Charakter-Design für die Augsburger Puppenkiste:Holzköpfe mit Seele

Die Augsburger Puppenkiste hat Charles Dickens' Weihnachtsgeschichte fürs Kino verfilmt. Entworfen hat die liebevoll gestalteten Figuren allesamt die junge Dachauerin Laura Mair-Kühnel. Zum Teil hat sie die Puppen auch selbst geschnitzt

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

An Scrooge habe sie am längsten geschnitzt, erzählt Laura Mair-Kühnel. Ebenezer Scrooge ist die Hauptfigur im neuen Weihnachtsfilm der Augsburger Puppenkiste, die 24-jährige Dachauerin entwarf die Puppen für den Film, sie schnitzte sie und verlieh ihnen ihren ganz eigenen Charakter. Genau das war die große Herausforderung an der Hauptfigur Scrooge: Der Film beruht auf der Erzählung von Charles Dickens' "Geister der Weihnacht", in der Scrooge ein geiziger Eigenbrötler ist, Weihnachten verabscheut und seine Mitarbeiter ausbeutet. Zur Weihnachtszeit erscheinen ihm dann jedoch drei Geister - die Geister der Weihnacht - die ihn eines besseren belehren. Scrooge erfährt innerhalb des Films einen Wandel: Anfangs grimmig, muss seine Figur später freundlich und glücklich wirken können. Scrooge taucht im Film außerdem in verschiedenen Gewändern auf, mal im Nachthemd, mal in Alltagskleidung. Hierfür schnitzte Mair-Kühnel zwei verschiedene Körper, der Kopf konnte für die Dreharbeiten also abgeschraubt und auf den zweiten Körper aufgesetzt werden. Sowieso muss jedes Körperteil der einzelnen Puppen separat geschnitzt werden, also Hände, Füße, Kopf und anschließend das Gerüst für den Körper. Bei mancher Figur entstanden während des Schnitzprozesses weitere Herausforderungen: Ein kleiner Hund begleitet die gesamte Geschichte, auch dieser war aufwendig in der Gestaltung. In einer Szene sitzt er mit Scrooge gemeinsam auf einem Kissen, muss also dementsprechend leicht sein. Um die Puppen spielen zu können, brauchen sie jedoch eine gewisse Schwere - hier musste die 24-jährige Puppenschnitzerin die perfekte Balance finden. Rund sechzig Arbeitsstunden nehme das Schnitzen einer Puppe in Anspruch, erklärt Mair-Kühnel. "Für die ersten Puppen habe ich allerdings etwas länger gebraucht - es war schließlich das erste Mal, dass ich eine Puppe geschnitzt habe", fügt sie hinzu.

Laura Mair-Kühnel hat in Berchtesgaden eine Ausbildung zur Holzbildhauerin gemacht, nun arbeitet sie als Puppenspielerin an der Augsburger Puppenkiste und übernimmt parallel handwerkliche und gestalterische Aufgaben für deren Produktionen. Am Anfang schnitzte und zeichnete sie vor allem in der Werkstatt der Puppenkiste, später konnte sie außerdem das Atelier einer Freundin nutzen und dort in Ruhe arbeiten. Den Auftrag für den Weihnachtsfilm hat sie im vergangenen Februar angenommen, im Mai mussten die Puppen fertig sein. Dazu las sie zunächst das Drehbuch, stellte sich die Charaktere vor und zeichnete die ersten Entwürfe für die Puppen. "Ich hatte kurze Vorgaben für die einzelnen Puppen, ein bis zwei Sätze pro Figur", erzählt die Puppenschnitzerin. Jede Figur entspringt einem Holzblock, der zunächst zugeschnitten wird und dann möglichst nah an der Skizze zu der jeweiligen Person geschnitzt wird. Die Skizzen zeichnete Mair-Kühnel bereits sehr genau, in Farbe und mit vielen Details. In diesem Prozess konnte sie die Personen frei und nach ihren Vorstellungen gestalten, blieb dabei einzig in Absprache mit ihrem Vorgesetzten und der Regisseurin des Films, Judith Gardener.

Diese habe den Film zu einem schönen Gesamtwerk gestaltet, lobt Laura Mair-Kühnel. "Musik, Sprecher, Bühnenbild und Puppen sind harmonisch und liebevoll zusammengefügt worden." All das erwecke das Weihnachtsgefühl, das sich die Zuschauer im Kinosaal wünschten. An den Kulissen der Inszenierung waren viele einzelne Kreative beteiligt, wie Laura Mair-Kühnel erklärt. Schließlich halfen zwei andere Puppenschnitzer mit, um alle Figuren rechtzeitig fertig zu bekommen. "Wir haben alles innerhalb von einem Jahr geschafft", erzählt sie.

Die ursprüngliche Erzählung des Stücks von Charles Dickens ist eine düstere Weihnachtsgeschichte, die sich auch mit Tod und Krankheit auseinandersetzt. Die Augsburger Puppenkiste adaptiert dies kindgerecht, wandelt das Ende etwas ab, sodass es ein richtiges Happy End gibt.

Sympathieträger des Films ist der kleine Timi, der schwerkranke Sohn eines Angestellten von Scrooge, in der ursprünglichen Erzählung spielt er keine allzu große Rolle. Die Geister der Weihnacht sind in dieser Inszenierung auch keine gruseligen Subjekte, sondern freundliche Gestalten. Eine traurige Geschichte zum Nachdenken bleibe es aber trotzdem, findet Laura Mair-Kühnel. Eine, die an die eigene Familie und die Hektik der Weihnachtstage denken lässt. Und dabei ganz nebenbei entpuppt, dass selbst der größte Holzkopf zur Weihnachtszeit wie ausgewechselt sein kann.

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