Bundestagswahl:Wahlkampfmodus im Landkreis Dachau

Mehr Briefwähler zur Bundestagswahl erwartet

Bis zur Bundestagswahl im Herbst sind es noch einige Monate. Die Parteien sind jedoch schon jetzt im Wahlkampfmodus - auch im Landkreis Dachau.

(Foto: dpa)

Die SPD befürchtet, dass sie es schwer haben wird, zweitstärkste Kraft im Landkreis zu bleiben. Die CSU hätte Annalena Baerbock lieber Markus Söder als Kandidaten entgegengesetzt. Die Grünen selbst schwelgen in Euphorie

Von Julia Putzger, Eva Waltl und Christiane Bracht, Dachau

Euphorie auf der einen, Zweifel auf der anderen Seite: Die Stimmung an der Basis der großen Parteien und damit die Ausgangslage für den Bundestagswahlkampf könnte unterschiedlicher nicht sein. Während die Grünen sich noch in Selbstherrlichkeit sonnen, scheint die SPD beinahe an einem Punkt angekommen zu sein, an dem es heißt: Bundestagswahlkampf? Ja, muss eben. Dazwischen: Die CSU. Nach der Nominierung des CDU-Manns Armin Laschet muss so mancher Parteitreuer sich erst mit dem Gedanken anfreunden, in diesem Wahlkampf wohl Plakate des unions-internen Konkurrenten aufzuhängen. Abgekapselt in ihrer jeweiligen Stimmungsblase sind dabei aber weder die Mitglieder von CSU noch SPD im Landkreis - stets wandert der neidvolle, gar ehrfürchtige Blick in Richtung der Grünen. Denn die, und das ist nicht erst seit den Erfolgen bei der vergangenen Kommunalwahl im Landkreis klar, sind ein ernst zu nehmender Gegner geworden.

Die Nominierung von Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin hat ihnen einen Mitgliederzuwachs beschert: Mehr als 2000 Anträge wurden in der vergangenen Woche gestellt, zwei davon auch im Landkreis Dachau. Während die Grünen bei der vergangenen Bundestagswahl nur sechststärkste Kraft mit 8,9 Prozent der Wählerstimmen wurden, wähnt Alexander Heisler, Kreisvorstand und Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Petershausen, seine Partei nun im Höhenflug: "Wenn wir so wie in den aktuellen Umfragen 16 bis 20 Prozent holen würden, wäre das richtig top", sagt Alexander Heisler. Größenwahn ist so eine Aussage längst nicht mehr. Spätestens seit den Landtagswahlen sind die Grünen ein ernst zu nehmender Gegenspieler von SPD und Union. 2018 wurden sie in Bayern bereits zweitstärkste Kraft, heuer in Baden-Württemberg gewannen sie die Wahlen.

SPD Kreisvorsitzender

Hubert Böck (SPD) sieht nur geringe Chancen für seine Partei.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

So ist die Stimmung an der Parteibasis erwartungsgemäß berauscht. Susanne Vedova (Grüne), die im vergangenen Jahr als Bürgermeisterkandidatin in Pfaffenhofen an der Glonn gegen Helmut Zech (CSU) antrat und immerhin fast ein Viertel der Stimmen holte, kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus: Ein "Schub" sei die Nominierung von Baerbock gewesen, die dem ganzen Ortsverband "viel Auftrieb und Motivation" gegeben habe, berichtet sie. Der Höhenflug der Grünen bestärke sie auch in der politischen Arbeit vor Ort, sagt Vedova: "Nach einem Jahr bin ich jetzt in der Realpolitik angekommen, und die ist leider eher enttäuschend. Aber der Erfolg von Baerbock gibt enormen Aufschwung." Trotzdem sei zu viel Euphorie fehl am Platz - sonst gebe es womöglich einen "Schulz-Effekt", erinnert sich die Gemeinderätin an die anfängliche Beliebtheit des SPD-Kanzlerkandidaten 2017 zurück.

Wohl nicht zuletzt deshalb verzichtete die SPD dieses Mal auf die große Euphorie, obwohl man sich schon seit geraumer Zeit einig war, wer in das Kanzlerrennen ziehen würde. Anke Drexler, stellvertretende Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Dachau, sieht in dieser Einigkeit eine große Stärke der Partei. Olaf Scholz sei, so betont sie, ein "sehr guter Kandidat mit viel Erfahrung und vielen Kompetenzen". Auch Hubert Böck, Vorstand des SPD-Ortsvereins Markt Indersdorf, befürwortet die Wahl: "Scholz macht es gut. Er kennt sich aus und sein Auftreten ist mit Sicherheit verbunden." Auch bei Scholz' jüngsten Befragungen im Untersuchungsausschuss zum Thema Wirecard steht der Ortsverband Dachau hinter ihrem Kandidaten: "Es ist nachvollziehbar, dass das Thema und Scholz' Rolle gut aufgearbeitet werden muss", erklärt Drexler. Dennoch sei sie "zuversichtlich, dass er die richtigen Entscheidungen getroffen" habe.

Susanne Vedova Grüne Pfaffenhofen Bürgermeisterkandidatin

Susanne Vedova (Grüne) zieht euphorisch in den Wahlkampf.

