlich weiterhin auf dem Schirm hätten. Denn so viel steht fest: Die Krise ist längst nicht überstanden.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2020
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