Bilanz der Helferkreise:Leben im Wartestand

Helferkreis Asyl Petershausen

Ohne ehrenamtlichen Deutschunterricht, wie hier in Petershausen, kämen die jungen Geflüchteten in der Ausbildung und bei der Jobsuche kaum voran.

(Foto: Helferkreis Asyl Petershausen)

Inzwischen sind die meisten Asylsuchenden im Landkreis als Flüchtlinge anerkannt, doch viele finden keine Wohnung und keinen Job. Dabei würden mittelständische Betriebe die jungen Leute gerne einstellen

Von Thomas Altvater, Dachau

Von den etwa 1800 Geflüchteten, die sich Anfang 2016 im Landkreis Dachau aufhielten, leben heute noch etwa 1200 hier. Viele dürfen dauerhaft bleiben, doch sie harren noch immer in den Unterkünften aus, die 2015 und 2016 eilig aufgebaut wurden. Es fehlen Wohnungen. Wo selbst Normalverdiener kaum eine Bleibe finden, ist es für Menschen mit keinem oder geringem Einkommen erst recht schwer. Dabei, so sagen die Helfer in den Gemeinden übereinstimmend, gebe es genügend leer stehenden Wohnraum. In der Stadt Dachau dürfte etwa ein Viertel der Bewohner aus den Asylheimen ausziehen: Ihre Anträge wurden anerkannt. Doch sie finden nirgendwo ein Bleibe und wohnen weiter im Heim. Im Amtsdeutsch spricht man von Fehlbelegern. Mehr und mehr werden sie zum Problem für die Gemeinden. Auch Dachau bringt bereits Flüchtlingsfamilien in Obdachlosenunterkünften unter.

Fast alle Flüchtlinge sind in den 22 Unterkünften im Landkreis untergebracht. Wie lange die Unterkünfte noch betrieben werden, hänge von den Einzelfällen in jeder Gemeinde ab und müsse von der Bezirksregierung entschieden werden, sagt Wolfgang Reichelt vom Landratsamt. Neue Asylbewerber kommen kaum noch nach Dachau, lediglich drei kamen im vergangenen Monat. Abgeschoben wurden im Laufe des Jahres ebenfalls drei Menschen. Ausreisepflichtig sind hingegen 172 Menschen. Ungefähr 300 Flüchtlinge suchen derzeit einen Job in Dachau, wie die Agentur für Arbeit mitteilt. 180 Flüchtlinge haben in diesem Jahr bereits eine Arbeit begonnen, 85 eine Ausbildung. Hilfe bei der Arbeits- und Wohnungssuche steht heute im Mittelpunkt der Arbeit der ehrenamtlichen Helfer - sie sind für die Schutzsuchenden noch immer unentbehrlich. "Die Probleme sind zwar weniger geworden, dafür aber zeitintensiver", erklärt Joachim Jacob vom Petershausener Asylkreis. Die Wohnungssuche ist für die anerkannten Flüchtlinge besonders schwierig. "Nur ganz vereinzelt können wir eine Wohnung vermitteln", sagt Georg Weigl vom Helferkreis aus Markt Indersdorf. Dort betreuen die Ehrenamtlichen insgesamt 65 Flüchtlinge. "Bei uns gibt es nur wenige Fehlbeleger, darunter ist eine Familie aus Somalia, die dringend eine Wohnung sucht", sagt Weigl. Dass es eine Wohnungsnot gebe, bestreitet Weigl. "Der Wohnraum ist da, nur bleibt er oft einfach ungenutzt."

Joachim Jacob beobachtet in Petershausen ähnliches. "Der Leerstand ist erheblich", sagt er. Doch nur wenige Menschen wollten an Flüchtlinge vermieten. Helfer in Dachau wie Petershausen haben bereits die Erfahrung gemacht, dass Zusagen in letzter Minute zurückgezogen wurden: wegen Verwandter oder der Nachbarn, die nicht einverstanden waren. "Mittlerweile sind von 65 Flüchtlingen 22 Fehlbeleger und es werden immer mehr, die wollen natürlich raus", sagt Jacob. Die Flüchtlingsunterkunft in Petershausen brannte vor kurzem teilweise nieder. Dabei lief es dort gerade gut, wie Jacob berichtet. "Einige Flüchtlinge haben eine Wohnung gefunden, einige wurden nach Karlsfeld verlegt, die Situation hatte sich entspannt." Seit dem Brand ist ein Teil der Unterkunft nicht mehr nutzbar und muss saniert werden. Den Berufsschülern fehlt nun der Platz zum Lernen. Zudem haben sie einen anderen Rhythmus als die berufstätigen Flüchtlinge. Das birgt Konfliktpotenzial. Auf eine Wohnung in Petershausen kommen zwischen 100 und 200 Bewerber, anerkannte Flüchtlinge haben keine Chance. In Dachau wohnen mehrere syrische Familien in Obdachlosenunterkünften, sagt Waltraud Wolfsmüller vom Dachauer Helferkreis.

Bei der Ausbildungs- sowie der Arbeitssuche läuft es hingegen gut. 17 Flüchtlinge aus Indersdorf arbeiten in einem Vollzeitberuf, ungefähr acht absolvieren eine Ausbildung, fünf gehen in die Berufsschule. "Vom Verkäufer bis zum Zahnarzthelfer ist alles dabei", sagt Weigl. Doch für viele Flüchtlinge ist die Berufsschule eine große Hürde. Ihnen fehle die nötige Basis in der Sprache, sagt Weigl. "Es muss sich erst zeigen, ob das alles überhaupt machbar ist."

Auch in Petershausen unterstützen die Ehrenamtlichen Berufsschüler besonders. "Ohne individuelle Hilfe ist das für die Flüchtlinge kaum möglich", erklärt Jacob. Vor allem in der Alltagssprache fehle es an Kenntnissen. Dennoch kann der Helferkreis Erfolge verzeichnen. "Es war zwar ein holpriger Weg, aber es klappt bisher ganz gut." Elf Flüchtlinge aus Petershausen machen zur Zeit eine Lehre. Jacob kritisiert vor allem das Landratsamt. "Dort wird im Bezug auf die Arbeitserlaubnis zu bürokratisch, zu standardisiert entschieden, und das dauert dann einfach zu lange." Viele Betriebe seien jedoch aufgeschlossen, betont Jacob. Vor allem kleine und mittelständische Betriebe suchen händeringend nach Auszubildenden.

Auch deshalb hat die Bundesregierung die 3+2-Regelung eingeführt. Sie garantiert Flüchtlingen in Ausbildung, diese beenden und dann zwei weitere Jahre im erlernten Beruf arbeiten zu dürfen. Der Freistaat aber hindere viele junge Flüchtlinge am Arbeiten, kritisiert die Dachauer Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer (Grüne). "Es ist unbegreiflich, dass die 3+2-Regelung in Bayern nicht konsequent umgesetzt wird. Sie nützt der heimischen Wirtschaft, dient der Integration und entlastet das Sozialsystem."

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