Bundestagswahl:Wie Parteien um junge Wähler buhlen

Speed-Dating, Gimmicks, Videoclips: Mit ungewöhnlichen Mitteln versuchen die Nachwuchsorganisationen, Erstwähler an die Urne zu locken.

Von Christiane Bracht, Dachau

Noch ist der Wahlkampf nicht voll entflammt. Die Parteien überlegen und planen derzeit angestrengt in ihren Hinterstübchen, mit welchen Aktionen sie die Wähler von sich überzeugen können. In Zeiten von Politikverdrossenheit ist das keine leichte Aufgabe. Im Fokus der jungen Aktiven stehen vor allem diejenigen, die zum ersten Mal in ihrem Leben an die Urnen dürfen. In der Stadt Dachau sind es heuer ungefähr 1300.

"Sie zu motivieren, ist wichtig", sagt Markus Erhorn, Vorsitzender der Jungen Freien Wähler. Klar sei es ihm am liebsten, wenn die jungen Leute ihr Kreuz bei den Freien Wählern machen, aber noch wichtiger sei es, dass sie überhaupt von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machten. "Man muss sie überzeugen, dass es einen Unterschied macht, ob man wählt oder nicht", pflichtet ihm der stellvertretende Vorsitzende der Jungen Union (JU), Andreas Brandt, bei. Das Problem ist nämlich: Wenn die jungen Leute erst einmal ihre Stimmabgabe versäumt haben, ist es beim nächsten Mal um so schwieriger, sie davon zu überzeugen, an die Urne zu gehen. "Wenn man sie dagegen gleich beim ersten Mal für eine Partei begeistert, können sie eine Bindung entwickeln und bekommen das gute Gefühl mit - zum Beispiel, wenn man gemeinsam den Regierungswechsel schafft", sagt die Vorsitzende der Jungsozialisten (Jusos) Anja Güll grinsend. "Soll der Regierungswechsel dieses Mal glücken, sind die Erstwähler eine wichtige Zielgruppe", weiß sie. Anders als viele andere Wähler sind sie nämlich noch nicht so festgelegt. Es lohnt sich also für die Parteien, die 18- bis 22-Jährigen zu umwerben.

Aber wie macht man das am besten? Die Jungen Freien Wähler setzen auf den persönlichen Kontakt. Sie sprechen die Jugendlichen in den Vereinen und Organisationen, in denen sie selbst aktiv sind, einfach an, laden sie zu ihrem Stammtisch ein oder, wenn sie bestimmte Projekte haben, versuchen sie Interessierte zu finden, die mitmachen wollen. "Auf kommunaler Ebene ist es am leichtesten mitzugestalten. Hier sieht man auch am schnellsten die Vorteile der Demokratie", weiß Erhorn. Die Behauptung, dass die heutige Jugend nicht engagiert sei, hält er für ein Vorurteil. "Viele wollen nicht in eine Partei eintreten, aber sie haben ein Thema, das ihnen besonders am Herzen liegt und für das sie sich stark machen wollen." Also wer sich zum Beispiel nur dafür interessiert, dass in Dachau ein Skaterpark gebaut wird, darf trotzdem zum Stammtisch der Freien Wähler kommen und mitmachen. Oder wer sich nur dafür einsetzen will, dass es überall Jugendräte gibt, ist ebenfalls willkommen. Es werde auch niemand gezwungen deshalb Mitglied zu werden, verspricht Erhorn.

Bundestagswahl: Andreas Brandt, der stellvertretende Vorsitzende der Jungen Union.

Andreas Brandt, der stellvertretende Vorsitzende der Jungen Union.

(Foto: privat)

Hauptthema seiner Gruppierung im Bundestagswahlkampf ist es, die Kommunen zu stärken. "Viele Kompetenzen sollten möglichst weit unten angesiedelt werden", fordert der JFW-Vorsitzende. JU und Jusos haben da etwas handfestere Themen: Die Jungsozialisten wollen vor allem mit der Rentenpolitik punkten. Das hört sich zunächst merkwürdig an, fast wie eine Themaverfehlung. Aber: "Es betrifft uns auch", verteidigt die Juso-Vorsitzende Anja Güll die Idee. "Wir sind die nächste Generation." Klar, es gehe nicht darum, dass die Renten erhöht werden müssten, wenn die Jungsozialisten sich dem Thema annähern, sondern vielmehr darum, wie die jungen Leute genug verdienen können, um Eigentum zu erwerben und am Ende ihrer beruflichen Laufbahn eine Rente zu haben, mit der sie leben können. Auch die JU hat das Thema für sich erkannt, auch wenn es "nicht sexy" aussieht. "Wir müssen darauf aufmerksam machen", sagt der stellvertretende Kreisvorsitzende Andreas Brandt. Er weiß, dass sich viele Sorgen machen, weil sie nicht wissen, "was wir noch rauskriegen aus der Rentenkasse".

