Mit der S-Bahn durch Dachau:Bitte nicht einatmen, Türen schließen

S-Bahn-Pendler

Als Pendler ist Anton Sedlmayr auf die S-Bahn angewiesen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Bahn hat ihren Fahrplan eingedampft. Für Berufspendler wie Anton Sedlmayr aus Röhrmoos ist das nicht nur ein Ärgernis, weil die Züge jetzt später fahren. Oft sind sie auch so voll, dass man Ansteckung fürchten muss

Von Andreas Förster, Dachau

Als Anton Sedlmayr Montagfrüh um 5.21 Uhr am Bahnhof Röhrmoos in die S2 Richtung München einstieg, schwante ihm nichts Gutes. Anfangs hatte er noch einen Einzelplatz, doch nach und nach stiegen immer mehr Menschen in den Kurzzug. Es wurde eng. "Ständig ging jemand an mir vorbei, einige husteten, manche niesten, ich fühlte mich einfach nur unwohl." Fast niemand trug einen Mundschutz. Normalerweise hätte der 51-Jährige die Bahn um 4.41 Uhr genommen, 40 Minuten früher. Ein Langzug. Doch der fährt nicht mehr. Es sind ja Corona-Zeiten. Und da ist alles anders.

Die Umstellung auf die Sommerzeit am Sonntag war gleichzeitig der Startschuss für den neuen "Corona-Fahrplan" der S-Bahn Bayern. Der beginnt nun ebenfalls fast eine Stunde später. Denn am Montag haben DB Regio und die S-Bahn München quasi alle Uhren auf Samstag gestellt. Das heißt für Pendler: Die erste S-Bahn des Tages fährt nicht mehr zwischen vier und fünf Uhr, sondern erst 40 Minuten später und danach im 20-Minuten-Takt. So wie sonst nur an Samstagen.

Die Bahn hatte die Maßnahme vorher angekündigt. Sie reagiere damit, wie auch schon eine Woche vorher, auf die veränderten Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) und der für Bayern zuständige Bahnvorstand Klaus-Dieter Josel hatten, ebenfalls am Freitag, in einem offiziellen Schreiben mitgeteilt, dass man im Freistaat das Angebot weiter reduzieren werde, "um eine stabile Grundversorgung sicherzustellen". Gleichzeitig appellierten die beiden an die Fahrgäste, nur mit der Bahn zu fahren, wenn es unbedingt notwendig sei, oder die Fahrt während der Rushhour auf eine andere Uhrzeit zu schieben. Wäre es der Bahn in Bayern also lieber, wenn die Fahrgäste, die feste Arbeitszeiten haben, auf andere Verkehrsmittel umstiegen? Zum Beispiel auf das Auto?

Anton Sedlmayr hat diese Variante schon in Betracht gezogen. Wie auch einige seiner Arbeitskollegen bei GKN Aerospace in Neuaubing. "Von meinen Freunden sind schon ein paar aufs Auto umgestiegen", versichert er. Dass die Bahn es darauf ankommen lässt, macht ihn wütend. Er selbst kann und will das nicht: "Meine Frau nutzt den Wagen, ich habe ein Jahres-Abo der Bahn. Mit der Isar-Card ab 9 Uhr darf ich bis 6 Uhr fahren." Das schafft er jetzt nicht mehr ganz und kommt auch noch zu spät in die Arbeit.

Für ihn hat die Fahrplanänderung nur Nachteile. Der schlimmste aber, betont Sedlmayr, sei die Enge im Zug. Die Abstandsregel von zwei Metern könne man kaum einhalte. Zumal viele Fahrgäste, er selbst eingeschlossen, hinten einsteigen, um in Laim den Anschlusszug auf dem anderen Bahngleis zu erwischen. "Da steht man zu zehnt vor der Waggontür - wie soll man da Abstand halten?"

Verkehrsministerin Schreyer weist in ihrer Bekanntmachung darauf hin, den Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten, sich im gesamten Zug zu verteilen und auf die Hygieneregeln zu achten. "Eine Kontrolle gibt es nicht", sagt Sedlmayr. Gäbe es sie, würde die Ministerin die Änderung vermutlich schleunigst revidieren. "Es gibt immer noch viele Menschen, die die ganz frühen S-Bahnen nehmen", weiß Sedlmayr, der die Strecke schon seit Jahren fährt.

In der Mitteilung des Verkehrsministeriums heißt es: "Auch in der aktuellen Situation ist es für viele relevante Berufsgruppen wichtig, den öffentlichen Nahverkehr nutzen zu können, um zur Arbeit zu kommen..." Das klingt, als würden bald nur noch systemrelevante Berufsgruppen - dazu zählen etwa medizinisches und Pflegepersonal oder Mitarbeiter im Einzelhandel - befördert werden, während der Rest - womöglich wegen einer Ausgangssperre - zuhause bleiben muss.

Weiter heißt es in der Mitteilung: "Das bayerische Verkehrsministerium, die Bayerische Eisenbahngesellschaft und die in Bayern tätigen Eisenbahnunternehmen befinden sich in engem Austausch, um ein stabiles und zuverlässiges Angebot mit ausreichenden Kapazitäten auf der Schiene zu gewährleisten."

Hier wird nun das aktuelle Dilemma der Bahn deutlich: Der Fahrplan muss stabil und berechenbar sein, er darf sich nicht dauernd ändern. Auch dann nicht, wenn beispielsweise mehrere Fahrer gleichzeitig krankheitsbedingt ausfallen. Eine Bahnsprecherin bestätigte auf Nachfrage: "Es ist wichtig, dass die Bahn und der ÖPNV mit einem planbar stabilen Grundangebot funktionieren - so gut und so lange wie möglich. Wir wollen gewährleisten, dass den Fahrgästen auch bei einem größeren Ausfall von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über einen längeren Zeitraum Verlässlichkeit geboten wird. Natürlich beobachten wir das Fahrgastaufkommen und die notwendigen Kapazitäten täglich und steuern gemeinsam mit den Besteller nach Möglichkeit nach."

Darauf hofft nun auch Anton Sedlmayr. Denn insbesondere bei der Heimfahrt mit der S2 am Nachmittag war an 1,5 Meter Abstand im Abteil nicht zu denken. "Wir saßen zu zweit auf der Bank. Was soll man machen? Es war nichts mehr frei." Auch die Gänge waren besetzt. Gegen eine Maskenpflicht hätte er nichts einzuwenden, wenn sich jeder daran hielte

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