Süddeutsche Zeitung

Markt Indersdorf:Alles unter einem Dach

Das BRK will in Indersdorf einen Multifunktionsbau errichten: Ein Katastrophenschutzzentrum, ein Vereinsraum und eine Kita sollen darin Platz finden - es könnte eine Blaupause für künftige Projekte werden.

Von Jessica Schober, Markt Indersdorf

Wer schon mal den ersten Entwurf eines Architekturbüros vor Augen hatte, der weiß, dass Neubauten oft viel versprechen. Die wahre Verheißung eines Gebäudes verbirgt sich aber in seiner tatsächlichen späteren Nutzung, nicht in der aufgemöbelten Visualisierung von Wänden und Fenstern. In dieser Hinsicht hat das Bayerische Rote Kreuz (BRK) Dachau eine echte Vision skizziert mit seinem geplanten Multifunktionsbau in Markt Indersdorf. Das BRK will damit im ländlichen Raum einen Ort für Jung und Alt, für Vereine und für soziale Berufe schaffen. Einen Treffpunkt, der vielerorts immer häufiger fehlt.

"Das BRK lebt davon, dass Menschen sich engagieren. Diese Kultur wollen wir bei unserem Bauvorhaben erlebbar machen", sagt Dennis Behrendt, BRK-Kreisgeschäftsführer. Bei seiner Arbeit will er gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge im Blick behalten, der Vereinzelung der Menschen entgegenwirken und Orte schaffen für Begegnung. Das ist längst nicht selbstverständlich, das BRK könnte auch einfach eine neue Rettungswache zwischen der Aichacher Straße und der Staatsstraße 2050 gegenüber der Feuerwehr bauen und es damit belassen.

Doch Behrendt will mehr: Es soll ein sozialer Treffpunkt entstehen, ein Schulungsraum soll auch von Indersdorfer Vereinen genutzt werden können. "Wir wollen uns für Jung und Alt öffnen und soziale Berufe wieder erlebbar machen. Wenn die Rettungswache neben dem Vereinsraum liegt, entsteht wieder mehr Nähe."

Den BRK-Chef beunruhigt, dass Rettungsdienstler attackiert werden

Zuletzt haben Behrendt die Berliner Silvesterkrawalle zu denken gegeben, bei denen auch Rettungsdienstler und Feuerwehrleute angegriffen wurden. "Heutzutage vereinsamen viele Menschen. Manche gehen zum Beispiel alleine ins Fitnessstudio und stecken sich dabei Kopfhörer ins Ohr, sie trinken ihr Bier lieber abends auf der heimischen Couch und immer mehr Leute arbeiten inzwischen im Homeoffice. Wir wollen und müssen wieder in Kontakt kommen mit den Menschen", sagt Behrendt.

In der vergangenen Sitzung des Indersdorfer Marktgemeinderates haben Behrendt und Andreas May vom Büro May-Architekten aus München die Entwurfsplanung vorgestellt für das Areal mit den Grundstücksflurnummern 720 und 721, die dem BRK und der Gemeinde gehören. Der Marktgemeinderat befürwortete einstimmig die Aufstellung eines Bebauungsplanes und die Änderung des Flächennutzungsplanes für diesen Bereich.

Das BRK will mit dem geplanten Bau seine derzeitigen Standorte zentralisieren: Bisher ist eine Rettungswache an der Klinik in Markt Indersdorf, im Gewerbegebiet sind die Fahrzeuge des Katastrophenschutzes untergebracht und für Gemeinschaftsaktivitäten werden Räume im Klosterbereich von Markt Indersdorf genutzt. Zukünftig sollen auch der Katastrophenschutz, die Wasserwacht und internationale Hilfe an einem gemeinsamen Ort liegen. Entstehen sollen in dem neuen Gebäude eines Tages auch Kinderbetreuungsplätze - denkbar sind laut Behrendt bis zu 48 Kindergarten- und 12 Krippenplätze sowie 20 Tagespflegeplätze für Senioren.

"Wir merken, dass in den ländlichen Gebieten viele Räume wegfallen, sei es in Gaststätten oder bei Vereinen", erzählt Behrendt. Ein zukünftiger großer Raum, den auch Vereine mieten können, soll in der Mitte teilbar sein. Behrendt meint, es sei zu früh um über Konditionen zu reden, aber die Tarife für Vereine sollen "ehrlich und bezahlbar" sein. Beim BRK hatten durchaus auch wirtschaftliche Überlegungen dazu geführt, den Neubau in seiner Multifunktionalität zu planen. Es mache schließlich keinen Sinn, an drei unterschiedlichen Standorten neue Sanitäranlagen zu bauen, so Behrendt. Er rechnet "mindestens mit einem siebenstelligen Betrag", will sich aber noch nicht auf ein genaues Budget festlegen. Sicher ist: "Das Zentrum soll eine konzeptionelle Blaupause für andere Projekte im Landkreis werden", sagt Behrendt.

Das sieht auch Indersdorfs Bürgermeister Franz Obesser (CSU) so: "Wir haben über 100 Vereine, die über viele Ortsteile verteilt sind. Wir sind quasi ständig auf der Suche nach freien Räumen." Inwiefern sich seine Gemeinde an den Kosten für den künftigen Bau beteilige, sei noch völlig offen. "Wir wollen da Baurecht schaffen und es ist gut, dass das BRK sein Konzept schon so vorgeplant hat." Zwar verzichte die Gemeinde auch auf mögliche Gewerbesteuereinnahmen, wenn sie das Areal nicht der wirtschaftlichen Nutzung zuführe, doch dafür erhalte sie dringend benötigte zusätzliche Angebote für Kinderbetreuung und Tagespflege. "Dieses Gebäude ist nicht nur für unsere Gemeinde wichtig, es ist für die ganze Region nachhaltig", sagt Obesser.

Zum Zeitplan der Realisierung kann der Rathaus-Chef noch wenig sagen: Er hoffe, dass in zwei bis drei Jahren Baurecht bestehe und dass keine unerwarteten Schwierigkeiten auftauchten, denn "es gibt wie immer viele beteiligte Stellen bei so einem Projekt".

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