Süddeutsche Zeitung

Kleine Zombies:Der Borkenkäfer droht im Landkreis zur Plage zu werden

Der Schädling hat sich in den Fichtenbeständen stark vermehrt. Das Forstamt appelliert an die Waldbesitzer, befallene Bäume schnell zu entfernen

Von Robert Stocker, Altomünster

Hier hat sich das kleine Biest also festgebissen. Franz Knierer löst ein Stück Rinde von einer Fichte ab, die in einem Waldstück bei Schmarnzell gefällt worden ist. Der kleine Ort gehört zur Gemeinde Altomünster, die im Revier des Försters liegt. In die untere Seite der Rinde hat der gefräßige Schädling zahlreiche Gänge gebohrt. Hier legen die Weibchen die Eier ab, aus denen nach zwei Wochen die Larven schlüpfen. Aus den Puppen entwickeln sich die jungen Borkenkäfer. Die erste Generation des Jahres ist startbereit: Die Jungtiere fliegen aus und befallen weitere Bäume. "Borkenkäfer leben in Polygamie", erklärt Forstdirektor Gero Brehm vom staatlichen Forstamt Fürstenfeldbruck. Ein Männchen kann bis zu 200 Nachkommen zeugen. Wenn an einer Fichte 400 Käfer nagen, ist sie am Ende.

Genau das wollen der Forstdirektor und der Förster verhindern. "Der Käfer breitet sich unter guten Bedingungen äußerst dynamisch aus", sagt Brehm. Und die Bedingungen für die Vermehrung des Schädlings waren im vergangenen Jahr ziemlich gut. Der Orkan Niklas beschädigte viele Bäume, außerdem war der Sommer sehr trocken. Ein gefundenes Fressen für Buchdrucker und Kupferstecher, die sich in den geschwächten Bäumen gut einnisten konnten. Die erste Brut ist jetzt groß gezogen und bedroht überall im Landkreis den Fichtenbestand. So wie in dem Wald bei Schmarnzell, der in einem Wasserschutzgebiet liegt. Besitzer ist der Wasserzweckverband Weilachgruppe. Weil die Wurzeln der Fichten das Wasser im Boden sauber halten, legt der Zweckverband großen Wert auf gesunde Bäume. Doch in einigen wütet bereits der Borkenkäfer. Etwa zehn Fichten sind befallen. Die Kronen kranker Bäume sind häufig noch grün; für Laien ist der Käferbefall aus der Entfernung nur schwer zu erkennen.

Experten wie Franz Knierer und Gero Brehm haben dafür einen geschärften Blick. Die Stämme kranker Fichten schimmern grün, außerdem bröckelt die Rinde herunter. Sie ist lebenswichtig für den Baum, weil sie ihn mit Wasser versorgt. "Der Käfer dreht den Saft in den Bäumen ab, indem er die Rinde unterhöhlt", sagt Forstamtsdirektor Brehm. Die Fichten bluten aus und sterben ab. Wenn die Rinde abblättert, sind sie kaum noch zu retten. Bei zehn Bäumen in dem Waldstück ist das der Fall. "Wenn wir nichts tun, können es bald hundert sein", befürchtet Brehm.

Die einzige Lösung ist das Fällen der Bäume. Der Wasserzweckverband hat damit ein Unternehmen beauftragt, das sich um die Waldpflege kümmert. Zwei Mitarbeiter schneiden mit einer Kettensäge die kranken Fichten um und transportieren sie mit einem Spezialgerät ab. Die Stämme müssen mindestens 500 Meter weit weg gebracht werden, damit der Käfer nicht in sein Revier zurückfliegen kann. Dafür sei es jetzt höchste Zeit, sagen die beiden Forstexperten. "Jetzt ist es wichtig, die zweite Käfergeneration zu verhindern." Kranke Bäume umsägen und wegfahren, heißt die Devise. Die Experten appellieren an die Waldbesitzer, ihre Fichtenbestände genau zu prüfen. Wer die Bäume nicht selbst entfernen kann, erhält vom Forstamt oder von der Waldbesitzervereinigung Hilfe. Diese Institutionen weisen auf Unternehmen hin, die in der Waldpflege tätig sind. Wer von Borkenkäfern befallene Fichten entdeckt, sollte schnell das Forstamt und die Waldbesitzervereinigung informieren. Denn so kann verhindert werden, dass sich der Schädling auch im Wald des Nachbarn ausbreitet. Je schneller kranke Bäume gefällt und abtransportiert werden, desto besser ist es für den Waldbesitzer. Denn trotz des Käferbefalls kann das Holz noch vermarktet werden - wenn auch zu einem geringeren Preis. "Das Holz ist durch den Käfer nur angekratzt", sagt Forstamtsdirektor Gero Brehm.

Neben dem Sturm und der Trockenheit im vergangenen Jahr ist der milde Winter ein Grund dafür, dass sich der Borkenkäfer gut vermehren konnte. Die Wälder im Norden des Landkreises sind besonders gefährdet, weil dort weniger Regen fällt. "Doch zwei Förster im Landkreis können nicht alles kontrollieren", sagt Knierer. Im Revier Markt Indersdorf hat das Forstamt eine Borkenkäferfalle installiert, die Aufschluss über das Vorkommen des Schädlings gibt. Knierer geht zum Stamm einer befallenen Fichte und zeigt auf den Boden. Die Blätter sind mit einer hellbraunen Schicht überzogen. "Das ist Bohrmehl aus dem Stamm, das bei trockenem Wetter gut zu sehen ist." Das Mehl weist eindeutig darauf hin, dass hier Borkenkäfer ihr schädliches Werk verrichten. "Das sind richtige Zombies. Sie fressen die Haut eines lebenden Baumes." Auch Spechte, die an den Stämmen sitzen, zeigen den Befall einer Fichte an. Die Vögel fressen die Käfer unter der gewölbten Rinde. Buchdrucker und Kupferstecher haben auch natürliche Feinde.

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SZ vom 15.07.2016
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