BIS Haimhausen:Das virtuelle Klassenzimmer

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Bereits 2002 hat die Bavarian International School ihr Distance-Learning-Programm entwickelt. Das Besondere: Die Schüler lernen dabei nicht nur am Laptop

Von Mona Marko, Haimhausen

Vor dem 19. April wird in ganz Deutschland wohl keine Schule ihre Pforten öffnen, keine Schulbank gedrückt und an die Stelle des langen Schulwegs mit Bahn, Bus oder Fahrrad wird bis auf weiteres das einfache Aufklappen des Laptops treten. Wie in vielen anderen Teilen der Welt werden aktuell auch im Landkreis Dachau die meisten Schüler online unterrichtet oder zumindest per E-Mail mit Aufgaben und Projekten versorgt. Die private Bavarian International School (BIS) in Haimhausen ist vielen anderen Schulen einen Schritt voraus. Die Schule bietet ein sogenanntes Distance-Learning-Programm an, das die Pädagogen der Schule bereits 2002 während der Sars-Pandemie entwickelt haben. Bei dem Programm handelt es sich explizit nicht um ein Online-Lernprogramm, da viele Einheiten gar nicht vor dem Bildschirm stattfinden. "Wir mussten uns damals schon auf potenzielle Schulschließungen vorbereiten", erklärt Schuldirektorin Chrissie Sorenson. "Innerhalb kurzer Zeit konnten wir das aktuelle Distance-Learning-Programm entwickeln", so Sorensen. Nur einige Anpassungen habe man vornehmen müssen.

Die obersten Ziele des Programms sind: ausreichend Kommunikation von Angesicht zu Angesicht zwischen Lehrern und Schülern, eine bewusste Balance zwischen Online- und Offline-Zeit sowie zwischen Bewegung, Sport und sozialem Austausch zu gewährleisten.

"Wir haben richtig Spaß mit dem Programm", sagt Sorensen. Die Lehrer würden "wirklich kreativ und innovativ" neue Dinge und Wege ausprobieren, so die Schulleiterin. Für den Unterricht verwendet die Schule Google Meet, eine Plattform für virtuelle Besprechungen und Konferenzen. Wie im gewöhnlichen Unterricht, kommen alle Schüler mit dem Lehrer für die Einheit zusammen - nur eben im virtuellen Klassenzimmer. Über die Bildschirme können sich alle sehen. Während der Lehrer vorträgt, schalten die Schüler ihre Mikrofone aus. Und wie im gewöhnlichen Unterricht heben jene Schüler, die etwas zum Unterricht beizutragen haben, die Hand. Bei dem Distance-Learning-Programm der BIS geht es aber eben nicht nur um trockenes Vortragen, Lernen und Lehren. Experimente in Physik oder Chemie, Vorlesestunden von Lehrern für Schüler, Sportstunden und gemeinsames Musizieren stehen ebenso auf dem Programm wie die das Lesen von Unterrichtslektüre.

Eine Klasse habe im Unterricht gerade die Bücher "Der Junge im gestreiften Pyjama" und "Das Tagebuch der Anne Frank" gelesen, sagt Sorensen. Im Anschluss daran hätten die Schüler einen Aufsatz darüber schreiben müssen. "Das Lesen der beiden Bücher war gerade jetzt sehr wichtig, denn die Kinder lernen zu verstehen, dass es zwar traurig ist, dass sie jetzt ein paar Wochen nicht rausgehen dürfen, um mit ihren Freunden zu spielen, aber Anne Frank musste sich jahrelang in einem ganz kleinen Raum verstecken und um ihr Leben fürchten." Das rücke alles in eine andere Perspektive, und die Kinder bekämen so ein ganz anderes Verständnis für die aktuelle Situation.

Die Anwesenheitspflicht gilt wie im regulären Klassenzimmer auch. Wer sich nicht einloggt, der fehlt im Unterricht. Die Schule bemüht sich dann herauszufinden, ob das Fehlen mit technischen Problemen zusammenhängt, der Schüler krank ist oder aus einem anderen Grund nicht am Unterricht teilnehmen konnte. "Auch die Eltern können sich einloggen und sehen, ob ihre Kinder online sind und was sie machen", sagt Sorensen. Der Austausch mit den Eltern hat aus ihrer Sicht oberste Priorität: "Ich schreibe wöchentlich E-Mails an alle Eltern, um sie auf dem neuesten Stand zu halten, um eine Übersicht zu geben, was in der vergangenen Woche passiert ist und worauf wir in der kommenden Woche achten müssen."

Die Erfahrungen, die die BIS jetzt sammele, könnten auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, meint Sorenson. Sie kann sich vorstellen, dass sich der Unterricht nach der Krise verändern wird. "Wenn Lehrerinnen etwa schwanger sind oder Lehrer Keuchhusten haben und nicht in der Schule sein können, könnten sie Dank Distance Learning in Zukunft trotzdem normal von zuhause aus unterrichten." Zudem kann sich die Schulleiterin vorstellen, dass sich der Einsatz von Technologie weiter verstärken wird. "Vor allem Lehrer, die nicht unbedingt gegen Technologie sind, aber vielleicht ein bisschen langsamer damit umgehen und sich normalerweise nicht so damit befassen, die haben sich in letzter Zeit richtig reingelegt und die merken jetzt, was für Vorteile das hat - auch für den normalen Unterricht."

Bis der Unterricht in ein paar Wochen wieder im Schulgebäude stattfindet, wird die BIS an dem Distance-Learning-Programm 2.0 arbeiten, um das Feedback der Lehrer, Schüler und Eltern umzusetzen. "Bisher sind die Rückmeldungen wirklich sehr, sehr positiv", sagt Sorenson. Natürlich gebe es immer Herausforderungen oder kleine Probleme mit der Technik, aber man arbeite daran. Jeden Tag kämen E-Mails von Schülern und Eltern, die sich glücklich schätzen, "dass sie ein strukturiertes Programm haben".

© SZ vom 07.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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