Vor Wahl in Thüringen:Gedenkstättenleiter wird bedroht

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Das ehemalige Krematorium in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Heute ist dies ein wichtiger Gedenkplatz. (Foto: Candy Welz/dpa)

Unbekannte kleben das Konterfei von Jens-Christian Wagner, Direktor der KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, auf eine Todesmarschstele. Sein bayerischer Kollege Karl Freller verurteilt die Bedrohungen.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Unbekannte haben Jens-Christian Wagner, Stiftungsdirektor der KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, bedroht. Nachdem Wagner in einem Brief an thüringische Wähler dem rechtsextremen AfD-Landesverband um Spitzenkandidat Björn Höcke vorgeworfen hatte, die Erinnerung an die NS-Verbrechen tilgen zu wollen, klebten der oder die Täter sein Konterfei in der Gedenkstätte Mittelbau-Dora auf eine Stele, die an die Opfer der Todesmärsche aus dem ehemaligen Konzentrationslager erinnert.

Dies teilte Wagner auf der Plattform X mit. Auch habe er eine Mail erhalten, in der ihm eine „Weimarer Montagsspaziergängerin“ geschrieben habe, dass er wie ein verstorbener SPD-Landtagsabgeordneter auch noch seine „Strafe“ erhalten werde. Wie ein Gedenkstätten-Sprecher der Deutschen Presseagentur sagte, wurde bei der Polizei in Nordhausen Strafanzeige erstattet.

Plattform X

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Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) verurteilte die Drohungen gegen Wagner. Teile der Gesellschaft hätten den Anstand verloren, schrieb sie auf X. „Sie wollen einschüchtern und Verteidiger der Demokratie und der Erinnerungskultur mundtot machen.“ Am Mittwoch erhielt Wagner auch Unterstützung von Karl Freller, Stiftungsdirektor der KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg.

„Notorisch reden Vertreter der AfD die NS-Verbrechen klein“, sagt Jens-Christian Wagner, Stiftungsdirektor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. (Foto: Toni Heigl)

Der CSU-Landtagsabgeordnete bezeichnete die Bedrohungen als „widerwärtig und kriminell“. Angriffe auf Menschen, die das Gedenken an NS-Opfer aufrechterhalten und vor Rechtsextremismus nachdrücklich warnen, seien „absolut nicht hinnehmbar“. Seinem Thüringer Kollegen sicherte Freller jegliche Solidarität zu. Er könne nachfühlen, so Freller, was subtile Drohungen persönlich und auch im familiären Umfeld verursachen würden: Auch sein Name, der Name seiner Frau sowie seine private Wohnadresse seien vor einigen Jahren auf einer rechtsextremen „Todesliste“ gestanden.

„Wir müssen und werden an unseren Gedenkstätten tun, was möglich ist, damit unser Personal keinen Beleidigungen, Bedrohungen oder gar Handgreiflichkeiten ausgesetzt wird“, erklärte Freller weiter. Ende vergangenen Jahres hatte die KZ-Gedenkstätte Dachau auf die zunehmende Zahl rechtsextremer Vorfälle an Gedenkorten der NS-Verbrechen reagiert. Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens kontrollieren seit Dezember auch bei Tag den Eingang der Dachauer Gedenkstätte rund um das ehemalige Jourhaus sowie das Gelände des ehemaligen Krematoriums und der religiösen Gedenkorte. Zuvor bewachten die Securitys das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers nur nachts.

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Jens-Christian Wagner bezieht immer wieder Stellung gegen Rechtsextremismus und Geschichtsrevisionismus. Vor Kurzem hatte sich der Historiker vor der Landtagswahl in Thüringen am 1. September in einem Brief an Wähler gewandt. Darin rief er die Thüringer dazu auf, nicht der AfD, sondern stattdessen „demokratischen Parteien“ ihre Stimmen zu geben. Die Thüringer AfD versuche, „die Schrecken des Nationalsozialismus kleinzureden“, heißt es in dem Brief, der in einer Auflage von 350 000 Stück an Menschen über 65 Jahre versandt wurde. Zudem wolle Parteichef Höcke die nationalsozialistische Sprache wieder salonfähig machen und lasse sich auch nicht von zwei Gerichtsurteilen gegen ihn aufhalten.

Notorische Verharmlosung der NS-Verbrechen

„Dass wir uns mit einem Brief an die Wähler:innen in Thüringen wenden, ist in der Tat ungewöhnlich“, erklärte Wagner zu der Aktion. Begründet sei dies aber durch den Umstand, dass sich die AfD „notorisch gegen die Erinnerungskultur wendet“ und die Erinnerungsarbeit an den Gedenkstätten als „Schuldkult“ diskreditiere. AfD-Vertreter würden die NS-Verbrechen kleinreden oder relativieren. „Wenn eine Partei mit solchen Positionen in Regierungsverantwortung käme, wäre das ein schwerer Schlag gegen die kritische Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte“, so Wagner.

Im Interview mit der SZ hatte Wagner kürzlich die Sorge geäußert, dass eine erstarkte AfD die Gedenkstättenarbeit erheblich behindern könnte. „Sie könnte versuchen, uns Mittel zu streichen. (…) Das könnte zu einer deutlichen Einschränkung und Gefährdung unserer Arbeit führen“, sagte Wagner und verwies darauf, dass sich Bund und Freistaat die Finanzierung der Gedenkstätten je zur Hälfte teilen.

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