Im Bierzelt bebt die Menge, als sich Christian Günzel auf die Bierbank stellt. Er ist der ärztliche Koordinator für Corona-Fragen im Landkreis, streckt die Hände in die Höhe und holt sich sein Danke in Form von Zurufen ab. Er ist einer der Corona-Helden, bei denen sich Landrat Stefan Löwl (CSU) an diesem Mittwochabend im Bierzelt bedankt - zwei Tage vor dem offiziellen Start des Karlsfelder Siedlerfest. Vor ihm prosten sich Menschen in Tracht zu, zerlegen ihr Hendl, sitzen dicht an dicht auf der Bierbank. Rund 1000 Helferinnen und Helfer sind zu dem Empfang im Bierzelt gekommen, sie arbeiten in Bereichen, die während der Corona-Krise im Landkreis besonders gefordert waren: Allgemeinärzte, Mitarbeiter von Impfzentren, Kindergärten und Schulen, Pflegerinnen, Ehrenamtliche aus dem Katastrophenschutz, wie Feuerwehr und THW, Mitarbeiter aus dem Landratsamt und Gesundheitsamt sowie Mitglieder der Koordinierungsgruppe Pandemie des Landkreises.
"Eigentlich sind die Kinder die wahren Corona-Helden!"
An einem der Biertische sitzen fünf Lehrer der Verbandsgrundschule Karlsfeld, ab dem ersten Lockdown im März 2020 mussten sie ihren Unterricht von "Null auf 100" digitalisieren. Grundschullehrerin Melanie Buhler-Schmidt hat kurzerhand 540 Zugänge für ein Online-Konferenzsystem für jeden einzelnen Grundschüler angelegt. Außerdem kümmerte sie sich spontan darum, dass Kinder, die zuhause keinen PC oder Tablet haben, ein Gerät bekommen: "Wir haben ihnen auch Arbeitsmaterial zuhause vorbeigefahren", sagt Buhler-Schmidt. Nebenbei mussten die Lehrerinnen nicht nur den ungewohnten Homeschooling-Unterricht stemmen, sondern auch die Notbetreuung von Kindern, deren Eltern etwa systemrelevante Berufe haben.
In der Corona-Krise nahm ihn sein Beruf komplett ein, erinnert sich Lehrer Maximilian Schwarzenböck vor seiner Maß Bier: "Man war rund um die Uhr erreichbar", Eltern und Schülerinnen riefen am Nachmittag an oder schrieben abends noch Emails, die er beantwortete. Rektorin Ursula Weber ist überzeugt: "Eigentlich hätte man heute alle Lehrer einladen müssen", sie entschied per Los, wer mitkommen darf und vom Landrat zu einem Hendl und zwei Maß Bier eingeladen wird. Auch wenn die Corona-Lage das Lehrerkollegium an seine Grenzen gebracht hat, ist Buhler-Schmidt überzeugt: "Eigentlich sind die Kinder die wahren Corona-Helden!", sie haben sich den Unterricht zum Teil am Handy angeschaut und fleißig mitgelernt: "Sie waren total mit dabei."
Direkt vor der Bühne sitzt die 19-jährige Sophia Hörter, über den Ärmel ihres weißen Langarmshirtes trägt sie ein Gummi-Armband mit der goldenen Aufschrift "Corona-Held", welches das Landratsamt ausgegeben hat. Drei Mal ist sie an Corona erkrankt, zwei Mal während ihres Freiwilligendienstes in Polen, den sie dann abbrach: "Mir ging es gar nicht gut, ich hatte hohes Fieber und wollte danach etwas machen, um diese Pandemie einzudämmen", erzählt die Dachauerin. Vor einem halben Jahr meldete sie sich beim Landratsamt und testete daraufhin Hunderte Personen an den Johanniter-Teststationen in Dachau und Karlsfeld. Mittlerweile ruft sie aus dem Gesundheitsamt bei Landkreisbürgern mit positivem PCR-Test an und fragt nach Symptomen: "Manche Leuten geht es richtig schlecht und es ist schön, wenn man ihnen einen netten Satz sagen und ihnen gute Besserung wünschen kann." Den Empfang findet sie toll: "Man sieht, dass sehr viele Leute in der Corona-Zeit sehr viel geleistet haben."
Am Biertisch daneben sitzt eine Delegation der Feuerwehr Pellheim. Die Mitglieder mussten während der Lockdowns nicht nur auf Übungen verzichten, sondern während ihrer Einsätze auch Abstand halten und Maske tragen - das war besonders anstrengend, erzählt Klaus Kinner: "Denn in der Regel arbeiten wir körperlich." Auch die Kommunikation unter den Feuerwehrkollegen wurde anstrengender. Außerdem fielen zusätzliche Aufgaben an: Sie stellten Impfzelte auf, fuhren Corona-Tests an Kindergärten und Schulen aus und bauten kurzfristig das Hilfskrankenhaus in Dachau auf - ganz nebenbei, denn: "In dieser Zeit gab es natürlich genauso Unfälle und verletzte Personen", erzählt Kinner.
Auch bei der Dachauer Tafel kamen die Ehrenamtlichen an ihre Grenzen, denn die meisten sind über 65 Jahre alt, erzählt der zweite Vorsitzende der Tafel, Albert Sohleder, der gerade sein Hendl in Empfang genommen hat: "Viele hatten Angst vor einer Ansteckung und haben deshalb lieber nicht gearbeitet", also blieb nur noch ein kleiner Kern, der an den beiden Öffnungstagen Lebensmittel an Bedürftige ausgab: "Wir haben zum Teil zwei Tage von morgens bis abends durchgearbeitet." Und der Ansturm auf die Hilfseinrichtung steige, sagt der 68-jährige Sohleder: "Die Kunden werden noch mehr!" - seit Beginn der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs.
"Ich find's cool, dass wir etwas zur Herdenimmunität beigetragen haben"
Besonders ausgelassen und freundschaftlich geht es am Biertisch der Arzthelferinnen des Medizinischen Versorgungszentrums Dachau zu, an dem Duygu Aydin sitzt. Als die ersten Impfstoffe freigegeben wurden, begann sie zu impfen: "Die Patienten waren sehr dankbar dafür", erinnert sich die 24-Jährige. Zum Teil war das Impf-Team schichtweise bis in die Nacht im Einsatz: "Die ersten Monate hatte ich Angst, dass ich mich selbst infiziere", aber diese Angst habe sich gelegt, denn sie benutzte Desinfektionsmittel und einen Schutzanzug. Ihre Kollegin Bianca Rein fügt hinzu: "Ich find's cool, dass wir etwas zur Herdenimmunität beigetragen haben."
Bei all Helfern bedankte sich Landrat Löwl im Namen des Landkreises: "Eigentlich ist dieses Zelt viel zu klein, denn jeden hat Corona getroffen und jeder musste seine Leistung bringen". Mit diesem Abend wolle er denjenigen Danke sagen, die direkt geholfen haben. Nach Monaten voll harter Arbeit und großen Herausforderungen durften die Corona-Helden zu der Musik von "Ois Easy" dann endlich wieder feiern.