Bürgerforum "Zwischen Dorf und Metropole":Bewahren statt entwickeln

"Eine Lawine rollt auf uns zu": Der Siedlungsdruck aus München trifft auch den westlichen Landkreis, die Politik muss reagieren. Doch die Bürgern wollen die ländliche Idylle nicht opfern.

Renate Zauscher

Immer wieder versucht Professor Holger Magel, Siedlungsexperte von der Technischen Universität München, zu provozieren, um doch noch der ein oder anderen Sache, die als Problem empfunden wird, auf die Spur zu kommen. Aber schließlich lenkt er auf dem ersten von vier Bürgerforen über die Zukunft des Landkreises in Bergkirchen ein und sagt zu den Teilnehmern: "Sie sind auf recht hohem Niveau zufrieden."

Bürgerforum "Zwischen Dorf und Metropole": Die Luftaufnahme des Gewerbegebiets an der Autobahn A8 zeigt, dass auch die sogenannten Hinterlandgemeinden längst keine idyllischen Bauerndörfer mehr sind - aber auch, dass es noch viel unverbaute schöne Landschaft gibt, die es zu erhalten gilt.

Die Luftaufnahme des Gewerbegebiets an der Autobahn A8 zeigt, dass auch die sogenannten Hinterlandgemeinden längst keine idyllischen Bauerndörfer mehr sind - aber auch, dass es noch viel unverbaute schöne Landschaft gibt, die es zu erhalten gilt.

(Foto: npj)

In vier Arbeitsgruppen zu verschiedenen Aspekten ihres Lebens sollten die Besucher in der Maisachhalle - unter ihnen viele Mandatsträger aus Bergkirchen, Sulzemoos, Odelzhausen und Pfaffenhofen, mithin des westlichen Landkreises - ihre Meinungen einbringen. "Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen unserer Kommune und vor welchen Herausforderungen stehen wir?", wurden sie gefragt. Das Spektrum der Antworten - die meisten von Bürgern aus dem Raum Bergkirchen - war breit.

So vermisst man etwa in Bergkirchen oder auch in Sulzemoos niedergelassene Ärzte, in Odelzhausen, Pfaffenhofen und Sulzemoos wünscht man sich ein besseres Angebot im öffentlichen Personennahverkehr, klagt über zunehmenden Lkw-Verkehr auch auf den Landstraßen oder über Autobahnlärm. Als Gefahren wurden drohende "Zersiedelung", die Auswirkung des Siedlungsdrucks auf die Landwirtschaft oder steigende Bodenpreise genannt.

Deutlich stärker aber als Kritik oder das Bewusstsein, vor großen Herausforderungen zu stehen, ist jedoch der Wunsch, Vorhandenes zu bewahren: das Eingebundensein in Vereine, das Miteinander in überschaubaren Dorfgemeinschaften oder die guten Freizeitmöglichkeiten, wie es sie beispielsweise im Raum Bergkirchen gibt.

Die vielen Pluspunkte der Region, die Gruppensprecher wie Andreas Stürmer oder Thomas Heitmair aus Bergkirchen aufzählen, klingen für Professor Magel allzu idyllisch. Es gehe den Menschen im westlichen Landkreis ganz offensichtlich nicht um "Entwicklung" oder "Ordnung" als vielmehr um "Sicherung" des Erreichten, fasst er seine Eindrücke zuletzt zusammen.

Aber München wächst, das ist das Problem, das auf das Umland zukommt. Die Reserven an Wohnbauland und Gewerbeflächen in der Landeshauptstadt gehen zu Ende. Entsprechend stark nimmt der Druck auf das Münchner Umland zu, wo Bauland bisher immer noch zu vergleichsweise moderaten Preisen zu haben ist. Wie will sich der in weiten Teilen ländlich geprägte Landkreis Dachau gegenüber der Großstadt München positionieren? Dies ist die Kernfrage, die sich das Projekt "Siedlungsentwicklung zwischen Dorf und Metropole" stellt.

Nach einer ersten "Mandatsträgerkonferenz", zu der Bürgermeister, Kreis-, Gemeinde- und Stadträte eingeladen waren, wurden jetzt erstmals auch die Bürger nach ihrer Meinung befragt. Am Mittwoch fand in Bergkirchen das erste "Bürgerforum" für den Teilraum 4, den Bereich der Autobahngemeinden Pfaffenhofen, Odelzhausen, Sulzemoos und Bergkirchen, statt.

Als "großen Bruder" bezeichnete der Bergkirchner Bürgermeister Simon Landmann (CSU) die Landeshauptstadt. Als einen "Bruder" allerdings, der nicht immer brüderlich mit seinen "Geschwistern" im Umland umgehe. "Was hört man zu den Themen zweiter S-Bahn-Tunnel, Südumgehung, Feinstaub?", fragte Landmann in die Runde der zirka 60 Anwesenden in der Maisachhalle und gab sich selbst die Antwort: "Nichts - und wir sind die Betroffenen". Von der Notwendigkeit, "unsere Stärken und Interessen zu bündeln, weil sonst eine Lawine auf uns zurollt", sprach Heinz Eichinger, der Vorsitzende von Dachau Agil, der das Projekt maßgeblich mit angestoßen hatte. Der Landkreis, so Eichinger, müsse sich "fit machen für die Zukunft".

Wie aber soll diese Zukunft aussehen? Zu dieser Frage sollen nicht nur die Kommunalpolitiker, sondern auch die Bürger gehört werden: Es sei "sehr wichtig, sie mit ins Boot zu holen", erklärte dazu die Projektleiterin vom Büro Grontmij, Claudia Bosse. "Die Bürger müssen ihre Gefühle, ihre Träume und Visionen einbringen", unterstrich auch Professor Holger Magel, der als Ordinarius am Lehrstuhl für Bodenordnung und Landesentwicklung der TU München in das Projekt mit eingebunden ist.

Aber die politischen Fragen, welche die Mandatsträger beschäftigen, kommen bei den Bürgern anscheinend noch nicht so richtig an. Die Frage beispielsweise, warum Firmen und Unternehmen sich gern im Landkreis ansiedeln. Die Mandatsträger sehen die Antwort in den guten Verkehrsanbindungen, einem großen qualifizierten Arbeitskräftepotential, in dem Vorhandensein "wirtschaftsfreundlicher" Kommunen, niedrigen Gewerbesteuersätze und in dem Verweis auf "Synergien aus der Wirtschaftsregion München".

Bis 29. März finden noch zwei weitere Bürgerforen statt. Am Donnerstagabend trafen sich Politiker und Bürger aus Haimhausen, Hebertshausen, Petershausen, Röhrmoos und Vierkirchen. Nächste Woche sind Dachau gemeinsam mit Karlsfeld sowie Altomünster, Erdweg, Markt Indersdorf und Schwabhausen dran. Dann folgen die Bürger-Arbeitsgruppen: Bergkirchen entsendet Andreas Stürmer und Johann Fritz; Odelzhausen Hans Brunschweiger und Franz Laube; Sulzemoos Paul Schmid und Ludwig Gasteiger; Pfaffenhofen die Gemeinderäte Klaus Reindl und Albert Pitzl.

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