(Foto: Horst Kramer)

Drexler begrüßt auch die überparteilichen Entwicklungen: Es sei spannend, sagt sie, wenn auch leicht ironisch, dass nun "endlich alle wissen, wer für sie antritt". Eine Anspielung auf CSU und die Grünen, die nicht ganz unbegründet ist. Drexler setzt auf den Wahlkampf: "Die SPD kann Wahlkampf, und das werden wir auch machen." Eines der großen Themen sei weiterhin Corona. "Die Hilfen für den Einzelhandel sind kommunal sehr wichtig für die Unternehmen. Die SPD bringt sehr gute Impulse, was die Arbeitsmarktpolitik betrifft", erinnert Anke Drexler, und auch die sozialen Kompetenzen will die Partei weiterhin stärker im Blick behalten. Ein Thema, welches der stellvertretenden Vorsitzenden selbst besonders am Herzen liegt, ist der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung auch im Grundschulalter: "Ich hoffe, dass es weiter umgesetzt wird." Auch Böck betont, die Wichtigkeit der sozialen Bereiche, in die man "mehr investieren" müsse. Mit Blick auf die Bundestagswahl im September fällt Hubert Böcks Urteil schlussendlich aber eher ernüchternd aus: "Es sieht aktuell nicht so aus, als würde die SPD den Kanzler stellen", sagt Böck, der bei der Kommunalwahl 2020 als Landrat kandidierte. Dennoch könne er sich gut vorstellen, dass SPD und Grüne mit einer weiteren dritten Partei die Regierung stellen und so "ein frischer Wind einzieht und das Konservative der vergangenen Jahre vertreibt".

In der CSU hätte man es schon gern gesehen, wenn Markus Söder Kanzlerkandidat geworden wäre. "Es ist unheimlich schade, dass er nicht antritt", sagt Wolfgang Winkler, der Karlsfelder Ortsvorsitzende. Emmi Westermeier, CSU-Kreisrätin aus Weichs, ist zwar keine glühende Söder-Verehrerin - "er ist ein Wadlbeißer, ein Machtmensch, nicht meine Wellenlänge" - ist sich aber trotzdem sicher, dass Markus Söder in Bayern besser hätte motivieren können und dass er für die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock die stärkere Konkurrenz gewesen wäre. "Er hat klare Ziele", sagt sie. Von Armin Laschet dagegen weiß sie noch nicht recht, was sie von ihm halten soll. "Er ist so weit weg, aber er hat der SPD das Amt abgenommen in Nordrhein-Westfalen. Das heißt, er hat Potenzial." Dennoch fürchtet Westermeier, dass die Grünen an die Macht kommen könnten: "Da wird mir angst und bang", sagt sie. Die Kreisbäuerin traut der Partei einfach nicht zu, dass sie für die Wirtschaft die Weichen richtig stellt. Außerdem ist sie in Sorge um die Landwirtschaft, wenn die Grünen ihre Umweltideen durchsetzen würden. Umwelt und Ernährung werde wohl auch ein Hauptthema im Wahlkampf werden, prophezeit sie.

CSU Mitarbeiter Portraits; CSU Karlsfeld

Der Groll über die Nominierung der Union bei Wolfgang Winkler (CSU) ist noch nicht verflogen.

(Foto: Sebastian Widmann)

Wolfgang Winkler sieht die Grünen ebenfalls als starke Konkurrenz: "Die SPD ist ziemlich abgerutscht und hat keinen starken Kandidaten, die Grünen haben dagegen immer mehr Zuspruch bekommen. Da wird's spannend", sagt er. Auch wenn er nicht glaubt, dass Baerbock am Ende die Nase vorne haben wird. Er ist zuversichtlich, dass die CDU/CSU stärkste Kraft wird. "35 Prozent sollten schon drin sein", meint Winkler. Dass die Umfragewerte derzeit im Keller sind, sei nur vorübergehend wegen des Streits, der "anders wahrgenommen wird, als er ist". Emmi Westermeier ist nicht ganz so zuversichtlich, aber sie hofft auch auf 30 Prozent. "Es ist entscheidend, dass wir jetzt alle Kräfte bündeln, um ein Gegengewicht zu den Grünen zu bilden. Söder darf nicht länger nachtarocken. Das missfällt mir", sagt sie. Man müsse nun anfangen mit Argumenten zu punkten, nicht mit Streitereien. Klar ist für sie: "Es wird schwierig."

Eine schwarz-grüne Koalition wollen sich beide lieber nicht vorstellen. "Eine andere Konstellation wäre wünschenswert", sagt Winkler. Aber wenn es keine andere Mehrheit gebe, werde man das Experiment wagen.

Zur SZ-Startseite
Architekturpreis

Siegerentwurf im Ideenwettbewerb
:"Ein Glücksfall für Hebertshausen"

Allmählich zeichnet sich ab, wie das 26 Hektar große Areal zwischen Amperschleife und Alter Holzschleiferei einmal aussehen wird. Münchner Architekten haben mit ihrem Entwurf den Ideenwettbewerb gewonnen. Sie planen etwa, den Mühlbach freizulegen. Die Jury ist begeistert

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: