Süddeutsche Zeitung

Biodiversität  im Schlosspark Dachau:Naturschutz im historischen Erbe

Lesezeit: 3 min

Finanzminister Albert Füracker stellt in Dachau ein Pilotprojekt vor, das in drei Schlossgärten getestet wird. Die Parkanlagen sollen seltenen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum bieten. Dafür ist ein höherer Aufwand für die Pflege nötig

Von Christiane Bracht, Dachau

Wo gibt es ein schöneres und passenderes Ambiente für das Thema Artenschutz als im Dachauer Schlosspark? Die Bienen fliegen geschäftig von Blüte zu Blüte und sammeln Nektar ein, während der Finanzminister Albert Füracker an ihnen vorüberschreitet. Auch am Bienenlehrpfad summt und brummt es, die Einfluglöcher der Kästen sind bevölkert. Die Kameras der Journalisten sind auf sie gerichtet. Seit dem Volksbegehren sind die fleißigen Insekten hoch im Kurs. Jeder will sie retten - auch die Staatsregierung. Und so hat der CSU-Minister ganz im Sinne von Ministerpräsident Markus Söder, der sich seit einiger Zeit zum obersten Klimaschützer aufgeschwungen hat, Dachau zur Vorstellung seiner neuen Broschüre auserkoren - obwohl das Pilotprojekt "Artenschutz plus im Gartendenkmal" nicht hier ausgetestet wird, sondern in Nymphenburg, der Parkanlage der Eremitage in Bayreuth und am Schloss Rosenau.

Das Signal ist klar: "Wir tun etwas. Der Artenschutz ist uns wichtig" - selbst in den barocken, historischen Anlagen. Füracker lächelt milde, lässt den Blick schweifen. München zu Füßen, das gehört nicht nur "zum Dachauer Selbstbewusstsein": "Ein toller Blick", bemerkt er. Die Sonne strahlt, die Gastgeber auch.

Seit Juni 2018 werden die zahlreichen Tier- und Pflanzenarten sowie schützenswerte Biotope erfasst, berichtet der Minister. Denn man weiß, dass sie wichtige Rückzugsgebiete und Lebensräume für wild lebende Tier- und Pflanzenarten sind. Bis voraussichtlich November werden die Kartierungsarbeiten in den drei Anlagen noch andauern. "Unter den bereits erfassten Tieren finden sich auch gefährdete Arten wie Springfrosch, Mopsfledermaus und Knautien-Sandbiene", so Füracker. Diesen will man in den Schlossparks auch weiterhin einen Lebensraum bieten. Deshalb soll nach der Bestandsaufnahme ein Konzept zur Pflege der Anlagen entwickelt werden. Ziel ist es, die Biodiversität zu sichern und nachhaltig zu verbessern. "Das bedeutet einen höheren Aufwand in der Pflege", erklärt der Gartendirektor der Bayerischen Schlösserverwaltung, Jost Albert, der Süddeutschen Zeitung. Vor allem aber eine "kleinräumige Pflege mit neuer Maschinentechnik". Denn man will die Tiere schonen - zum Beispiel bei der Mahd. Etwa fünf Jahre soll das Pilotprojekt, das in Kooperation mit dem Bayerischen Umweltministerium und den Regierungen von Oberbayern und Oberfranken initiiert wurde, erprobt werden. "Langfristig soll es auf alle Gartenanlagen ausgedehnt werden", so Albert. Und davon gibt es in Bayern immerhin 32 historische Parks.

Unter der Regie der Schlösserverwaltung stehen bereits jetzt 14 FFH-Gebiete, drei Naturschutzgebiete, 23 Landschaftsschutzgebiete und ein Naturpark mit Gartenanlage. Etwa 450 Mitarbeiter kümmern sich in ganz Bayern um das grüne Erbe. Für sie hat die Verwaltung nun eine neue funktionale Arbeitskleidung mit Corporate Design angeschafft.

Auch in Dachau wird Artenschutz und Nachhaltigkeit groß geschrieben. Gartenmeister Stephan Müller kartiert seit einigen Wochen die Bäume der Anlage digital. "Sie sind zentraler Bestandteil unseres Ökosystems", so Füracker. Und mit dem digitalen Baumkataster könne man sie besser kontrollieren. Mehr als 70 000 unterstehen der Schlösserverwaltung. In Dachau steht natürlich nur ein kleiner Bruchteil davon - darunter 54 Apfelbäume. Ab dem kommenden Jahr soll nur noch biologischer Pflanzenschutz gespritzt werden. "Künftig müssen wir acht Mal statt zwei Mal durchgehen", erklärt Müller.

Bienen gibt es in mehreren Schlossgärten: 54 Imker kümmern sich um fast 470 Bienenstöcke. Seit vier Jahren ist der Bestand um mehr als 100 Völker gewachsen. Das freut den Finanzminister. Doch so einen beliebten Lehrpfad wie in Dachau, den gibt es nicht noch einmal. Andreas Heidinger und Sabine Huber, die beiden Imker, sind sehr engagiert und innovativ. So lebt eins ihrer fünf Völker in einer Bienenkugel. Heidinger hat diese etwas außergewöhnliche Form zusammen mit der Hochschule Triesdorf entwickelt und ausgetestet. Am Mittwochnachmittag stellte er sie Schlösserverwaltung und Minister vor. "Ecken und Kanten sind Kältebrücken", erklärt er. Bei der Kugel fehlen sie. Deshalb müssen die Arbeitsbienen im Februar, wenn die Königin Eier legt, nicht mehr so viel mit ihren Flügeln schlagen, um eine konstante Temperatur von 35 Grad im Stock zu halten. "Die Kugel bedeutet etwa 50 Prozent Energieeffizienz."

Auch für Wildbienen, von denen es immerhin 550 verschiedene Arten gibt, hat er ein kugelförmiges Hotel entworfen und im 3D-Sanddruck hergestellt.

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SZ vom 05.09.2019
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