Blutspender:Landkreis der Lebensretter

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Im Landkreis Dachau finden regelmäßig Blutspende-Termine statt. (Foto: dpa)

Mehr als 4500 Menschen aus dem Dachauer Land haben im vergangenen Jahr Blut gespendet. Das sind deutlich mehr als in anderen Regionen. Der BRK-Kreisvorsitzende Bernhard Seidenath spricht von einer "tollen Entwicklung"

Von Eva Waltl, Dachau

Es ist ein kurzer Piks, dauert etwa zehn Minuten. 500 Milliliter muss man geben, dann ist es vorbei. Mehr als 4500 Menschen aus dem Landkreis Dachau haben im vergangenen Jahr an 27 Terminen des Bayerischen Blutspendedienst ihr Blut gespendet. Im Jahr zuvor waren es etwa 2000 Spender weniger. Mit diesem Aufschwung hebt sich der Landkreis im Vergleich mit anderen Regionen positiv hervor. In den vergangenen drei Jahren baute der Dachauer Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) das Blutspendeangebot aus. Jetzt gibt es fast jeden Monat einen Termin zur Blutspende. Auch von der Corona-Pandemie ließ sich BRK nicht ausbremsen.

"Die Termine wurden immer alle wahrgenommen. Außerdem gab es sogar noch Laufkundschaft", sagt Bernhard Seidenath, der BRK-Kreisvorsitzende. Er freut sich über diese Bereitschaft. Der CSU-Landtagsabgeordnete spendet selbst regelmäßig, fungiert als Vorbild und weiß, wie man das Blutspenden für Menschen attraktiver gestaltet: "Früher haben wir die Spendentage ohne Terminvergabe organisiert, deshalb kam es leider vor, dass Leute zwar spenden wollten, aber aufgrund des Andrangs nicht konnten." Das BRK in Dachau hätte aber daraus gelernt und versuche, die Blutabnahme so angenehm wie möglich zu gestalten: Keine langen Wartezeiten und Anfahrtswege, verlässliche Terminvergabe und Planbarkeit. Benjamin Sanchez, 31 Jahre, arbeitet ebenfalls beim BRK-Dachau und spendet seit seinem 18. Lebensjahr regelmäßig. "Mindestens drei Mal pro Jahr", erzählt er. Männer dürfen maximal sechs Mal, Frauen vier Mal pro Jahr Blut spenden. Auch Sanchez freut sich, dass das Angebot im Landkreis stetig ausgeweitet, die "Prozesse optimiert und die Organisation besser" wurden. Es hat sich gelohnt. Seidenath spricht von einer "tollen Entwicklung in Dachau."

Auch beim Bayerische Blutspendedienst beobachtet man mit Freude die große Bereitschaft im Landkreis. "Den Menschen, die diesen Trend setzen, gebührt höchster Respekt und Anerkennung für ihre Leistung", sagt Patric Nohe vom Blutspendedienst. Dachau sei eine Region, das ein enormes Potenzial hätte und eine "wichtige Stütze in der bayern- und bundesweiten Versorgung mit Blut" sei. Das Blut eines Spenders aus dem Landkreis Dachau bleibt vorerst in Bayern und erst, wenn der Bedarf an Blut in Bayern gedeckt ist, gelangt es in andere deutsche Bundesländer. Selbst während der Pandemie waren die Dachauer fleißig. Die Nachfrage sei sogar noch deutlich gestiegen, erklärt Seidenath, auch weil das Dachauer BRK mehr Spendemöglichkeiten angeboten hat.

