Bundestagswahl im Landkreis Dachau:"Als Politikerin ist man eine Hassperson"

Schrodi
Wahlplakate beschädigt

Ein Wahlplakat der SPD, das für den Bundestagsabgeordneten Michael Schrodi wirbt, wurde beschädigt.

(Foto: oh)

Die drei Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler, Beate Walter-Rosenheimer und Michael Schrodi werden immer wieder persönlich, am Telefon oder in E-Mails beschimpft. Einschüchtern wollen sie sich nicht lassen, sehen aber eine Gefahr für die Demokratie.

Von Gerhard Eisenkolb, Dachau

Hassmails, Schmähpost, Beschimpfungen am Telefon und auf der Straße im Umkreis des Reichstagsgebäudes in Berlin und gelegentlich im Wahlkreis gehören inzwischen zum Alltag der drei Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler (CSU), Beate Walter-Rosenheimer (Grüne) und Michael Schrodi (SPD). Sie werden regelmäßig bedroht. Das haben alle drei Parlamentarier auf SZ-Anfrage bestätigt. Die Politiker sprechen über dieses Thema, weil sie überzeugt sind, dass diese Attacken von Querdenkern und Corona-Leugnern sowie von Rechtsextremen vor allem ein Angriff auf die Demokratie und ihr Abgeordnetenmandat sind. Als schockierend bezeichnen es alle drei, dass die Bedrohungen nicht nur zahlenmäßig mit der Corona-Pandemie stark zugenommen haben, sondern sich auch die Tonlage der Schmähungen und Beleidigungen verschärft hat und die Vorwürfe konkreter geworden sind.

So verweist Staffler darauf, dass die Polizei die Abgeordneten während der Beratung der bundeseinheitlichen Corona-Notbremse im April gebeten hat, den Reichstag und die dazu gehörenden Gebäude nicht zu verlassen, weil sie nicht für deren Sicherheit garantieren konnte. So etwas stimme nachdenklich. Als sein bedrohlichstes Erlebnis bezeichnet Schrodi einen acht Minuten dauernden Fußweg während einer Demonstration von Corona-Querdenkern von seinem Berliner Abgeordnetenbüro zum Reichstag. Obwohl er das Wort Spießrutenlauf nicht gebraucht, ähnelt seine Beschreibung dieses Erlebnisses einer solchen Situation. Ein Mann habe ihm im Landkreis schon mal unverhohlen damit gedroht, "man werde sich mal in Olching über den Weg laufen". Kürzlich sei er beim Aufhängen von Wahlplakaten aus einem fahrenden Auto heraus wüst beschimpft worden.

Da die Bedrohungen eher verklausuliert und anonym ausgesprochen werden sowie meist als nicht justiziabel gelten, hat noch keiner der drei Landkreis-Politiker wegen eines solchen Vorfalls Anzeige erstattet. Die Aussichten auf einen Erfolg seien zu gering, sagt Schrodi. Aussagen wie: "Passen Sie auf, wenn Sie auf die Straße gehen", oder: "Euch erwische ich schon", oder: "Ich weiß, wo du wohnst und dass du fünf Kinder hast", gelten als versteckte Androhungen von Gewalt, die alle drei Abgeordneten schon gehört haben. "Als Politikerin ist man eine Hassperson", fasst Walter-Rosenheimer die Entwicklung der vergangenen Jahre zusammen. Vor dem Parlament werde man abgefangen und beschimpft, wie regelmäßig am Ausgang des Reichstags, an dem Abgeordnete auf die Fahrzeuge des Bundestagsfahrdiensts warten. Und sie ergänzt: "Wenn Politiker ständig schlecht gemacht werden, folgen den Worten irgendwann Taten."

"Die Leute wollen nicht diskutieren", sagt Staffler. "Sie kommen mit Bedrohungen und Beschimpfungen, nur weil man anderer Meinung ist als sie." Gerade weil es darum gehe, auf diese Weise gewählte Volksvertreter einzuschüchtern, versucht die Christsoziale, solche Vorfälle nicht persönlich zu nehmen. Um zu verhindern, dass die Demokratie Schaden nimmt, hält sie es für ihre Pflicht, sich einer solchen Entwicklung entgegenzustellen und zu vermitteln, dass es nicht hingenommen wird, das Grundrecht der Meinungsfreiheit und damit die Grundlage der Debattenkultur auszuhebeln. Als abschreckendes Beispiel bezeichnet Staffler den Wahlkampf des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump. Dessen Versuch, die Werte der amerikanischen Demokratie zu pulverisieren, habe sie zum Weinen gebracht.

Da Vorhaltungen wie die, alle Politiker seien Lügner, die das Volk betrögen, nicht stimmten, fühlt sich Walter-Rosenheimer davon weder persönlich angesprochen noch eingeschüchtert. Die Psychologin versucht so etwas "professionell abzuspalten" und als Ansporn zu verstehen, weiterzumachen. Als "unerschütterliche Optimistin, was die Demokratie angeht" gibt sich die Grüne überzeugt: "Wir werden das schon schaffen." Nur müsse man dafür etwas tun, da gerade eine Demokratie nichts sei, was sich von selbst erfülle. Um zu ergänzen, es genüge vielleicht nicht, einfach so weiterzumachen wie in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Wegen der Anschläge auf Abgeordnetenbüros ist Walter-Rosenheimer einerseits froh, dass sie ihr Wahlkreisbüro vor einem halben Jahr von einem ehemaligen Laden mit großen Schaufenstern und einer immer offenen Tür in ein nicht mehr einsehbares Gemeinschaftsbüro verlegt hat. Andererseits stimme es sie auch traurig, dass man denke, ein solcher Rückzug aus dem öffentlichen Leben sei die bessere Lösung.

Gerade wegen der Verfolgung der Sozialdemokraten durch die Nationalsozialisten sieht Schrodi seine Partei in der Pflicht, die aktuellen Bedrohungen von Staatsorganen durch Rechte nicht hinzunehmen. Wie sehr die AfD die Demokratie ablehne, hätten deren Abgeordnete gezeigt, als sie Rechtsradikale und Feinde der Demokratie ins Reichstagsgebäude geschleust haben. Widerstand zu leisten, bezeichnet Schrodi als historische Aufgabe der SPD und beteuert: "Wir haben nie zurückgesteckt."

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