Süddeutsche Zeitung

Brunnensanierung:Operation in der Tiefe

Die Karlsfelder wundern sich über das Wasser, das derzeit aus der Leitung fließt: An den Händen fühlt es sich "glitschig, schleimig, und cremig" an. Der Grund: Die Gemeinde saniert momentan einen von fünf Brunnen

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

"Irgendwie glitschig, schleimig,cremig" - so beschreibt ein Facebook-Nutzer das Leitungswasser in Karlsfeld. "Wenn man sich die Hände ohne Seife wäscht, fühlt sich das so an, als ob man Seife genommen hätte und sie nicht mehr abgeht." Er und viele andere Karlsfelder sind verunsichert. Sie haben bemerkt, dass das, was momentan aus den Hähnen fließt, anders ist als sonst. Der Grund: Derzeit sind in Karlsfeld von fünf Brunnen nur noch drei im Einsatz. Das hat Auswirkungen auf den Härtegrad des Wassers. Einer der Brunnen wird gereinigt, der zweite saniert. Doch der Betriebsleiter des Karlsfelder Wasserwerks Stephan Kürzinger versichert: "Es gibt keine Beeinträchtigung für den menschlichen Körper. Alle Parameter liegen innerhalb der Trinkwasserverordnung."

Vor vier Wochen sind die Brunnenbauer bereits angerückt, haben den Erdhügel um "Brunnen drei" entfernt, das Häuschen darunter abgerissen, Bäume gefällt, die Fläche freigelegt und planiert. Die große Bohrmaschine steht bereits über dem Loch, das Bohrgestänge liegt fein säuberlich aufgereiht daneben. Selbst die Schuttcontainer stehen schon parat. Die Sanierung kann beginnen. Brunnen drei ist aus dem Jahr 1974. "Die zu erwartende Lebensdauer von circa 25 Jahren ist deutlich überschritten", erklärt der Betriebsleiter. Eine Erneuerung des Brunnens ist kein Luxus, sondern notwendig. Rund zwei Millionen Euro sind dafür im Wirtschaftsplan des Wasserwerks vorgesehen - deutlich mehr als frühere Brunnensanierungen gekostet haben, so Werksleiter Martin Eberle. Sie schlugen jeweils mit etwa eineinhalb Millionen Euro zu Buche. Grund für die Preissteigerung sei der allgemeine Bauboom. Die Betriebe seien gut ausgelastet und auch die Materialien kosteten inzwischen deutlich mehr. Eberle rechnet sogar damit, dass am Ende 2,3 Millionen Euro in die Sanierung investiert werden müssen. Anders als bei den vier vorangegangenen Brunnenerneuerungen ist dieses Mal eine andere Firma verantwortlich. Das Ingenieurbüro, das die Arbeiten begleitet, ist jedoch seit Mitte der 1990er Jahre dasselbe. Es kennt sich also bestens aus.

Finanziert wird die Arbeit der Brunnenbauer von den Bürgern, die einen Wasseranschluss haben - nicht aus der Gemeindekasse. Ob die Wasserpreise deshalb erhöht werden müssen, will man im Sommer ermitteln. "Wenn, dann wird der Preis nicht groß steigen", prophezeit Kämmerer und stellvertretender Werksleiter Alfred Giesinger. Seit sechs Jahren kostet das Wasser in Karlsfeld 1,74 Euro pro Kubikmeter.

Das Wasser in Brunnen drei ist bis zu 13 000 Jahre alt. Der Brunnen reicht etwa 200 Meter tief. "Das ist ungefähr so wie der Fernsehturm bis zur Kuppel", sagt Kürzinger. In dieser Tiefe sei "eine sehr edle Schicht mit wertvollem Grundwasser", erklärt Eberle. Eine privilegierte Lage, denn dort ist das Wasser keinerlei Umweltbelastungen ausgesetzt. Der Nachteil: Jeder Tropfen muss hochgepumpt werden. Das kostet viel Strom und etwa 160 000 Euro pro Jahr. Dafür ist das Wasser im Vergleich zum Münchner Quellwasser aus dem Mangfallgebirge sehr weich. Der alte Brunnen holt zudem auch Wasser aus einer geringeren Tiefe. Dort ist mehr Kalk enthalten.

Bevor sich Lecks bilden und sich die Lagen mischen, muss der alte Brunnen neu eingesetzt werden. Das werde mindestens ein Jahr dauern, schätzt Kürzinger. Das alte Rohr ist stark mit den Schichten verwachsen. Es muss erst gelockert werden, bevor man es ziehen kann. Außerdem muss sichergestellt sein, dass das Loch nicht zufällt und die Schichten, die in feiner Abfolge mal Ton, mal Kies, mal Feinsand haben, nicht durcheinander geraten. Zunächst werden laut Kürzinger jede Menge Sedimente aus der Tiefe hochgeholt und in Containern abtransportiert. "An guten Tagen können die Arbeiter vielleicht sechs bis acht Container wegschaffen", so der Betriebsleiter.

Dass der Brunnen nun lange Zeit ausfällt, schadet dem Werk nicht. Die Karlsfelder bekommen weiter genügend Trinkwasser. Etwa eine Million Kubikmeter verbrauchen die Bürger pro Jahr und das seit den Neunzigern. Zwar ist die Bevölkerungszahl seither um etwa 6000 Einwohner gestiegen, gleichzeitig ist der Verbrauch des Einzelnen geringer geworden, berichtet Eberle. Das liegt einerseits am gewachsenen Bewusstsein für die Ressource Wasser, andererseits daran, dass die Maschinen heute wassersparender sind als noch vor 20 oder gar 30 Jahren. Selbst wenn Karlsfeld weiter wächst, sehen die Wasserfachmänner das gelassen. "Die Kapazität reicht", versichert Stephan Kürzinger.

Der neue Brunnen wird anders als der Vorgänger aus dem Jahr 1974 nicht mehr aus zwei Schichten absaugen, sondern nur noch das Wasser aus der Tiefe holen. Aus Angst vor einem "Kurzschluss" mache man das heute nicht mehr, erklärt Kürzinger. 2008 hatte das Karlsfelder Wasserwerk bereits vorgebaut und einen Brunnen gebohrt, der nur etwa 95 Meter tief in die Erde geht. Das Wasser in diesen jüngeren Schichten ist härter. Das in diesem Brunnen angesaugte Wasser wird mit dem der anderen Brunnen gemischt, mit Sauerstoff versetzt und durch Filter von Eisen und Mangan befreit. Derzeit ist dieser Brunnen jedoch ebenfalls außer Betrieb.

Alle fünf Jahre sollten die Brunnen überprüft und gesäubert werden. Es gilt zu erkennen, wie der Zustand ist, wo Zuflüsse sind und in welchen Tiefen. Deshalb ist die Pumpe nun ausgebaut, der Brunnen wurde bereits zwei Mal mit der Kamera "befahren", wie es im Fachjargon heißt. Mit dem Hochdruckverfahren hat man bereits den angeschwemmten Sand ausgespült. Jetzt muss die Keimfreiheit wieder hergestellt und die Pumpe eingebaut werden. Innerhalb der nächsten 14 Tage soll der Brunnen voraussichtlich wieder ans Netz gehen, so Kürzinger.

Für die Bürger bedeutet dies gute Nachrichten: Die 50 bis 60 Liter Wasser, die pro Sekunde das Werk verlassen, sind dann wieder etwas härter. Das glitschige Gefühl beim Händewaschen wird nachlassen.

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Quelle:
SZ vom 18.05.2020
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