Trotz der überwältigenden Solidarität erklärt Patric Nohe, dass es "auch Phasen gab, in denen es wirklich knapp wurde". Schwankungen beim Blutspenden seien im Verlauf des Jahres zwar keine Seltenheit, aber immer gefährlich: "In der Sommerzeit haben wir ohnehin das Problem, Spender zu finden, weil viele Menschen verreisen." Nun bereiten dem BRK neben den andauernden warmen Temperaturen und der Reiselust vieler Menschen auch die Lockerungen der Corona-Maßnahmen große Sorgen. Sie könnten die Knappheit an Blutspendern in den Sommermonaten noch einmal verschärfen. Das hätte beträchtliche Folgen für den Krankenhausalltag. Nohe hat freilich Verständnis dafür, dass die Menschen nach der langen Zeit der strengen Beschränkungen nicht als allererstes Lust auf Blutspenden hätten, viel schöner sei es ja in den Biergarten zu gehen. Allerdings sei der Blutbedarf "ungebrochen hoch", ergänzt er, auch weil Krankenhäuser mehr und mehr zu den zuvor aufgeschobenen Operationen zurückkehren. Allein in Bayern werden pro Tag 2000 Blutkonserven benötigt.

"Blutspenden ist für mich gewissermaßen eine Bürgerpflicht", sagt Benjamin Sanchez. (Foto: Toni Heigl)

Die Herausforderung ist enorm. Auch weil Blut nur begrenzt haltbar ist. Das Plasma kann tiefgefroren drei Jahre verwendet werden, beispielsweise für Gerinnungsstörungen bei schweren Verbrennungen, das Konzentrat aber nur maximal 42 Tage für Operationen und Verletzungen mit hohem Blutverlust. Eine vorhersehbare Spenderflaute im Sommer kann man nicht mit vermehrten Abnahmen in guten Zeiten kompensieren. "Aufgrund der geringen Haltbarkeit sind die Menschen in den Kliniken auf ein kontinuierliches Engagement der Mitmenschen angewiesen", erklärt Nohe. Magenoperationen, Organtransplantationen, Sportunfälle, immer sind Blutkonzentrate notwendig und lebensrettend. Doch der größte Anteil an Blut, sagt Nohe, werde für chronisch kranke Menschen, beispielsweise bei Krebstherapien, verwendet. "Es ist eine riesige Palette vom Säugling bis zum Greis, die an 365 Tagen an 24 Stunden auf Blutpräparate angewiesen sind."

"Blut ist ein besonderer Saft", sagt Seidenath. Ein Saft, für den es keine künstliche Alternative gibt. Umso wichtiger ist also die Bereitschaft der Menschen, mit ihrer Spende den lebensrettenden Saft für Betroffene bereitzustellen. Benjamin Sanchez entscheidet sich bewusst dafür, sein Blut zu spenden, um anderen Menschen zu helfen: "Es ist für mich gewissermaßen eine Bürgerpflicht." Blut würde immer gebraucht und es sei ein leichter Weg, seinen Beitrag zu leisten. Aber Sanchez sieht auch die gesundheitlichen Vorteile für den Spender selbst: Es erfolgt vor der Blutspende eine Untersuchung, durch die mögliche Erkrankungen frühzeitig entdeckt werden können. Das Blut wird auf Hepatitis und andere Infektionskrankheiten untersucht und auch die Blutgruppe und der Rhesusfaktor werden bestimmt. Sanchez bemerkt, dass sich Menschen mehr mit dem Thema auseinandersetzen würden und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit des Spendens hätten. Jedoch setzen es nicht alle auch in die Tat um. Hier sieht er noch Aufholbedarf: Mehr junge Menschen als regelmäßige Spender akquirieren.

Umso erfreulicher ist der bayernweite Trend, der sich auch im Landkreis bemerkbar macht, dass während der Corona-Pandemie vermehrt junge Erstspender zu Blutspendeterminen kamen. Nohe betont, wie wichtig junge Spender sind: "Während der Hochphase der Pandemie konnten somit Spender in höheren Altersklassen, die einen immensen Anteil der regelmäßigen Spender ausmachen, entlastet werden." Auch mit Blick auf den demografischen Wandel ist dieser Trend bedeutend, denn Blutspenden ist nur bis zum 73. Lebensjahr erlaubt. Nun komme es darauf an, so Nohe, Erstspender auch zu binden. Insgesamt ist stolz auf das Engagement der Menschen während der Corona: "Es ist wirklich großartig, dass es uns während der ganzen Pandemie gelungen ist, dass kein Mensch in Deutschland zu Schaden gekommen ist, weil es zu wenig Blut gab."

© SZ vom 28.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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