Bürgerversammlung Dachau-Ost:Noch mehr Verkehr und Lärm

Die Bewohner von Dachau-Ost sind erzürnt. Die Planungen auf MD- und Seeber-Gelände machen ihnen Sorgen, ebenso das Chaos an der Kreuzung von Schleißheimer- mit Bajuwarenstraße. Die Gruppierung "Wir" konfrontiert den Oberbürgermeister mit kritischen Fragen

Von Petra Schafflik, Dachau

Ein vollbesetzter Adolf-Hölzel-Saal, zahlreiche Wortmeldungen, intensive Diskussionen: Die Bürgerversammlung in Dachau-Ost war am Mittwochabend nicht nur die letzte von insgesamt fünf Informationsveranstaltungen für die Stadtteile, sondern auch die lebhafteste. Nach dem Bericht von Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) und einem Blick in die Unfall- und Kriminalstatistik des Landkreises mit Dachaus Polizeichef Thomas Rauscher debattierten gut 80 Bürger engagiert und ausdauernd bis kurz vor 23 Uhr über zukunftsentscheidende Themen ebenso wie über kleine Ärgernisse des Alltags. Im Mittelpunkt stand wie schon in den Vorjahren die im Stadtteil bereits jetzt hohe Verkehrsbelastung, die mit den in Dachau geplanten Wohn- und Gewerbeprojekten weiter zunehmen wird. Die Bürger fürchten Dauerstau, Lärm und Schadstoffbelastung. Und den Verlust von Lebensqualität zugunsten eines Wachstums, das sie gar nicht wollen. OB Hartmann sagte: "Lebensqualität ist das Wichtigste." Doch werde es notwendig, das Mobilitätsverhalten zu ändern und Wege in der Stadt zu Fuß, per Rad oder öffentlichem Nahverkehr zurückzulegen.

Die Entwicklung des MD-Geländes werde nicht nur die Stadt prägen, sondern auch Verkehrs- und Infrastruktur "auf den Prüfstand stellen", sagte Gerd Häcker. Der Dachauer ist in der politischen Gruppierung "Wir" aktiv. Diese hatte jüngst ihre Sorgen öffentlich gemacht, dass der Hauptaktionär der Isaria AG, die das MD-Gelände innehat, der stark gewinnorientierte Lone Star Funds ist. Vom OB forderte Häcker, den Bürgern zu erläutern, wer hinter der Isaria AG stehe. "Niemand muss sich Sorgen machen, dass die Interessen der Stadt nicht gewahrt bleiben", sagte Hartmann, nachdem er die Information gegeben hatte. Die Dachauer Grundsätze der Baulandentwicklung würden gelten, so dass der Investor einen Infrastrukturbeitrag zahlen und geförderten Wohnungsbau auf 30 Prozent der Wohnfläche ermöglichen müsse. Und wenn sich die Ziele des Investors nicht mit denen der Stadt deckten, "kann er Kartoffeln anbauen". Denn "das Baurecht gibt die Stadt".

Bürgerversammlung Ost

Die Bürger zeigen ihre Unzufriedenheit deutlich - vor allem was den Verkehr angeht.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Allerdings habe die Stadt in Sachen Seeber-Gelände nicht den Einfluss auf den Bebauungsplan genommen, den sich die Bürger gewünscht hätten, monierte Gerhard Schlabschi. Der Sprecher der Bürgerinitiative Dachau-Ost, die sich für eine maßvollere und verträglichere Nutzung des künftigen Seeber-Gewerbegebiets südlich der Schleißheimer Straße einsetzt, beklagte, dass aus dem Gelände "das Maximum herausgeholt wurde". Konkret wollte Schlabschi nun wissen, wie die absehbaren Verkehrsprobleme an der Kreuzung Alte-Römer-/ Schleißheimer-/ Bajuwarenstraße gelöst werden sollen. Die maximale Bebauung des Geländes sei "klarer Wille des Stadtrats" mit dem Ziel, so wenig Fläche wie möglich zu versiegeln, erklärte der OB. Auch sei allen bewusst, dass dadurch weitere Verkehrsbelastungen entstünden. Gutachten sprächen von täglich 3800 Fahrzeugen zusätzlich. Aktuell werde die fragliche Kreuzung mit einer neuen Ampelschaltung ertüchtigt. Ein Planungsbüro sei beauftragt, Lösungsvorschläge für die Zukunft zu erarbeiten. Ein leistungsfähiger "Turbokreisel", bei dem Fußgänger und Radler auf einer zweiten Ebene geführt werden, könne eine Lösung sein. Allerdings überzeugte Hartmann nicht alle Bürger.

