Süddeutsche Zeitung

Bunt und großformatig:Traumräume

New York, Paris, Dachau: Tadeusz Stupkas verfremdete Stadtansichten sind jetzt in der Hauptstelle der Sparkasse in Dachau zu sehen. Gewisse Ähnlichkeiten zum Kinofilm "Inception" sind kein Zufall.

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Ein Zufall, dass am selben Abend "Inception" im Fernsehen lief. In dem Oscar prämierten Hollywoodfilm dringt ein Agententeam in die Träume seiner Opfer ein und stiehlt wichtige Informationen aus ihrem Unterbewusstsein, auch um neue einzupflanzen. Zwei Stunden vorher hatte Tadeusz Stupka seine Ausstellung "Perspektiven" in der Sparkasse Dachau eröffnet mit Bildern, die von Leonardo DiCaprios manipulierten Träumen inspiriert sind.

Die Bilder aus der Serie "Spaces", in der es um die Überschneidung von Wahrnehmungs-, Raum- und Zeitebenen geht, sind aber nur ein kleiner Teil der umfangreichen Ausstellung mit Arbeiten des Dachauer Malers aus den vergangenen zehn Jahren. Ursprünglich war die Ausstellung in der Filiale in der Altstadt vorgesehen, wurde aber wegen der großen Bildformate in die Hauptstelle am Sparkassenplatz verlegt.

Tadeusz Stupka, der sein Atelier in der Hermann-Stockmann-Villa in unmittelbarer Nachbarschaft zum Geldinstitut unterhält, genoss die Aufmerksamkeit von hundert Besuchern. Mit seiner modischen, mit Farbflecken übersäten Jeans und dem grauen, nach hinten gebürsteten Haarschopf gibt er den Inbegriff des malenden Bohemiens. Gut gelaunt erklärte er seine Bilder. In Kabinetten formieren sie sich zu immer neuen perspektivischen Räumen.

Marketingleiter Christoph Zahn eröffnete die Ausstellung. Er bezeichnete die enorm farbkräftigen Stadtansichten und Architekturräume als "Entführung in eine andere Welt" und ermunterte das Publikum, sich in den bunten Bildwelten einen eigenen Interpretationsspielraum zu gestatten. Er sei stolz darauf, einen echten Stupka bei sich im Büro zu haben, so Zahn. Ralf Kaiser, ein Freund der Familie Stupka aus München, machte einen Exkurs in den Begriff Perspektive, von der eindimensionalen und flächigen Höhlenmalerei bis zur Entdeckung der Zentralperspektive in der Renaissance mit einem genau berechneten Fluchtpunkt. In Tadeusz Stupkas Bildern brechen sich die Perspektiven und es gibt mehrere Fluchtpunkte.

Die aus der Vogelschau dargestellten Stadtansichten kippen wie die Straßenzüge im Film "Inception" optisch nach vorne, nach hinten oder zur Seite und suggerieren damit mehrere Perspektiven zur selben Zeit. Die Figuren sind realistisch, aber im Bildgeschehen sonderbar versetzt und ähnlich wie in den Bildern von Neo Rauch voneinander isoliert. Damit bricht der Maler mit dem Bezug zur Realität und zu gewohnten Sichtweisen. Ralf Kaiser stellte deshalb am Beginn seiner Rede die Frage: "Sehen wir das, was wir erkennen, oder erkennen wir das, was wir sehen?" Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überschneiden sich zu erzählenden und rätselhaften Szenerien.

Neben den gemalten Traumräumen zeigt Tadeusz Stupka Arbeiten aus verschiedenen Zyklen, die sich alle mit verschiedenen Ebenen und der Verbindung von Spontanem und Durchdachtem beschäftigen. Er konstruiert rätselhafte panoramaartige Szenerien in kräftigen, bunten Farben. Oft malt er sich selbst zwischen die Figuren in den großen Panoramen, gleich zweimal im ersten Bild mit dem Titel "Trans/Inception" am Anfang der Ausstellung. Arbeiten aus der Serie "Cities" zeigen Impressionen von New York, Paris, Venedig, San Francisco, München und Dachau. Die Häuser tanzen über die Bildfläche, immer von weit oben gesehen wie bei Google Earth. Alles scheint verfremdet zu sein, obwohl die einzelnen Gebäude in architektonischer Präzision und stimmiger Perspektive dargestellt sind.

Dieser Effekt stellt sich durch die Verwendung multipler Fluchtpunkte ein. Stupka malt kein Abbild, sondern entdeckt hinter der Realität eine zweite Ebene. Realistische Szenen von der Dachauer Altstadt bekommen einen surrealen Aspekt. Die Häuser tauchen scherenschnittartig aus einem dichten, hellblauen Hintergrund auf. Stupka nennt sie "Dachau Blue". Der Blick in eine New Yorker Häuserschlucht kommt einer Farbexplosion gleich, die sich aus dem Mittelpunkt heraus auf die Gebäude und den breiten Boulevard ergießt. Ein Motiv aus Breslau mit unscharfen Konturen wie eine verwackelte Fotografie aus dem Jahr 2013 ist hingegen vollkommen statisch und erinnert an Gerhard Richters verschwommenen Mailänder Dom.

Dass der Schwerpunkt auf den Architekturen liegt, hat mit Stupkas Ausbildung zu tun. In seiner polnischen Heimat Breslau studierte er Architektur. 1984 emigrierte er nach Deutschland und arbeitete für verschiedene Architekturbüros. Zwei Stellwände mit Architekturzeichnungen belegen diesen Abschnitt seines Werdegangs. Seit 1996 arbeitet er als freischaffender Künstler und Architekt.

Natürlich fehlen auch nicht die lichtflirrenden Impressionen , die gerne in Dachauer Arztpraxen hängen: sonnige Aquarelle vom Laubengang im Dachauer Schlossgarten und vom Mühlbach mit der Altstadtkulisse.

Die Ausstellung ist bis 24. März in der Hauptstelle der Sparkasse Dachau, Sparkassenplatz 1, während der Schalteröffnungszeiten zu sehen.

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Quelle:
SZ vom 16.03.2015
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