Anders als die Jusos hat der CSU-Nachwuchs sich thematisch aber noch nicht so ganz festgelegt, wo der Schwerpunkt im Wahlkampf liegen soll. Energiewende ist sicher ein Thema, das vor allem Brandt wichtig ist, "Innere Sicherheit und Migration" ist angesichts der vielen Anschläge in letzter Zeit permanent präsent und brennt auch deshalb vielen unter den Nägeln. Die Position der CSU dazu ist klar: Eine Obergrenze von maximal 200 000 Flüchtlingen fordert auch die JU Bayern. "Wir im Kreisverband Dachau sind damit nicht einverstanden", sagt Brandt. "Wir wollen keine starre Obergrenze, auch wenn die Zuwanderung geregelt und gesteuert werden muss. Sonst ist keine Integration möglich. Zumindest sieht das eine knappe Mehrheit hier so." Für Diskussionen ist also noch viel Luft. "Wir sind der Stachel im Fleisch der CSU", sagt Brandt stolz. Klar wird der Nachwuchs beim Plakatekleben helfen und Veranstaltungen mit Bundestagskandidatin Katrin Staffler mit vorbereiten, "aber wir wollen auch eigene Akzente setzen - auf unsere Weise."

Bundestagswahl: Markus Erhorn von den Jungen Freien Wählern.

Markus Erhorn von den Jungen Freien Wählern.

(Foto: Toni Heigl)

So hat die JU Dachau bereits eine Aktion im Freibad Ainhofen oder vielleicht auch am Karlsfelder See geplant. Zusammen mit ihrer Kandidatin wollen sie dorthin gehen, um mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Als Anreiz haben sie sich "lustige Gimmicks" ausgedacht, wie etwa Wasserbälle. "Ziel soll nicht unbedingt sein, dass die Leute zum CSU-Wählen angehalten werden. Wir wollen einfach versuchen, dass sie sich Gedanken machen und nachhaken, wenn sie beim Thema Wahl abblocken", sagt Brandt.

Eine andere Idee ist eine Art "Speed Dating" mit politischen Themen. An Tischen soll in kleinen Gruppen debattiert werden, immer eine bestimmte Zeit lang, dann geht man weiter zum nächsten Tisch und Thema. Das soll den Blick weiten und das Interesse der jungen Leute wecken. "Wenn man unter Gleichaltrigen ist, traut man sich vielleicht auch eher zu diskutieren, als wie wenn Berufspolitiker da sind", denkt Brandt. Das direkte Gespräch hält er für besonders wichtig, um die Erstwähler zur Politik zu animieren. Klar, haben alle Jungorganisatoren der Parteien Homepages und Facebook-Seiten. "Viele sehen uns, aber es klicken nur wenige drauf", sagt Brandt. "Wenn es ein halbes Prozent ist, sind es schon viele." Die Jusos planen deshalb eine Postkartenaktion zum Thema "Keine Angst vorm ersten Mal". Auf der Karte steht ein QR-Code. Wenn man den eingibt, kommt man auf ein Internetportal mit Videoclip. "Von allein kommen die Leute nicht auf die Seite, man muss sie hinlocken", weiß Güll.

Bundestagswahl: Anja Güll von den Jusos.

Anja Güll von den Jusos.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Auch die Jusos planen einige "ausgeflippte Aktionen", um Aufmerksamkeit zu erregen, was genau, will Güll aber noch nicht verraten. Die Jugend kann also gespannt sein. Sicher ist bislang nur, dass die Jusos Anfang September eine eigene Veranstaltung mit ihrem Kandidaten Michael Schrodi planen. Klar, die Jusos werden auch die SPD unterstützen. "Das ist dieses Mal viel leichter", freut sich Güll. Denn der Martin-Schulz-Hype hat nicht nur die SPD erfasst, er hat auch den Jusos sieben Neueintritte in kurzer Zeit beschert. Leute, die aktiv sein wollen. Und die Stimmung ist bei Jung und Alt sehr gut - das hilft auch, einander besser zu verstehen.

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