Die Durchgangsstraßen in Dachau-Ost seien jetzt schon überlastet, "die Kreuzung wird zusammenbrechen", prognostizierte Markus Witte. Zumal das bestehende Industriegebiet noch ausgebaut werden soll. Der ebenfalls in der politischen Gruppierung "Wir" aktive Witte fürchtet, "Dachau-Ost wird im Verkehrschaos ersticken." OB Hartmann erläuterte die Bedeutung der Gewerbesteuer für den städtischen Haushalt. Sie sei nötig "um alles zu finanzieren vom Hallenbad bis zu den Grünflächen, was Lebensqualität ausmacht." In Sachen Verkehrsbelastung laufe eine Schadstoffmessung, ein Luftgutachten liege vor, "damit wir mit der Bebauung reagieren können". Gerne hätte er auch einen Lärmaktionsplan auf den Weg gebracht, der ein Lkw-Durchfahrtsverbot möglich gemacht hätte. Doch das habe bekanntlich der Stadtrat abgelehnt.

Bürgerversammlung Ost

Oberbürgermeister Florian Hartmann muss in Dachau-Ost Rede und Antwort stehen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

"Dann brauchen wir einen andern Stadtrat", kam prompt ein Zwischenruf aus dem Saal. Einige Wortmeldungen später beklagte eine Schülermutter, dass Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Grundschule kutschieren, die Straße verstopfen und die Sicherheit der Fußgänger, besonders der Kleinsten, gefährden. Das beste Beispiel für eine Ursache der Verkehrsbelastung in Dachau, findet der OB. "Wir verstopfen unsere Stadt selbst."

Es gibt aber auch viele kleine Ärgernisse, wie hohe Bordsteine und steinige Pflasterwege, die behinderten Bürgern Sorgen bereiten, so Thomas Heckenstaller. Oder Pizzakartons und Trinkbecher, die massenweise in der neu hergerichteten Thiemann-Anlage herumliegen, beklagte Angelika Zotz.

Mehr Informationen zur geplanten Wohnanlage für Flüchtlinge an der Ecke Theodor-Heuss-/Schleißheimer Straße wünscht sich Anwohner Manfred Sulzmann. Vom staatlichen Bauamt Freising als Bauherrn habe die Stadt noch keine Rückmeldung zur im Dezember verschickten Stellungnahme, informierte der OB. "Der Baubeginn ist uns nicht bekannt." Über Straßenschäden in der Schleißheimer Straße klagte ein Bürger. Eine Anwohnerin der Jakob-Kaiser-Straße schimpfte über abendliche Lagerfeuer am Spielplatz. Angelika Zotz ärgern nächtliche Autorennen auf der Sudetenlandstraße.

Unruhige Nächte gehören auch zum Alltag für Dieter Punzert, seit das ehemalige Hotel Götz in der Pollnstraße als Arbeiterwohnheim genutzt wird. Die Lebensqualität in der Nachbarschaft sei dahin, so Punzert. Der Tag beginne um 4.30 Uhr mit laufenden Automotoren und Gehupe, abends werde bis in die Nacht im Hof lautstark gestritten und telefoniert. Polizeieinsätze hätten nur kurzfristig Wirkung gezeigt. "An ein normales Leben ist nicht zu denken." OB Hartmann sagte Unterstützung zu per Baukontrolle und Stellplatzordnung. "Diese Zustände sind nicht tragbar."

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