Süddeutsche Zeitung

Corona in Dachau:Kliniken im Landkreis Dachau bereiten sich auf zweite Welle vor

Das Helios Amper-Klinikum hat unternehmensweit mit am meisten Corona-Kranke behandelt. Laut Geschäftsführer Florian Aschbrenner hat man sich mit Refresherkursen auf die zweite Welle vorbereitet und kann innerhalb von drei Tagen die Zahl der Intensivbetten 58 ausweiten

Von Jacqueline Lang, Dachau

Die Corona-Pandemie kommt in Wellen, es gibt Aufs und Abs - und weil die Lage an den Helios-Kliniken im Landkreis Dachau eng mit den Entwicklungen der Pandemie verknüpft ist - sowohl personell, wie wirtschaftlich - ist es auch für die Kliniken ein turbulentes Jahr. Anfang des Jahres habe man einen "guten Start" gehabt, sagte Florian Aschbrenner bei seinem Bericht im Dachauer Kreistag, der seit dem Frühjahr neuer Klinikgeschäftsführer der Helios Klinken München und Dachau ist. Doch mit der Verbreitung des Coronavirus in Deutschland habe es von Mitte März an zunächst einen sogenannten "Falleinbruch" gegeben, sprich weniger Patienten, die es zu behandeln galt. Der Grund: Weniger Notfälle wurden eingeliefert, die Menschen suchten aus Angst vor Ansteckung weniger häufiger den Arzt auf. Die Zahl der Betten wurde reduziert, um Patienten zu schützen.

Weniger Arbeit für das Klinikpersonal, könnte man denken. Aschbrenner gab jedoch zu bedenken, dass gleichzeitig zu dem Weniger an Patienten, die Zahl jener mit schwerem Krankheitsverlauf stetig zugenommen habe. Besonders stolz sei man daher darauf, dass man anders als viele Krankenhäuser in Deutschland keine Mitarbeiter in Kurzarbeit habe schicken müssen. Die Personalentwicklung sei "konstant" und es werde "fleißig gebaut", fasst Aschbrenner die Situation an den Landkreiskliniken zusammen.

Der eigentliche Grund für seinen Vortrag im Dachauer Kreistag ist zwar ein Beteiligungsbericht aus dem Jahr 2019, der von Unternehmen, an denen der Landkreis finanziell beteiligt ist, vorgelegt werden muss. Doch weil vor allem das Dachauer Klinikum eine zentrale Rolle in der Pandemie spielt, geht es letztlich vor allem um das Jahr 2020, das Coronajahr. Obwohl der Pflegenotstand und fehlende Wertschätzung am Dachauer Klinikum auch schon vor der Corona-Krise immer wieder von Mitarbeitern angeprangert worden waren und die Rufe nach einer besseren Bezahlung gerade jetzt wieder lauter werden, klammerte Aschbrenner diesen Aspekt scheinbar bewusst aus. Auf Nachfragen von Kreisräten reagierte er verhalten.

In seinem Vortrag konzentrierte sich der Geschäftsführer lieber auf die Erfolge seines Hauses: Die sogenannte erste Welle habe man bis auf die fünf Tage in denen es nach einem Ausbruch im Krankenhaus selbst kurzfristig zu einem Aufnahme- und Entlassungsstopp gekommen sei, relativ gut im Griff gehabt. Im April habe es ein "absolutes Hoch" an Infizierten im Krankenhaus gegeben, zwischenzeitlich seien alle zwölf Intensivbetten belegt gewesen. Bis Ende April habe sich die Lage aber "gut stabilisiert". "Das Thema schien gut im Griff", sagte Aschbrenner, eine Zeit lang seien alle Intensivbetten frei gewesen.

Die zweite Welle begann laut Aschbrenner bereits mit dem Ausbruch von Covid-19 in einem Karlsfelder Pflegeheim Ende August. Jedoch sei seitdem die Zahl der "Hospitalität", also jener Corona-Patienten, die im Krankenhaus untergebracht werden müssen, vergleichsweise gering geblieben. Gleichwohl belegt das Helios Amper-Klinikum bundesweit unter allen Kliniken, die zur Helios-Gruppe gehören den dritten Platz als eines der Kliniken mit den meisten Corona-Patienten: Bislang waren es 135 an der Zahl, 36 davon mussten beatmet werden. Zwei Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen führen die Tabelle an.

Dass sich die Lage von einem Tag auf den anderen verändern kann, hat die erste Welle im Frühjahr nur allzu deutlich gezeigt. Als Reaktion darauf habe man, sagte Aschbrenner, die Zeit genutzt, um Mitarbeiter im Bereich Intensivpflege zu schulen und sogenannte "Refresherkurse" abzuhalten. Die Solidarität innerhalb der Belegschaft sei überwältigend gewesen, "da wurde nicht so auf Stunden geguckt", sagte der Geschäftsführer so, als sei das etwas grundsätzlich Positives und nicht arbeitsrechtlich durchaus bedenklich. Kreisrätin Marese Hoffmann (Grüne) erbat sich im Anschluss an Aschbrenners Vortrag eine konkrete Zahl, wie viele Intensivpfleger seit März dazu gekommen seien. Aschbrenner erklärte, aktuell sei es schwer, solche Pfleger zu finden. Es verbiete sich auch in der aktuellen Lage, von anderen Kliniken solches Personal abzuwerben. Allerdings hätten viele Ärzte, aber auch Mitarbeiter der Verwaltung, die ehemals in der Pflege tätig gewesen seien, die bereits angesprochenen Auffrischungskurse belegt.

