Briefe aufgefunden:Ludwig Thoma als Propagandist des Kriegs

Ludwig Thoma, 1867-1921

Die neue Forschung belegt Ludwig Thomas Wandel vom linksliberalen Satiriker zum Kriegspropagandisten.

(Foto: Kester & Co.)

Der Fürstenfeldbrucker Kulturreferent und Wirtschaftshistoriker Klaus Wollenberg entdeckt unbekannte Briefe des Schriftstellers aus dem Jahr 1917

Von Peter Bierl, Dachau/Fürstenfeldbruck

Eigentlich meint man über Ludwig Thoma alles zu wissen. Anwalt aus Dachau, Schriftsteller, Autor der Filserbriefe, Chefredakteur des linksliberalen Satireblattes Simplicissimus, der eines Spottgedichtes wegen in Stadelheim einsaß, und schließlich der tiefe Fall: Kriegsbegeisterter Nationalist und Verfasser antisemitischer Hetzartikel. Jetzt hat der Brucker Wirtschaftshistoriker Klaus Wollenberg eher zufällig in den Akten des Bayerischen Kriegsarchivs in München Dokumente gefunden, die zeigen, wie tief der "bayerische Aristophanes" in die Kriegsmaschine verstrickt war.

Wollenberg hatte im Kriegsarchiv zur Lage im Landkreis Fürstenfeldbruck während des Ersten Weltkriegs recherchiert, als er die Unterlagen von Thoma entdeckte. Seine Funde präsentiert Wollenberg in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Amperland.

Das aufschlussreichste Dokument ist ein siebenseitiges Schreiben Thomas aus Rottach am Tegernsee vom August 1917 an die Presseabteilung des bayerischen Kriegsministeriums. Thoma bat darum, den Karikaturisten Karl Arnold (1883-1953), der für den Simpl gezeichnet hatte, aus dem von den Deutschen besetzten Lille in Belgien zurückzubeordern, wo dieser im Rang eines Unteroffiziers für die Kriegszeitung arbeitete. Thoma verband diese Bitte mit dem Angebot, umsonst für die siebte Kriegsanleihe zu werben. "Mit Arnold will ich die beste Propaganda machen, die im Interesse des Ganzen notwendig ist", schrieb er.

Im Kriegsministerium war man begeistert. Wie hoch die Behörden den Wert von Thoma und seinen Mitarbeitern einschätzten, wird aus einem Schreiben an das Kommando in Lille deutlich, in dem "vertraulich" darauf hingewiesen wird, dass "der Simplicissimus vom Auswärtigen Amt in starkem Maße zur Lieferung von Material für Propagandazwecke herangezogen wird". Gerade wegen seiner bekannten "scharf regierungsgenerischen Publizistik in Friedenszeiten" sei das Blatt "wie kaum eine andere Zeitschrift für die Beeinflussung der öffentlichen Meinung in In- und Ausland von Bedeutung".

Bemerkenswert ist, dass Ludwig Thoma das Angebot zu einem Zeitpunkt machte, als die Kriegsbegeisterung in weiten Teilen der Bevölkerung längst abgeflaut war, vor allem nach dem Hungerwinter 1916/17, als in den Städten erste Streiks der Arbeiter stattgefunden hatten. Thoma indes rückte immer weiter nach rechts und schloss sich im Sommer 1917, als er das Gesuch verfasste, der Deutschen Vaterlandspartei an, einer neuen antisemitischen, rechtskonservativen Vereinigung. In der Redaktion des Simplicissimus kam es darüber zu Auseinandersetzungen, weil sogar einigen, die bei Kriegsausbruch zu Patrioten mutiert waren, dieser Gesinnungswandel zu weit ging. Thoma selbst trat mit Großadmiral Alfred von Tirpitz, dem Planer der deutschen Flottenrüstung und Vorsitzenden der Vereinigung , am 10. November bei einer großen Kundgebung in München auf. Die Bemühungen Thomas in Sachen Arnold waren von Erfolg gekrönt, dieser konnte nach München zurückkehren und für den Simplicissimus arbeiten.

Auch die übrigen Beiträge im neuen Amperland beschäftigen sich mit dem Ersten Weltkrieg in der Region. Ursula Katharina Nauderer hat einen Aufsatz über die Situation in Dachau geschrieben, die der Lage in Bruck in vielerlei Hinsicht ähnelt. Kriegsbegeistert waren vor allem die bürgerlichen Schichten, weniger die Bauern, die um ihre Ernte bangten und die als Zugtiere wertvolle Pferde ans Militär abliefern mussten. In Dachau organisierten Frauengruppen Hilfsaktionen für Familien von eingerückten Soldaten, sie strickten und nähten Handschuhe, Socken und Sturmhauben für die Front oder zupften aus Baum- und Leintüchern "Scharpie" als Verbandszeug für Verwundete. Der Katholische Frauenbund Dachau, 1916 gegründet, geht auf diesen Einsatz an der Heimatfront zurück, schreibt Nauderer.

Über den Kriegseinsatz des Malers Hans von Hayek schreibt Elisabeth Boser. Der gebürtige Wiener war zuerst an der Westfront, dann in Rumänien im Einsatz. Künstlerisch stand er in der Tradition der Dachauer Landschaftsmalerei. Seine Vorliebe für Details und stimmungsvollen Ausdruck erschwerten ihm die Darstellung des Schreckens, schreibt Boser. Tote und verletzte Soldaten, zerfetzte Tierkadaver und Ruinen von Häusern gerieten ihm zu Versatzstücken. Ferne Frontlinien zeichnete er mit wenigen Strichen, darüber kleine stilisierte Wolken, die allerdings durch tödliches Schrapnellfeuer zustande kommen. Vielleicht bestand aus Sicht der Behörden gerade in solcher Verniedlichung des Grauens der propagandistische Wert von Hayeks Werken.

Zeitschrift Amperland, Heimatkundliche Vierteljahresschrift für die Landkreise Kreise Dachau, Freising und Fürstenfeldbruck, erhältlich in den Museen von Stadt und Landkreis Dachau sowie: www.zeitschrift-amperland.de.

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