Bürgerversammlung:Ruhestörung im Fünfminutentakt

Der öffentliche Nahverkehr soll Karlsfelds Straßen entlasten. Anlieger, an deren Haus jetzt schon täglich rund 230 Busse vorbeifahren, äußern sich kritisch

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Des einen Freud, des anderen Leid: Über die neue Linie 160, die Karlsfeld mit Pasing verbindet, scheiden sich die Geister. Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) ist glücklich, dass der Landkreis Dachau dafür eine sechsstellige Summe investiert hat. Endlich seien die Wohngebiete westlich der Bahn an den Hauptort angeschlossen, sagte er in der Bürgerversammlung. Doch nicht alle sahen diesen Vorteil.

"Viele nutzen ihn nicht, weil sie keine Sightseeingtour durch die Gartenstraße brauchen", monierte ein Anwohner aus dem Gebiet westlich der Bahn. Jutta Fischer ging sogar noch weiter. Der dichte Verkehr in Karlsfeld regt sie auf, vor allem aber der öffentliche Nahverkehr. So beschwerte sie sich über die vielen Fahrzeuge, die jeden Tag an ihrem Fenster vorbeibrausten. "Die 30er-Zone wird nicht beachtet", klagte die Anwohnerin der Gartenstraße. Am meisten störten die Busse. Zu den täglich 228 Busfahrten kämen nun durch die Linie 160 auch noch weitere 70 dazu, und der Bus sei immer leer, monierte sie. Am schlimmsten sei jedoch die neue Nachtlinie. "Ich würde es wirklich begrüßen, wenn die Anwohner in die Entscheidungen miteinbezogen würden und informiert würden, wie die Fahrgastzahlen wirklich sind", forderte Fischer. Bürgermeister Stefan Kolbe bat um Geduld: "Der Bus fährt erst seit Dezember. Es dauert eine Zeit, bis er angenommen wird. Bei der Linie 172 war das auch so. Jetzt ist sie der Renner", gab er zu bedenken. Inzwischen fährt der 172er teilweise sogar im Zehnminutentakt. Die Verbindung nach Pasing sei ein großes Glück für Karlsfeld, versuchte Kolbe ihr klar zu machen. "Wenn die S-Bahn ausfällt, kann man jetzt auch mit dem Bus nach Hause fahren. Für die Allgemeinheit bringt dies eine Verbesserung, auch wenn einzelne belastet werden", gab der Bürgermeister zu verstehen. Heuer will die Gemeinde die Haltestellen an der neuen Linie 160 für 480 000 Euro ausbauen. Viel zu viel Geld, befand Fischer sogleich. Denn der Bus ist die nächsten drei Jahre im Probebetrieb. Wenn er sich nicht bewähre, sei das Geld vergeudet, so Fischer. In den nächsten Jahren sollen alle Bushaltestellen barrierefrei ausgebaut werden. Sie forderte, dass die Gemeinde sich dieses Themas noch einmal annehmen solle und zwar vor Ablauf der Probezeit. "Und warum müssen alle durch die Engstelle am Kiem-Pauli-Weg fahren?", fragte sie.

Bürgerversammlung: Fabian Fonda hofft auf die Bebauung des alten Eon-Geländes.

Fabian Fonda hofft auf die Bebauung des alten Eon-Geländes.

(Foto: Toni Heigl)

Neben dem Verkehr bewegt die Karlsfelder auch die vielen Baustellen. Besonders die große Brache auf dem alten Eon-Gelände. "Wann wird dort weiter gebaut?", wollte Fabian Konda wissen. Doch Bürgermeister Kolbe musste die Antwort offenlassen. "Momentan ist Funkstille. Ich höre nichts von der Erlbau-Gruppe. Da wird vermutlich gezockt", erklärte er. Der Investor habe das Gelände gekauft und das betreute Wohnen errichtet, das ist sein Kerngeschäft. Für die restliche Fläche habe er weitere 300 Wohnungen gefordert, doch die Gemeinde bleibe dabei: Dort soll Gewerbe angesiedelt werden. "Der Betreiber eines Einzelhandels wartet seit Monaten darauf, dass dort endlich gebaut wird", sagte Kolbe. "Das Areal schreit regelrecht nach Gewerbe." "Ich hoffe, dass Sie dabei bleiben. Ich suche Büroräume", sagte Konda.

Bürgerversammlung: Jutta Fischer ist verärgert über die Busse, die täglich an ihrer Haustür vorbei fahren.

Jutta Fischer ist verärgert über die Busse, die täglich an ihrer Haustür vorbei fahren.

(Foto: Toni Heigl)

Kolbe erinnerte, dass die Gemeinde nur 7,3 Millionen Euro Gewerbesteuer einnehme, aber deutlich höhere Ausgaben habe, vor allem für Kinderbetreuung und Schulhäuser. "Da müssen wir uns besser aufstellen." Und dieses Gelände sei eine Möglichkeit, Gewerbebetriebe anzulocken, die die Gemeinde auch ausschöpfen müsse. Die Gemeinde wird sich noch in diesem Jahr hoch verschulden müssen. Bislang waren die Schulden mit etwa 6,7 Millionen Euro überschaubar, doch jetzt muss Karlsfeld einen Kredit aufnehmen, vor allem um den Neubau der Grundschule an der Krenmoosstraße schultern zu können. Ende des Jahres wird das Minus dann bei mehr als 21 Millionen Euro liegen.

Die sechszügige Grundschule inklusive Dreifachturnhalle, deren Bau Anfang Juli beginnt, schlägt mit insgesamt rund 34 Millionen Euro zu Buche. Außerdem wird noch dieses Jahr die Kindertagesstätte westlich der Bahn für 1,25 Millionen Euro (Restkosten) fertiggestellt und ein neues Fußballfeld, sowie ein zweiter Kunstrasenplatz für den TSV Eintracht Karlsfeld kosten die Gemeinde rund 900 000 Euro. Der Ausbau der Krenmoosstraße soll erst im Frühjahr 2019 beginnen, 1,3 Millionen Euro sind dafür veranschlagt. Und für die Wasserversorgung der Karlsfelder sind auch Investitionen nötig. So wird gerade der Tiefbrunnen zwei für 1,4 Millionen Euro saniert, auch neue Anschlüsse sind mit etwa 480 000 Euro ein Kostenfaktor. Hinzu kommt die Kinderbetreuung, die jedes Jahr mit sechs Millionen Euro zu Buche schlägt. Zudem hat Kolbe heuer bereits fünf neue Mitarbeiter begrüßt. Insgesamt beschäftigt die Gemeinde nun 213 Angestellte. Die Zeichen stehen eben auf Wachstum - nicht nur hinsichtlich der Einwohnerzahl.

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