Neben der Schulung des Personals habe man auch die Zahl der Intensivbetten auf 58 erhöht, sagte Aschbrenner. Das sei fast das Fünffache von der Anzahl davor; die meisten Kliniken hätten schon Schwierigkeiten, die Anzahl ihrer Betten auch nur zu verdoppeln. Es gibt jedoch auch einen finanziellen Anreiz für den Bettenausbau: Pro Intensivbett bekommt das Klinikum theoretisch 50 000 Euro. Nimmt man das mal 46, kommt man immerhin auf eine Summe von 2,3 Millionen Euro. Allerdings, das kritisierte Aschbrenner, sei dieses Geld vom Freistaat noch nicht an die Kliniken ausbezahlt worden. Ein anderes Krankenhaus habe deshalb bereits Klage eingereicht, die Amper Kliniken AG hoffe noch auf eine gütliche Einigung.

Auf die Frage von Kreisrat Hubert Böck (SPD), ob die 58 Intensivbetten aktuell tatsächlich zur Verfügung stünden oder nur theoretisch, erklärte Aschbrenner, das man derzeit noch im "Normalbetrieb" und damit den regulären zwölf Intensivbetten operiere, innerhalb von drei Tagen aber problemlos aufstocken könne. Mit wie viel Mehrarbeit für die Mitarbeiter dies verbunden sein würde, sagte er jedoch nicht.

Als Positiv hob Aschbrenner hervor, dass in Dachau eine der ersten Covid-19-Studien in ganz Deutschland gemacht worden sei. Seit April würden alle Mitarbeiter regelmäßig getestet, je nach Kontakt zu Patienten alle zwei bis fünf Tage. "Wir haben diese Kosten nicht gescheut", sagte Aschbrenner. Daneben gebe es seit einigen Monaten auch eine automatische Maskenkontrolle am Eingang, die wie eine Geschwindigkeitskontrolle funktioniere und erfasse, ob Personen beim Betreten der Klinik eine Maske tragen, beziehungsweise sie richtig aufgesetzt haben. Falls dem nicht so sei, weise sie den Besucher freundlich daraufhin. Die Kontrolle, das betonte Aschbrenner, funktioniere ganz ohne Internet, es würden somit keinerlei Daten erfasst - und derzeit sei der Scanner ohnehin hinfällig, weil seit Anfang vergangener Woche keine Besucher mehr ins Klinikum eingelassen werden.

Kreisrätin Marianne Klaffki (SPD) bedankte sich sowohl bei Geschäftsführer Florian Aschbrenner für die Ausführungen als auch bei dem Klinikpersonal für die "großartige Arbeit" der vergangenen Monate. Es sei für die Landkreisbewohner gut zu wissen, dass ihre gesundheitliche Versorgung sichergestellt sei. Vor allem mit Blick in die Zukunft wollte sie jedoch von Aschbrenner wissen, wie hoch die Personalfluktuation sei, wie viele Stellen derzeit unbesetzt seien, ob Azubis nach ihrer Ausbildung blieben und ob die Geschäftsführung gerade wegen der angesprochenen Solidarität der Mitarbeiter die häufig schon geforderte Münchenzulage in Erwägung zögen. Aschbrenner sagte, eine gewisse Fluktuation sei normal, in diesem Jahr sei die Zahl der Neueinstellungen aber bislang höher, als die Abgänge. Zehn Stellen seien aktuell offen, könnten aber kompensiert werden. Von insgesamt neun Azubis würden acht dem Unternehmen erhalten bleiben. Zu der Frage nach der Münchenzulage antwortete Aschbrenner nur ausweichend: Der von der Regierung versprochene Corona-Bonus werde ausbezahlt werden, die Münchenzulage zu bezahlen, stehe derzeit aber nicht im Raum. Landrat Stefan Löwl (CSU) unterband weitere Diskussionen darüber, indem er erklärte, der Kreis solle sich nicht in laufende Tarifverhandlungen einmischen.

Kreisrat Michael Reindl (FW) brachte die Fluktuation auf Führungsebene zur Sprache. Er hoffe, dass mit Aschbrenner als neuem Geschäftsführer "Kontinuität einkehrt". Zudem äußerte Reindl sein Bedauern darüber, dass die Pflegedirektorin Gesa Breckweg das Klinikum nach nur kurzer Zeit wieder verlassen habe. "Das gibt uns schon zu denken", formulierte es Reindl im Namen seiner Fraktion. Von Aschbrenner wollte Reindl wissen, wie es denn nun tatsächlich um das Pflegepersonal bestellt sei. Pflege sei ein "omnipräsentes Thema" - erst am Donnerstag hatten wieder Pflegekräfte ihre Mittagspause für eine Protestaktion genutzt und mehr Geld gefordert - das viele Mitarbeiter sehr schmerze, sagte Aschbrenner. Viele würden sich von den Forderungen der Protestierenden gar nicht angesprochen fühlen, erklärte er. Seiner Meinung nach gehe es auch gar nicht in erster Linie um ein paar hundert Euro mehr, sondern um grundsätzlich gute Arbeitsbedingungen und genau diese wolle man für die "allerwichtigste und größte Berufsgruppe" - das Pflegepersonal - innerhalb des Klinikums schaffen. Die ausgeschiedene Pflegedirektorin habe "exzellente Ansätze" gehabt, diese wolle man weiterführen. Eine Nachfolge könne man hoffentlich zeitnah präsentieren. Obwohl Aschbrenner damit in den zentralsten Fragen rund um das Thema Pflege erstaunlich vage blieb, kamen keine weiteren Nachfragen seitens der Kreisräte.

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SZ vom 04.11.2020
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