Süddeutsche Zeitung

Bezahlbarer Wohnraum:Suche Zimmer, biete Zweckgemeinschaft

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Stadt Dachau fragt freie Träger an, um im alternativen Modell "Wohnen für Hilfe" Jung und Alt zusammenzubringen

Von Petra Schafflik, Dachau

Eine bezahlbare Wohnung zu finden, ist schier unmöglich geworden in Dachau. Um das Angebot zu erhöhen, hat die Stadt zwar ein umfangreiches Bauprogramm für 200 Sozialwohnungen aufgelegt. Doch angesichts der Notlage auf dem Wohnungsmarkt werden nun auch neue Wege beschritten. Geprüft wird etwa das Modell "Wohnen für Hilfe", das junge Wohnungssuchende mit älteren Bürgern zusammenbringt. Die Vermittlung und Betreuung der Wohnungspartner soll möglichst ein freier Träger übernehmen, informierte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) jetzt die Stadträte im Familien- und Sozialausschuss.

Entsprechende Angebote werden in der nächsten Sitzung im November präsentiert, dann könnten die Stadträte das von der SPD-Fraktion angeregte Projekt endgültig auf den Weg bringen. Die ebenfalls von der SPD ins Spiel gebrachte Wohnungstauschbörse läuft seit langem innerhalb der städtischen Sozialwohnungen. Allerdings passen Angebot und Nachfrage oft nicht zusammen. "19 Familien, die alle von einer Zwei-Zimmer- in eine Vier-Zimmer-Wohnung wechseln möchten, haben wir auf der Warteliste", erläutert der Oberbürgermeister.

"Wohnen für Hilfe" - dieses Modell könnte für junge Leute eine Option sein, die als Auszubildende oder Studierende ein bezahlbares Zimmer benötigen. Diese Unterkunft könnten sie bei Senioren finden, die nach dem Auszug der eigenen Kinder in ihrem Haus oder ihrer Wohnung nun Platz haben. Und die sich vielleicht freuen über ein wenig Gesellschaft und zupackende Hilfe im Alltag. Ähnliche Modelle laufen schon, unter anderem im Münchner Stadtteil Neuhausen vermittelt der dortige Seniorentreff seit 20 Jahren solche Wohnpartnerschaften zwischen Jung und Alt. Aus den Erfahrungen, die Seniorentreff-Geschäftsführerin Marion Schwarz im Juli im Familienausschuss präsentierte, habe er sich gemerkt: Das Miteinander, die Chemie zwischen Jung und Alt in so einer generationsübergreifenden WG "muss passen", sagt der für das Thema Wohnen zuständige städtische Amtsleiter Markus Haberl. Nur Adressen zu vermitteln, reicht nicht. Da brauche es intensive Begleitung und Betreuung. Die Verwaltung hat deshalb jetzt im Sozialbereich tätige freie Träger angefragt, im November könnte eine Entscheidung fallen.

Um Wohnungen, die zur Familiensituation passen, geht es beim Wohnungstausch innerhalb der von der Stadtbau verwalteten städtischen Sozialwohnungen. Solch interne Umzüge gebe es seit Jahrzehnten, sagt Stadtbau-Geschäftsführer Hendrik Röttgermann. Oft wollten sich Senioren verkleinern, junge Eltern mit wachsender Kinderzahl wünschten sich dagegen mehr Platz. Aktuell sind 21 Mieter für einen Tausch vorgemerkt, informierte OB Hartmann die Stadträte im Ausschuss. Doch die Krux liegt in den Vorgaben zur Belegung von Sozialwohnungen. Denn zwei Tauschwillige möchten sich verkleinern, liegen mit ihrem Einkommen aber über dem Limit für Sozialwohnungen. Die Folge: "Sie bekommen keinen Wohnberechtigungsschein mehr", erklärt Hartmann. Also kann keine der 19 vorgemerkten Familien mit diesen Senioren tauschen. Denn egal, ob jemand erstmals in eine der 1345 Sozialwohnungen einzieht oder aber im Bestand nur tauscht - immer ist ein Wohnberechtigungsschein nötig. Den bekommen Bürger mit niedrigen Einkommen, Singles dürfen 14 000 Euro im Jahr erhalten, ein Paar über 22 000 Euro verfügen.

Das tatsächliche Bruttoeinkommen kann deutlich höher liegen, denn Werbungskosten und diverse Freibeträge etwa für Kinderbetreuungskosten oder schwerbehinderte Bürger werden noch abgezogen, erklärt Amtsleiter Markus Haberl. Wer dann in einer Sozialwohnung lebt, kann bleiben, auch wenn der Verdienst steigt. Aber ein Umzug in eine andere Sozialwohnung ist nicht möglich. Bis 2008 zahlten Sozialmieter mit höherem Einkommen eine Fehlbelegungsabgabe, konnten dafür aber auch im Bestand wechseln. Die Abschaffung der Abgabe nannte Stadträtin Christa Keimerl (SPD) "einen Fehler im System."

Allerdings spiele ein zu hohes Einkommen als Hürde beim Wohnungstausch in der Praxis keine entscheidende Rolle, erklärt Stadtbau-Geschäftsführer Röttgermann. "Das sind ganz wenige Fälle." Entscheidender sei, dass Sozialwohnungen fast nur noch frei würden, wenn Bewohner ins Altenheim umziehen oder sterben. "Die Fluktuation liegt bei vier Prozent und hat sich fast halbiert." Nur mehr 60 bis 70 geförderte Wohnungen können im Jahr neu vergeben werden, ein Fünftel davon im Zug eines Mietertauschs, so Röttgermann.

Umso größer ist die Bedeutung des Neubauprogramms der Dachauer Stadtbau. Planungen für ein Vorhaben am Otto-Kohlhofer-Weg laufen, 23 Wohnungen am Amperweg sind im Bau und ein erstes Gebäude mit acht Wohnungen in Dachau-Süd wird bereits Anfang Dezember bezugsfertig.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2019
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